Pastores gregis (Wortlaut)

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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Pastores gregis

von Papst
Johannes Paul II.
zum Thema „Der Bischof als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt"
Die X. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 30. September bis 27. Oktober 2001 statt
16. Oktober 2003
Offizieller lateinischer Text: L'Osservatore Romano vom 17. Oktober 2003.

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 163)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Die Hirten der Herde wissen, dass sie bei der Ausübung ihres Bischofsamtes auf eine besondere göttliche Gnade zählen können. Wie im Pontificale Romanum angegeben, wiederholt der Hauptzelebrant der Bischofsweihe nach der Anrufung um die Ausgießung des Geistes, der führt und leitet, während des feierlichen Weihegebetes die Worte, die schon in dem alten Text der Traditio Apostolica stehen: »Du, Vater, kennst die Herzen und hast deinen Diener zum Bischofsamt berufen. Gib ihm die Gnade, dein heiliges Volk zu leiten« .<ref> De ordinatione episcopi: Weihegebet.</ref> So wird der Wille des Herrn Jesus Christus, des ewigen Hirten, weiter erfüllt: Er sandte die Apostel aus, wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20, 21), und wollte, dass deren Nachfolger, also die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten (vgl. Apg 20, 28; 1 Petr 5, 2).<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 18.</ref>

Das Bild vom Guten Hirten, das schon in der frühesten christlichen Kunst ein sehr beliebtes Motiv war, stand den Bischöfen, die vom 30. September bis zum 27. Oktober 2001 zur X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode aus aller Welt zusammengekommen waren, deutlich vor Augen. Am Grab des Apostels Petrus haben sie mit mir zusammen über die Gestalt des Bischofs als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt nachgedacht. Alle waren übereinstimmend der Meinung, dass die Gestalt Jesu als Guter Hirt das bevorzugte Vorbild darstellt, auf das man ständig Bezug nehmen muss. Denn als Hirt, der dieses Namens würdig ist, kann niemand angesehen werden, »nisi per caritatem efficiatur unum cum Christo«<ref>Thomas von Aquin, Expositio in Evangelium secundum Ioannem, X, 3.</ref> Das ist der eigentliche Grund, weshalb »das Idealbild des Bischofs, auf den die Kirche weiterhin zählt, das des Hirten ist, der, in der Heiligkeit des Lebens Christus gleichgestaltet, sich hochherzig für die ihm anvertraute Kirche einsetzt und gleichzeitig die Sorge für alle Kirchen auf der ganzen Erde im Herzen trägt (vgl. 2 Kor 11, 28)« .<ref>Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (27. Oktober 2001), 3: AAS 94 (2002), 114.</ref>

Die Zehnte Versammlung der Bischofssynode

2 Wir wollen dem Herrn nun dafür danken, dass er uns die Gabe gewährt hat, noch ein weiteres Mal eine Versammlung der Bischofssynode abzuhalten und dabei eine wirklich tiefe Erfahrung des Kircheseins zu machen. Die X. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, die in dem noch anhaltenden Klima des Großen Jubiläums des Jahres Zweitausend am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends abgehalten wurde, stand am Ende einer langen Reihe anderer Versammlungen: Das waren zum einen die Sonderversammlungen, die alle miteinander verbunden waren durch die Blickrichtung auf die Evangelisierung in den verschiedenen Kontinenten – von Afrika bis Amerika, Asien, Ozeanien und Europa. Zum anderen waren es die ordentlichen Versammlungen, deren letzte ihre Betrachtungen dem unermeßlichen Reichtum widmete, den die im Volk Gottes vom Geist geweckten Berufungen in der Kirche darstellen. Aus dieser Perspektive hat die Beschäftigung mit dem besonderen Amt der Bischöfe das Bild jener Ekklesiologie der Gemeinschaft und Sendung vervollständigt, die man immer vor Augen haben soll.

In diesem Zusammenhang haben die Arbeiten der Synode ständig Bezug genommen auf die vom Zweiten Vatikanischen Konzil – besonders im dritten Kapitel der dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium und im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus – vorgelegte Lehre über das Bischofsamt und den Dienst des Bischofs. Von dieser erhellenden Lehre, welche die überlieferten theologischen und rechtlichen Elemente zusammenfaßt und weiterentfaltet, konnte mein Vorgänger seligen Angedenkens, Paul VI., mit Recht sagen: »Die bischöfliche Autorität ist, so scheint Uns, gestärkt aus dem Konzil hervorgegangen: in ihrer göttlichen Einsetzung geltend gemacht, in ihrer unersetzbaren Amtsfunktion bestätigt, in ihren pastoralen Gewalten des Lehrens, Heiligens und Leitens bekräftigt, durch die kollegiale Gemeinschaft in ihrer Ausdehnung auf die Gesamtkirche geehrt, in ihrer hierarchischen Stellung präzise festgelegt, in der brüderlichen Mitverantwortung mit den anderen Bischöfen für die allgemeinen und besonderen Bedürfnisse der Kirche bestärkt und im Geist untergeordneter Einheit und solidarischer Zusammenarbeit mit dem Haupt der Kirche, dem konstitutiven Zentrum des Bischofskollegiums, enger verbunden« .<ref> Ansprache an die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe Italiens (6. Dezember 1965): AAS 58 (1966), 68.</ref>

Zugleich haben die Synodenväter, entsprechend dem vorgegebenen Thema, ihr Amt im Licht der theologalen Hoffnung neu überdacht. Auch diese Aufgabe gehört, wie sogleich deutlich wurde, in einzigartiger Weise zum Auftrag des Hirten, der in der Kirche vor allem der Träger des österlichen und eschatologischen Zeugnisses ist.

Eine auf Christus gegründete Hoffnung

3 In der Tat ist es Aufgabe jedes Bischofs, ausgehend von der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, der Welt die Hoffnung zu verkünden: die Hoffnung »nicht nur in bezug auf die vorletzten Dinge, sondern auch und vor allem die eschatologische Hoffnung, die den Reichtum der Herrlichkeit Gottes erwartet (vgl. Eph 1, 18), die über alles hinausgeht, was dem Menschen je in den Sinn gekommen ist (vgl. 1 Kor 2, 9), und mit der die Leiden der gegenwärtigen Zeit nicht zu vergleichen sind (vgl. Röm 8, 18)« .<ref> Propositio 3.</ref> Die Perspektive der theologalen Hoffnung muss, zusammen mit jener des Glaubens und der Liebe, das Hirtenamt des Bischofs von Grund auf formen.

Ihm obliegt im besonderen die Aufgabe, Prophet, Zeuge und Diener der Hoffnung zu sein. Er hat die Pflicht, Vertrauen zu stiften und jedem die Gründe für die christliche Hoffnung zu erklären (vgl. 1 Petr 3, 15). Der Bischof ist vor allem dort Prophet, Zeuge und Diener dieser Hoffnung, wo der Druck einer vom Immanenzdenken beherrschten Kultur, die jede Öffnung gegenüber der Transzendenz ablehnt, sehr stark ist. Wo die Hoffnung fehlt, wird der Glaube selbst in Frage gestellt. Auch die Liebe schwindet, wenn diese Tugend versiegt. Die Hoffnung ist tatsächlich, besonders in Zeiten wachsender Ungläubigkeit und Gleichgültigkeit, eine starke Stütze für den Glauben und ein wirksamer Ansporn für die Liebe. Sie schöpft ihre Kraft aus der Gewißheit vom universalen Heilswillen Gottes (vgl. 1 Tim 2, 4) und der ständigen Gegenwart des Herrn Jesus, des Immanuel, der immer bei uns ist bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28, 20). Nur durch das Licht und den Trost aus dem Evangelium schafft es ein Bischof, die eigene Hoffnung lebendig zu erhalten (vgl. Röm 15, 4) und sie in allen zu nähren, die seiner Hirtensorge anvertraut sind. Er soll also Nachahmer der Jungfrau Maria, der Mater spei, sein, die an die Erfüllung der Worte des Herrn geglaubt hat (vgl. Lk 1, 45). Indem er sich auf das Wort Gottes stützt und sich fest an die Hoffnung klammert, die wie ein sicherer und fester Anker ist, der in den Himmel hineinreicht (vgl. Hebr 6, 18- 20), ist der Bischof in der Mitte seiner Kirche wachsamer Hüter, mutiger Prophet, glaubwürdiger Zeuge und treuer Diener Christi, der »Hoffnung auf Herrlichkeit« (vgl. Kol 1, 27), dank dem »der Tod nicht mehr sein wird, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal« (Offb 21, 4).

Die Hoffnung angesichts des Scheiterns der Hoffnungen

4 Alle werden sich daran erinnern, dass die Sitzungen der Bischofssynode in höchst dramatischen Tagen stattfanden. Die Synodenväter standen innerlich noch unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse vom 11. September 2001, die den Tod unzähliger unschuldiger Opfer zur Folge hatten und in der Welt neue, sehr ernste Situationen der Unsicherheit und Angst um die menschliche Zivilisation selbst und um das friedliche Zusammenleben der Nationen auslösten. So zeichneten sich zusätzlich zu den bereits bestehenden Konfliktsituationen weitere Horizonte von Krieg und Tod ab, die den dringenden Bedarf deutlich machten, den Friedensfürsten anzurufen, damit die Herzen der Menschen wieder zu Versöhnung, Solidarität und Frieden bereit würden.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Gebet am 11. Oktober 2001: L'Osservatore Romano, 12. Oktober 2001, 1.</ref>

Zugleich mit dem Gebet erhob die Synodenversammlung ihre Stimme, um jede Form von Gewalt zu verurteilen und auf deren tiefste Wurzeln hinzuweisen, die in der Sünde des Menschen liegen. Angesichts des Scheiterns der auf materialistische, immanentistische und ökonomische Ideologien gegründeten menschlichen Hoffnungen, die sich einbilden, alles nach den Bedingungen der Effizienz und der Macht- und Marktverhältnisse bemessen zu können, haben die Synodenväter wieder die Überzeugung bekräftigt, dass allein das Licht des Auferstandenen und der Impuls des Heiligen Geistes dem Menschen helfen, seine Erwartungen auf die Hoffnung zu stützen, die nicht zugrunde gehen lässt. Darum erklärten sie: »Wir dürfen uns nicht durch die verschiedenen Verneinungen des lebendigen Gottes einschüchtern lassen, die mehr oder weniger offen die christliche Hoffnung zu untergraben oder lächerlich zu machen suchen. Wir bekennen in der Freude des Geistes: Christus ist wahrhaft auferstanden! In seiner verklärten Menschheit hat er allen, die die Gnade der Bekehrung annehmen, das ewige Leben erschlossen«.<ref> Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft, 8: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5; vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens (14. Mai 1971), 41: AAS 63 (1971), 429-430.</ref>

Die Gewißheit dieses Glaubensbekenntnisses muss so stark sein, dass sie die Hoffnung eines Bischofs von Tag zu Tag mehr festigt, indem sie ihn darauf vertrauen lässt, dass Gottes barmherzige Güte niemals aufhören wird, Heilswege zu errichten und sie der Freiheit jedes Menschen zu öffnen. Es ist die Hoffnung, die ihn dazu ermutigt, in der Umgebung, wo er sein Amt ausübt, die Zeichen des Lebens zu erkennen, die imstande sind, die schädlichen und tödlichen Keime auszumerzen. Die Hoffnung ist es auch, die ihn dabei unterstützt, sogar die Konflikte in Wachstumschancen umzuwandeln, indem er sie der Versöhnung öffnet. Es wird auch die Hoffnung auf Jesus, den Guten Hirten, sein, die sein Herz mit Mitleid erfüllt und ihn veranlaßt, sich dem Schmerz jedes leidenden Menschen zuzuneigen, um seine Wunden zu lindern, wobei er immer die Zuversicht bewahrt, dass das verlorene Schaf wiedergefunden werden kann. Auf diese Weise wird der Bischof immer leuchtender zum Zeichen Christi, des Hirten und Bräutigams der Kirche. Indem er als Vater, Bruder und Freund jedes Menschen handelt, wird er für einen jeden lebendiges Bild Christi, unserer Hoffnung,<ref> Vgl. Propositio 6.</ref>  sein, in dem sich alle Verheißungen Gottes erfüllen und alle Erwartungen der Schöpfung zur Vollendung gebracht werden.

Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt

5 In dieses Apostolische Schreiben nehme ich den im Verlauf der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode herangereiften Bestand an Reflexionen auf – von den ersten Lineamenta bis zum Instrumentum Laboris, von den Beiträgen der Synodenväter in der Aula bis zu den beiden Relationes zur Einleitung und zur Zusammenfassung dieser Beiträge, von der Bereicherung an Gedanken und pastoraler Erfahrung, die sich in den circuli minores ergab, bis zu den Propositiones, die mir zum Abschluß der Synodenarbeiten vorgelegt wurden, damit ich für die Gesamtkirche ein eigens zum Synodenthema »Der Bischof – Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt« vorgesehenes Dokument erstelle.<ref> Vgl. Propositio 1.</ref>  Während ich mich also auf die Übergabe dieses meines Apostolischen Schreibens vorbereite, richte ich meinen brüderlichen Gruß und sende ich den Friedenskuß an alle Bischöfe, die sich in Gemeinschaft mit diesem Bischofsstuhl befinden, der als erstem Petrus anvertraut wurde, damit er Garant der Einheit sein und, wie von allen anerkannt wird, den Vorsitz in der Liebe haben sollte.<ref> Vgl. Optatus von Mileve, Contra Parmenianum donatistam, 2, 2: PL 11, 947; Ignatius von Antiochien, Ad Romanos, 1, 1: PG 5, 685.</ref>

An euch, ehrwürdige und geliebte Brüder, wiederhole ich die Aufforderung, die ich zu Beginn des neuen Jahrtausends an die ganze Kirche gerichtet habe: Duc in altum! Ja, Christus selbst ist es, der den Ruf erneut an die Nachfolger jener Apostel richtet, die diese Aufforderung aus seinem eigenen Mund vernahmen und im Vertrauen auf ihn zur Mission in alle Welt aufbrachen: Duc in altum! (Lk 5, 4). Im Lichte dieser eindringlichen Aufforderung des Herrn »können wir das dreifache munus, das uns in der Kirche übertragen wurde: munus docendi, sanctificandi et regendi auf neue Weise deuten. Duc in docendo! ,,Verkünde das Wort – würden wir mit dem Apostel sagen –, ,,tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung (2 Tim 4, 2). Duc in sanctificando! Die Netze, die wir unter den Menschen auswerfen sollen, sind in erster Linie die Sakramente, deren erste Spender und Hüter wir sind und deren Ausspendung wir zu regeln und zu fördern haben. Sie bilden eine Art heilbringendes Netz, das vom Bösen befreit und zur Fülle des Lebens führt. Duc in regendo! Als Hirten und wahre Väter haben wir die Aufgabe, mit der Unterstützung der Priester und unserer anderen Mitarbeiter die Familie der Gläubigen zusammenzuführen und in ihr die Liebe zu entzünden und die brüderliche Gemeinschaft zu fördern. Obwohl es sich um einen schwierigen und mühevollen Auftrag handelt, soll niemand den Mut verlieren. Mit Petrus und den ersten Jüngern erneuern auch wir vertrauensvoll unser aufrichtiges Glaubensbekenntnis: Herr, ,,wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen (Lk 5, 5)! Wenn du es sagst, Christus, wollen wir deinem Evangelium dienen für die Hoffnung der Welt!« .<ref> Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. September 2001), 6: AAS 94 (2002), 111-112.</ref>

Auf diese Weise werden die Bischöfe, wenn sie als Männer der Hoffnung leben und in ihrem eigenen Dienstamt die Ekklesiologie der Gemeinschaft und Sendung widerspiegeln, wirklich ein Grund zur Hoffnung für ihre Herde sein. Wir wissen, die Welt braucht »Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt« (Röm 5, 5). Wir wissen, dass diese Hoffnung Christus ist. Das wissen wir und verkündigen deshalb die Hoffnung, die aus dem Kreuz entspringt.

Ave Crux spes unica! Dieser Gruß, der in der Synodenaula im entscheidenden Augenblick der Arbeiten der X. Vollversammlung der Bischofssynode erschollen ist, soll stets auf unseren Lippen erklingen, weil das Kreuz das Mysterium von Tod und Leben ist. Das Kreuz ist für die Kirche zum »Baum des Lebens« geworden. Deshalb verkünden wir, dass das Leben den Tod besiegt hat.

In dieser österlichen Verkündigung ist uns eine Schar heiliger Bischöfe vorausgegangen, die in medio Ecclesiae beredte Zeichen des Guten Hirten gewesen sind. Darum loben wir stets den allmächtigen und ewigen Gott und danken ihm, weil er uns – wie wir in der heiligen Liturgie singen – in ihrem Leben aus dem Glauben ein Vorbild gibt, uns durch die Botschaft ihrer Predigt belehrt und uns auf ihre Fürbitte Schutz und Hilfe gewährt.<ref> Vgl. Missale Romanum, Präfation von den Hirten der Kirche.</ref> Das Antlitz jedes dieser heiligen Bischöfe, von den Anfängen der Kirche bis in unsere Tage, ist – wie ich zum Abschluß der Synodenarbeiten sagte – gleichsam ein Mosaikstein, der zusammen mit allen anderen in einer Art mystischem Mosaik das Antlitz Christi, des Guten Hirten, bildet. Auf Christus also richten wir unseren Blick und werden auch darin zum Vorbild für die Herde, die der Hirt der Hirten uns anvertraut hat; schauen wir auf ihn, um mit immer größerem Engagement Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt zu sein.

In der Betrachtung des Antlitzes unseres Herrn und Meisters lassen wir uns alle – wie der Apostel Petrus in der Stunde, in der Jesus »den Seinen seine Liebe bis zur Vollendung erwies« (vgl. Joh 13, 1-9) – von ihm die Füße waschen, um Anteil an ihm zu haben. Und mit der Kraft, die wir von ihm in der heiligen Kirche erhalten, wiederholen wir vor unseren Priestern und Diakonen, vor allen Personen des geweihten Lebens und vor allen geliebten gläubigen Laien mit lauter Stimme: »Wie immer wir sein mögen, ihr sollt nicht eure Hoffnung auf uns setzen: Wenn wir gut sind, sind wir Diener; wenn wir schlecht sind, sind wir Diener. Wenn wir jedoch gute und treue Diener sind, dann sind wir wirklich Diener« .<ref> Augustinus, Sermo 340/A, 9: PL 2, 644.</ref> – Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt.

ERSTES KAPITEL: MYSTERIUM UND DIENST DES BISCHOFS

»… und wählte aus ihnen zwölf aus« (Lk 6, 13)

6 Der Herr Jesus verkündete während seiner Erdenpilgerschaft das Evangelium vom Reich Gottes, dessen Anbruch er selbst einleitete, indem er allen Menschen sein Geheimnis offenbarte.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 3.</ref> Er berief Männer und Frauen in seine Nachfolge, und wählte unter den Jüngern zwölf aus, »die er bei sich haben wollte« (Mk 3, 14). Das Lukasevangelium führt genauer aus, dass Jesus diese Wahl traf, nachdem er eine ganze Nacht im Gebet auf einem Berg verbracht hatte (vgl. Lk 6, 12). Was das Markusevangelium betrifft, so scheint es diese Handlung Jesu als einen souveränen Akt, einen konstitutiven Akt einzustufen, der denen, die er ausgewählt hat, Identität verleiht: »Er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). So enthüllt sich das Geheimnis der Wahl der Zwölf: Es ist ein Akt der Liebe, von Jesus frei gewollt in tiefer Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist.

Die von Jesus den Aposteln anvertraute Sendung muss bis ans Ende der Zeiten andauern (vgl. Mt 28, 20), weil das Evangelium, zu dessen Weitergabe sie beauftragt sind, das Leben der Kirche zu jeder Zeit ist. Eben deshalb trugen die Apostel für die Bestellung von Nachfolgern Sorge, so dass, nach dem Zeugnis des hl. Irenäus, die apostolische Überlieferung durch die Jahrhunderte hin kundgemacht und bewahrt werden sollte.<ref> Vgl. Adversus haereses, III, 2,2; III, 3,1: PG 7, 847; 848; vgl. Propositio 2.</ref>

An der besonderen Ausgießung des Heiligen Geistes, mit dem die Apostel vom auferstandenen Herrn beschenkt wurden (vgl. Apg 1, 5.8; 2, 4; Joh 20, 22-23), ließen sie ihre Mitarbeiter durch die Auflegung der Hände teilhaben (vgl. 1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6-7). Diese wiederum gaben sie mit derselben Geste an andere weiter, und diese wieder an andere. Auf diese Weise ist die geistliche Gabe des Anfangs durch die Auflegung der Hände, das heißt durch die Bischofsweihe, welche die Fülle des Weihesakramentes, das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes überträgt, bis auf uns gekommen. Durch die Bischöfe und die Priester, die ihnen zur Seite stehen, ist also der Herr Jesus Christus, auch wenn er zur Rechten des Vaters sitzt, weiterhin inmitten der Gläubigen anwesend. Zu allen Zeiten und an allen Orten verkündet er allen Völkern Gottes Wort, spendet den Gläubigen die Sakramente des Glaubens und lenkt und ordnet gleichzeitig das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit. Der Gute Hirt verlässt seine Herde nicht, sondern hütet und schützt sie immer mittels derjenigen, die, wenn sie kraft der seinsmäßigen Teilhabe an seinem Leben und seiner Sendung die Aufgabe des Lehrers, Hirten und Priesters in hervorragender und sichtbarer Weise innehaben, an seiner Stelle handeln. Bei der Ausübung der mit dem Hirtenamt verbundenen Aufgaben sind sie als seine Stellvertreter und Gesandte eingesetzt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; 27.</ref>

Das trinitarische Fundament des Bischofsamtes

7 Die christologische Dimension des Hirtenamtes, wenn man sie in ihrer Tiefgründigkeit betrachtet, führt hin zum Verständnis des trinitarischen Fundamentes des Amtes selbst. Das Leben Christi ist trinitarisch. Er ist der ewige und eingeborene Sohn des Vaters und der mit dem Heiligen Geist Gesalbte, der in die Welt gesandt worden ist; er ist der, welcher zusammen mit dem Vater der Kirche den Heiligen Geist sendet. Diese trinitarische Dimension, die in der ganzen Seins- und Handlungsweise Christi offenbar wird, formt auch das Sein und Handeln des Bischofs. Mit Recht hatten also die Synodenväter den ausdrücklichen Wunsch, Leben und Dienstamt des Bischofs im Licht der in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils enthaltenen trinitarischen Ekklesiologie zu veranschaulichen.

Sehr alt ist die Überlieferung, die den Bischof als Abbild des himmlischen Vaters darstellt, der – wie der heilige Ignatius von Antiochien schrieb – so etwas wie der unsichtbare Bischof, der Bischof aller ist. Jeder Bischof nimmt folglich den Platz des Vaters Jesu Christi ein, so dass er wegen dieser Vertretung von allen geachtet werden muss.<ref> Vgl. Ad Magnesios, 6, 1: PG 5, 764; Ad Trallianos, 3, 1: PG 5, 780; Ad Smyrnæos, 8, 1: PG 5, 852.</ref>  Im Zusammenhang mit dieser symbolischen Struktur kann der Bischofsstuhl, der besonders in der Tradition der Ostkirche an die väterliche Autorität Gottes erinnert, nur vom Bischof besetzt werden. Aus dieser selben Struktur ergibt sich für jeden Bischof die Pflicht, sich mit väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes anzunehmen und es zusammen mit den Priestern, den Mitarbeitern des Bischofs in seinem Dienst, und mit den Diakonen auf dem Weg des Heiles zu führen.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Versprechen des Erwählten.</ref> Umgekehrt sollen die Gläubigen, wie ein alter Text mahnt, die Bischöfe lieben, die nach Gott ihre Väter und Mütter sind.<ref> Vgl. Didascalia Apostolorum, II, 33,1: F.X. Funk, I, 115.</ref>  Daher wird gemäß einem in einigen Kulturen verbreiteten Brauch die Hand des Bischofs wie die Hand des liebevollen Vaters und Spenders des Lebens geküßt.

Christus ist das ursprüngliche Abbild des Vaters und die Kundmachung seiner barmherzigen Anwesenheit unter den Menschen. Der Bischof, der in der Person und im Namen Christi selbst handelt, wird in der ihm anvertrauten Kirche zum lebendigen Zeichen des Herrn Jesus, des Hirten und Bräutigams, Lehrers und Hohenpriesters der Kirche.<ref> Vgl. Propositio 6.</ref>  Hier liegt die Quelle des Hirtenamtes, durch das, wie es das vom Pontificale Romanum vorgeschlagene Homilieschema empfiehlt, die drei Funktionen der Belehrung, Heiligung und Leitung des Gottesvolkes mit den charakteristischen Eigenschaften des Guten Hirten ausgeübt werden müssen: Liebe, Kennen der Herde, Sorge um alle, barmherziges Handeln gegenüber den Armen, den Fremden, den Notleidenden, Suche nach den verlorenen Schafen, um sie in den einen Schafstall zurückzubringen.

Da schließlich die Salbung mit dem Heiligen Geist den Bischof Christus gleichgestaltet, befähigt sie ihn dazu, in seinem Leben das Geheimnis Christi zugunsten der Kirche fortzuführen. Wegen dieser trinitarischen Kennzeichnung seines Wesens ist jeder Bischof in seinem Dienst verpflichtet, liebevoll über die ganze Herde zu wachen, in deren Mitte er vom Geist gestellt wurde, um die Kirche Gottes zu führen: im Namen des Vaters, dessen Bild er vergegenwärtigt; im Namen Jesu Christi, seines Sohnes, von dem er zum Lehrer, Priester und Hirten eingesetzt worden ist; im Namen des Heiligen Geistes, der der Kirche Leben verleiht und mit seiner Kraft die menschliche Schwachheit stärkt.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Homilie.</ref>

Kollegialer Charakter des Bischofsamtes

8 »... er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). Mit diesem Hinweis auf das Evangelium leitet die dogmatische Konstitution Lumen gentium die Lehre über den kollegialen Charakter des Kreises der Zwölf ein, die eingesetzt wurden »nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte« <ref> Nr. 19.</ref> In gleicher Weise sind der Papst als Nachfolger des seligen Petrus als Bischof von Rom und alle Bischöfe in ihrer Gesamtheit als Nachfolger der Apostel untereinander nach Art eines Kollegiums verbunden.<ref> Vgl. ebd., 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 330; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 42.</ref>

Die kollegiale Einheit zwischen den Bischöfen gründet zugleich auf der Bischofsweihe und auf der hierarchischen Gemeinschaft; daher berührt sie die Tiefe des Seins eines jeden Bischofs und gehört zur Struktur der Kirche, wie sie dem Willen Jesu Christi entspricht. In die Fülle des Bischofsamtes wird man nämlich versetzt kraft der Bischofsweihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums und mit den Gliedern, das heißt mit dem Kollegium, das immer als eine Einheit mit seinem Haupt zu verstehen ist. Das ist das Wesen der Eingliederung in das Bischofskollegium,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 336; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 49.</ref>  und darum müssen auch die drei bei der Bischofsweihe empfangenen Ämter – das Amt des Heiligens, des Lehrens und des Leitens – in der hierarchischen Gemeinschaft ausgeübt werden, was allerdings wegen ihrer verschiedenen unmittelbaren Zielsetzungen in unterschiedlicher Weise geschieht.<ref> Vgl. Propositio 20; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; Codex des kanonischen Rechtes, can. 375 § 2.</ref>

Das ist der sogenannte affectus collegialis, jene »kollegiale Gesinnung« oder affektive Kollegialität, aus der die Sorge der Bischöfe für die anderen Teilkirchen und für die Universalkirche entspringt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 3; 5; 6; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 13: AAS 90 (1998), 650-651.</ref> Wenn man also sagen muss, dass ein Bischof nie allein steht, da er immer durch den Sohn im Heiligen Geist mit dem Vater verbunden ist, muss man außerdem hinzufügen, dass er auch deshalb nie allein steht, weil er immer und ständig mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit demjenigen verbunden ist, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt hat.

Diese kollegiale Gesinnung verwirklicht und äußert sich den unterschiedlichen Stufen entsprechend in verschiedenen, auch institutionalisierten Formen, wie zum Beispiel der Bischofssynode, den Partikularkonzilien, den Bischofskonferenzen, der Römischen Kurie, den Ad limina-Besuchen, der Zusammenarbeit in der Mission usw. Voll und ganz verwirklicht und äußert sich die kollegiale Gesinnung jedoch nur in der kollegialen Handlung im engen Sinn, das heißt in der Handlung aller Bischöfe zusammen mit ihrem Haupt, mit dem sie die volle und höchste Gewalt über die Gesamtkirche ausüben.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), Adnexum I, 4: AAS 80 (1988), 914-915; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 337 §§ 1.2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 50 §§ 1.2.</ref>

Dieser kollegiale Charakter des apostolischen Dienstes entspricht dem Willen Christi selbst. Die kollegiale Gesinnung oder affektive Kollegialität (collegialitas affectiva) besteht somit unter den Bischöfen als communio episcoporum immer, sie äußert sich aber nur in einigen Handlungen als effektive Kollegialität (collegialitas effectiva). Die verschiedenen Weisen der Umsetzung der affektiven Kollegialität in effektive Kollegialität sind menschlicher Natur, konkretisieren aber in unterschiedlichen Graden die von Gott her kommende Notwendigkeit, dass sich der Episkopat in kollegialer Form zum Ausdruck bringt.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zum Abschluß der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (29. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 610; Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988): Adnexum I, 5: AAS 80 (1988) 915-916; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref> Auf den Ökumenischen Konzilien wird dann die höchste Gewalt des Kollegiums über die Gesamtkirche in feierlicher Form ausgeübt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>

Die kollegiale Dimension verleiht dem Episkopat den Charakter der Universalität. Man kann somit eine Parallelität zwischen der einen und allumfassenden, also ungeteilten Kirche und dem einen und ungeteilten, also allumfassenden Episkopat feststellen. Prinzip und Fundament dieser Einheit sowohl der Kirche wie des Kollegiums der Bischöfe ist der Papst. Denn wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, stellt das Kollegium,»insofern es aus vielen zusammengesetzt ist, die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar« .<ref> Ebd.</ref> Darum ist»die Einheit des Episkopats eines der konstitutiven Elemente der Einheit der Kirche«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 8: AAS 90 (1998), 647.</ref>

Die Gesamtkirche ist weder die Summe der Teilkirchen, noch eine Föderation von Teilkirchen und auch nicht das Ergebnis ihrer Gemeinschaft, denn nach den Aussagen der frühen Kirchenväter und der Liturgie geht sie in ihrem wesentlichen Mysterium der eigentlichen Schöpfung voraus.<ref> Vgl. Sacramentarium von AngoulÊme, In dedicatione basilicae novae: »Dirige, Domine, quaesumus, ecclesiam tuam dispensatione caelesti, ut, quae ante mundi principium in tua semper est praesentia praeparata, usque ad plenitudinem gloriamque promissam te moderante perveniat« : CCSL 159 C, Rubr. 1851; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 758-760; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 9: AAS 85 (1993), 843.</ref> Im Lichte dieser Lehre wird man hinzufügen können, dass die Beziehung eines wechselseitigen Ineinander-Vorhandenseins, die zwischen der Gesamtkirche und der Teilkirche gilt – weshalb die Teilkirchen »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind und in ihnen und aus ihnen die eine und einzige katholische Kirche besteht«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23.</ref> – sich in der Beziehung zwischen dem Bischofskollegium in seiner Gesamtheit und dem einzelnen Bischof wiederholt. Darum »ist das Bischofskollegium nicht als die Summe der den Teilkirchen vorstehenden Bischöfe, noch als Ergebnis ihrer Gemeinschaft zu verstehen, sondern ist als wesentliches Element der Gesamtkirche eine Wirklichkeit, die dem Auftrag, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist«.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 9.12.13: AAS 90 (1998), 647-651.</ref>

Im Licht der Aussage des Konzils können wir diese Parallelität zwischen der Gesamtkirche und dem Kollegium der Bischöfe besser verstehen: »So bildeten die Apostel die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie«.<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 5.</ref>  Bei den Aposteln war, insofern man sie nicht einzeln, sondern als Kollegium betrachtet, die Struktur der Kirche, die in ihrer Universalität und Einheit in ihnen gegründet war, und des Kollegiums der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, als Zeichen dieser Universalität und Einheit, bereits vorgebildet.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>

Somit »ergibt sich die Gewalt des Bischofskollegiums über die ganze Kirche nicht aus der Summe der Gewalten der einzelnen Bischöfe über ihre Teilkirchen; sie ist eine vorgeordnete Wirklichkeit, an der die einzelnen Bischöfe teilhaben, die nur kollegial über die ganze Kirche entscheiden können«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 650.</ref> An dieser Lehr- und Leitungsgewalt haben die Bischöfe unmittelbar und solidarisch teil, weil sie Glieder des Bischofskollegiums sind, in dem das Apostelkollegium real fortbesteht.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>

Wie die Gesamtkirche eine und unteilbar ist, so ist auch das Bischofskollegium ein »unteilbares theologisches Subjekt«, und daher ist auch die höchste, volle und universale Gewalt, deren Subjekt das Kollegium ebenso wie der Papst persönlich ist, eine und unteilbar. Eben weil das Bischofskollegium eine Wirklichkeit ist, die dem Amt, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist, gibt es viele Bischöfe, die zwar eigentliche bischöfliche Aufgaben erfüllen, aber doch keiner Teilkirche vorstehen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 649-650.</ref> Jeder Bischof vertritt – immer in Einheit mit allen Brüdern im Bischofsamt und mit dem Papst – Christus, das Haupt und den Hirten der Kirche: nicht nur in eigener und spezifischer Weise, wenn er das Hirtenamt einer Teilkirche erhält, sondern auch, wenn er mit dem Diözesanbischof in der Leitung seiner Kirche zusammenarbeitet<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Hirtenamt der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 25-26.</ref>  oder am allgemeinen Hirtenamt des Papstes bei der Leitung der Gesamtkirche teilhat. Infolge der Tatsache, dass die Kirche im Laufe ihrer Geschichte außer dem eigentlichen Vorsitz einer Teilkirche auch andere Formen der Ausübung des Bischofsamtes, wie das der Weihbischöfe oder der Vertreter des Papstes in den Behörden des Heiligen Stuhls oder in den päpstlichen Gesandtschaften anerkannt hat, lässt sie auch heute, nach Maßgabe des Rechts, solche Formen zu, wenn sie sich als notwendig erweisen.<ref> Vgl. Propositio 33.</ref>

Missionarischer Charakter und Einheitlichkeit des bischöflichen Dienstamtes

9 Das Lukasevangelium (vgl. 6, 13) berichtet, dass Jesus den Zwölf den Namen Apostel gab, was wörtlich Ausgesandte, Beauftragte bedeutet. Im Markusevangelium lesen wir zudem, dass Jesus die Zwölf einsetzte, »weil er sie dann aussenden wollte, damit sie predigten« (3, 14). Das bedeutet, dass sowohl die Erwählung als auch die Einsetzung der Zwölf als Apostel auf die Mission ausgerichtet sind. Ihre erste Aussendung (vgl. Mt 10, 5; Mk 6, 7; Lk 9, 1-2) findet ihre Erfüllung in dem Auftrag, mit dem sie Jesus nach der Auferstehung zum Zeitpunkt seiner Himmelfahrt betraut. Es sind Worte, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 18-20). Dieser Missionsauftrag an die Apostel hat am Tag der pfingstlichen Ausgießung des Heiligen Geistes seine feierliche Bestätigung erhalten.

Im soeben zitierten Text aus dem Matthäusevangelium ist das ganze Hirtenamt als ein entsprechend der dreifachen Aufgabe des Lehrens, des Heiligens und des Leitens gegliedertes erkennbar. Wir sehen darin ein Spiegelbild der dreifachen Dimension des Dienstes und der Sendung Christi. Tatsächlich nehmen wir als Christen und – auf qualitativ neue Weise – als Priester teil an der Sendung unseres Meisters, der Prophet, Priester und König ist, und sind aufgerufen, in der Kirche und vor der Welt von ihm ein eigenes Zeugnis abzulegen. Diese drei Aufgaben (triplex munus) und die daraus abgeleiteten Gewalten sind auf der Handlungsebene Ausdruck des Hirtenamtes (munus pastorale), das jeder Bischof durch die Bischofsweihe empfängt. Dieselbe Liebe Christi, die ihm bei der Weihe zuteil wird, nimmt in der Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung an alle Menschen (vgl. Lk 4, 16-19), in der Spendung der Sakramente an jeden, der das Heil empfängt, und in der Führung des heiligen Volkes zum ewigen Leben konkrete Gestalt an. Es handelt sich in der Tat um Aufgaben, die eng miteinander verbunden sind, die sich gegenseitig erklären, bedingen und erhellen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; 27; Johannes Paul II., Brief an die Priester Novo incipiente (8. April 1979), 3: AAS 71 (1979), 397.</ref> Gerade deshalb gilt: Wenn der Bischof das Volk Gottes lehrt, heiligt und leitet er es gleichzeitig; während er heiligt, lehrt und leitet er auch; wenn er leitet, lehrt und heiligt er. Der heilige Augustinus definiert die Ganzheit dieses bischöflichen Dienstes als amoris officium.<ref> Vgl. In Ioannis Evangelium tractatus, 123, 5: PL 35, 1967.</ref> Das schenkt die Gewißheit, dass die Hirtenliebe Jesu Christi in der Kirche niemals versiegen wird.

»… er rief die zu sich, die er erwählt hatte« (Mk 3, 13)

10 Eine große Menschenmenge folgte Jesus, als er beschloß, auf den Berg zu steigen und die Apostel zu sich zu rufen. Der Jünger waren viele, aber nur zwölf von ihnen wählte er für das besondere Apostelamt aus (vgl. Mk 3, 13-19). In der Synodenaula war häufig das Wort des heiligen Augustinus zu hören: »Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ« .<ref> Sermo 340, 1: PL 38, 1483: »Vobis enim sum episcopus, vobiscum sum christianus« .</ref>

Der Bischof, ein Geschenk des Geistes an die Kirche, ist zuallererst und wie jeder andere Christ Sohn und Glied der Kirche. Von dieser heiligen Mutter hat er im Sakrament der Taufe die Gabe des göttlichen Lebens und die erste Unterweisung im Glauben empfangen. Mit allen anderen Gläubigen teilt er die unübertreffliche Würde der Gotteskindschaft, die er in der Gemeinschaft und im Geist dankbarer Brüderlichkeit zu leben hat. Andererseits hat der Bischof kraft der Fülle des Weihesakramentes gegenüber den Gläubigen das Amt des Lehrens, des Heiligens und des Leitens und ist dazu beauftragt, im Namen und in der Person Christi zu handeln.

Es handelt sich offensichtlich um zwei Beziehungen, die nicht einfach nebeneinander, sondern – so wie sie einander zugeordnet sind – in einem wechselseitigen, innigen Verhältnis stehen, denn beide schöpfen aus dem Reichtum Christi, des einzigen Hohenpriesters. Der Bischof wird gerade deshalb zum »Vater« , weil er ganz »Sohn« der Kirche ist. Damit wird wiederum die Beziehung zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum vorgelegt: zwei Formen der Teilhabe an dem einen Priestertum Christi, in dem zwei Dimensionen vorhanden sind, die sich im höchsten Akt des Kreuzesopfers verbinden. Das wirkt sich auf die Beziehung aus, die in der Kirche zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem Amtspriestertum besteht. Der Umstand, dass sie, obgleich sie sich dem Wesen nach unterscheiden, einander zugeordnet sind,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 10.</ref> schafft eine Wechselseitigkeit, die zum harmonischen Aufbau des Lebens der Kirche als Ort des geschichtlichen Vollzugs des von Christus gewirkten Heils beiträgt. Diese Wechselseitigkeit findet sich gerade in der Person des Bischofs wieder, der ein Getaufter ist und bleibt, aber in das Hohepriestertum eingesetzt wurde. Diese innerste Wirklichkeit des Bischofs ist die Grundlage dafür, dass er »mitten unter« den anderen Gläubigen ist und ihnen »gegenüber« steht.

Daran erinnert das Zweite Vatikanische Konzil in einem sehr schönen Text: »Wenn also in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1, 1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi. Der Unterschied, den der Herr zwischen den geweihten Amtsträgern und dem übrigen Gottesvolk gesetzt hat, schließt eine Verbindung ein, da ja die Hirten und die anderen Gläubigen in enger Beziehung miteinander verbunden sind. Die Hirten der Kirche sollen nach dem Beispiel des Herrn einander und den übrigen Gläubigen dienen, diese aber sollen voll Eifer mit den Hirten und Lehrern eng zusammenarbeiten«.<ref> Ebd., 32.</ref> Das bei der Weihe empfangene Hirtenamt, das den Bischof den anderen Gläubigen »gegenüber« stellt, drückt sich in seinem »Sein-für« die anderen Gläubigen aus, das ihn nicht aus seinem »Sein-mit« ihnen herausreißt. Das gilt sowohl für seine persönliche Heiligung, die er in der Ausübung seines Amtes suchen und verwirklichen muss, als auch für den Stil der tatsächlichen Ausführung des Dienstamtes in allen seinen Aufgaben.

Die Wechselbeziehung, die zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum besteht und die sich im Bischofsamt wiederfindet, zeigt sich in einer Art »Kreislauf« zwischen den beiden Formen des Priestertums: Kreislauf zwischen dem Glaubenszeugnis aller Gläubigen und dem authentischen Glaubenszeugnis des Bischofs in seinen lehramtlichen Akten; Kreislauf zwischen dem heiligen Leben der Gläubigen und den Mitteln zur Heiligung, die ihnen der Bischof bietet; Kreislauf, schließlich, zwischen der persönlichen Verantwortung des Bischofs für das Wohl der ihm anvertrauten Kirche und der Mitverantwortung aller Gläubigen für das Wohl derselben Kirche.  

ZWEITES KAPITEL: DAS GEISTLICHE LEBEN DES BISCHOFS

»Er setzte zwölf ein, die er bei sich haben wollte« (Mk 3, 14)

11 Durch denselben Akt seiner Liebe, mit dem er aus freien Stücken die Apostel einsetzt, beruft Jesus die Zwölf dazu, sein Leben zu teilen. Daher ist auch dieses Teilen, das Seelen- und Willensgemeinschaft mit ihm bedeutet, eine auf ihre Mitwirkung an seiner Sendung bezogene Forderung. Man darf die Funktionen des Bischofs nicht auf eine rein organisatorische Aufgabe reduzieren. Um dieser Gefahr vorzubeugen, haben sowohl die Dokumente zur Vorbereitung der Synode als auch viele Wortmeldungen der Synodenväter in der Aula auf dem bestanden, was im persönlichen Leben des Bischofs und in der Ausübung des ihm aufgetragenen Dienstes die Wirklichkeit des Bischofsamtes als Fülle des Weihesakramentes in seinen theologischen, christologischen und pneumatologischen Grundlagen ausmacht.

Der objektiven Heiligung, die man durch Christus im Sakrament mit der Spendung des Geistes erfährt, muss die subjektive Heiligkeit entsprechen, in welcher der Bischof mit Hilfe der Gnade durch die Ausübung des Dienstamtes immer weitere Fortschritte machen muss. Die von der Weihe als Gleichgestaltung mit Christus bewirkte seinsmäßige Umwandlung verlangt einen Lebensstil, der das »Bei-ihm-sein« deutlich zu erkennen geben soll. Wiederholt wurde daher in der Synodenaula die Hirtenliebe als Frucht sowohl des vom Sakrament eingeprägten Charakters wie der dem Sakrament eigenen Gnade nachdrücklich betont. Die Liebe, so ist gesagt worden, ist gleichsam die Seele des bischöflichen Dienstes, der in einer Dynamik pastoraler Pro-Existenz steht, aus der heraus er dazu angespornt wird, wie Christus, der Gute Hirte, in täglicher Selbsthingabe für den Vater und für die anderen zu leben.

Vor allem in der Ausübung seines Amtes, die sich an der Nachahmung der Liebe des Guten Hirten inspiriert, ist der Bischof gerufen, heilig zu werden und zu heiligen. Als einigendes Prinzip dient ihm hierbei die Betrachtung des Antlitzes Christi und die Verkündigung des Evangeliums vom Heil.<ref> Vgl. Propositio 8</ref> Daher schöpft seine Spiritualität Orientierung und Anregung nicht nur aus dem Sakrament der Taufe und der Firmung, sondern gerade auch aus der Bischofsweihe, die ihn dazu verpflichtet, seinen Dienst als Verkündiger des Evangeliums, als Liturge und als Leiter der Gemeinschaft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu leben. Die Spiritualität des Bischofs wird also auch eine kirchliche Spiritualität sein; denn alles in seinem Leben ist auf den liebevollen Aufbau der heiligen Kirche ausgerichtet.

Dies verlangt im Bischof eine dienstbereite Haltung, die von seelischer Stärke, apostolischem Mut und vertrauensvoller Hingabe an das innere Wirken des Geistes geprägt ist. Er wird sich daher bemühen, einen Lebensstil anzunehmen, der die kénosis des dienenden, armen und demütigen Christus nachahmt. Auf diese Weise soll die Ausübung seines Hirtenamtes ein kohärentes Spiegelbild Jesu, des Gottesknechtes, sein und ihn dazu anhalten, wie dieser allen – vom Größten bis zum Geringsten – nahe zu sein. In einer gewissen Wechselseitigkeit heiligt also die treue und liebevolle Ausübung des Dienstes den Bischof und gleicht ihn auf subjektiver Ebene immer mehr dem ontologischen Reichtum der Heiligkeit an, den das Sakrament in ihn gelegt hat.

Die persönliche Heiligkeit des Bischofs bleibt jedoch niemals auf einer rein subjektiven Ebene stehen, weil sie in ihrer Wirkung immer den seiner pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen zum Vorteil gereicht. In der praktischen Übung der Liebe, die der Inhalt des empfangenen Hirtenamtes ist, wird der Bischof zum Zeichen Christi und gewinnt jenes moralische Ansehen, das die Ausübung der rechtlichen Autorität braucht, um auf die Umwelt wirksam Einfluß ausüben zu können. Wenn sich nämlich das Bischofsamt nicht auf das Zeugnis der Heiligkeit stützt, die in der pastoralen Liebe, in der Demut und in der Einfachheit des Lebens zum Ausdruck kommt, wird es schließlich zu einer nahezu reinen Funktionsrolle verkürzt und verliert unvermeidlich an Glaubwürdigkeit beim Klerus und bei den Gläubigen.

Berufung zur Heiligkeit in der Kirche unserer Zeit

12 Ein biblisches Bild scheint besonders geeignet, um die Gestalt des Bischofs als Freund Gottes, als Hirte und Leiter des Volkes zu beleuchten. Es ist die Gestalt des Mose. Durch den Blick auf ihn kann sich der Bischof inspirieren lassen: in seinem Sein und Handeln als vom Herrn erwählter und gesandter Hirte, der seinem Volk auf dem Weg in das verheißene Land mutig vorangeht, der das Wort und Gesetz des lebendigen Gottes getreu auslegt, als Mittler des Bundes, der glühend und vertrauensvoll im Gebet für sein Volk eintritt. Wie Mose, der nach dem Gespräch mit Gott auf dem heiligen Berg mit strahlendem Gesicht in die Mitte seines Volkes zurückkehrte (vgl. Ex 34, 29-30), so wird auch der Bischof die Zeichen dafür, dass er Vater, Bruder und Freund ist, nur dann unter seine Brüder tragen können, wenn er in die dichte und lichterfüllte Wolke des Geheimnisses des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes eingetreten ist. Vom Licht der Dreifaltigkeit erleuchtet, wird er Zeichen der barmherzigen Güte des Vaters, ein lebendiges Abbild der Liebe des Sohnes, ein offen erkennbarer Mann des Geistes sein, der geweiht und gesandt ist, das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch die Zeit hin zur Ewigkeit zu führen.

Die Synodenväter haben die Bedeutung des geistlichen Bemühens im Leben, im Dienst und auf dem Weg des Bischofs mit aller Klarheit herausgestellt. Ich selbst habe auf diese Vordringlichkeit im Einklang mit den Erfordernissen des Lebens der Kirche und mit dem Anruf des Heiligen Geistes hingewiesen, der in diesen Jahren allen den Primat der Gnade, das verbreitete Bedürfnis nach Spiritualität und die Dringlichkeit des Zeugnisgebens für die Heiligkeit in Erinnerung gerufen hat.

Der Verweis auf die Spiritualität entspringt aus der Bezugnahme auf das Wirken des Heiligen Geistes in der Heilsgeschichte. Seine Gegenwart ist aktiv und dynamisch, prophetisch und missionarisch. Die Gabe der Fülle des Heiligen Geistes, die der Bischof bei der Bischofsweihe empfängt, ist eine wertvolle und eindringliche Ermahnung, seinem Wirken in der kirchlichen Gemeinschaft und in der weltweiten Sendung nachzukommen.

Die unmittelbar nach der Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 abgehaltene Synodenversammlung hat sich den Vorsatz eines heiligen Lebens, das ich selbst der ganzen Kirche empfohlen habe, von Anfang an zu eigen gemacht: »Die Perspektive, in die der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit... Nach dem Jubiläum beginnt wieder der gewöhnliche Weg, doch der Hinweis auf die Heiligkeit bleibt mehr denn je ein dringendes Desiderat der Pastoral«.<ref> Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 30: AAS 93 (2001), 287.</ref>  Die begeisterte und großzügige Annahme meines Appells, die Berufung zur Heiligkeit an die erste Stelle zu setzen, bildete die Atmosphäre, in der die Synodenarbeit ablief, und das Klima, das die Beiträge und Überlegungen der Synodenväter in gewisser Weise auf einen einheitlichen Nenner gebracht hat. Sie vernahmen in ihren Herzen den Widerhall der Mahnung des heiligen Gregor von Nazianz: »Zuerst sich läutern und dann [andere] läutern, zuerst sich von der Weisheit belehren lassen und dann andere lehren, zuerst Licht werden und dann erleuchten, zuerst sich Gott nähern und dann andere hinführen, zuerst sich heiligen und dann heiligen«.<ref> Oratio II, 71: PG 35, 479.</ref>

Aus diesem Grund kam von der Synodenversammlung mehrmals die Aufforderung, das spezifisch »Bischöfliche« des Weges der Heiligkeit eines Bischofs klar und deutlich zu bestimmen. Es wird immer eine mit dem Volk und für das Volk gelebte Heiligkeit sein, in einem Miteinander, das zum Ansporn und zur gegenseitigen Auferbauung in der Liebe wird. Und dabei handelt es sich nicht um belanglose oder nebensächliche Ansprüche. Denn tatsächlich begünstigt gerade das geistliche Leben des Bischofs die Fruchtbarkeit seines seelsorglichen Wirkens. Bildet etwa nicht die beständige Meditation des Mysteriums Christi, die leidenschaftliche Betrachtung seines Antlitzes und die großzügige Nachahmung des Lebens des Guten Hirten das Fundament jeder wirksamen Seelsorge? Wenn es stimmt, dass unsere Zeit in ständiger Bewegung ist und geradezu in Unruhe mit der deutlichen Gefahr des »Machens um des Machens willen« versetzt wird, dann muss der Bischof als erster durch das Beispiel seines Lebens zeigen, dass es gilt, den Vorrang des »Seins« vor dem »Machen« und noch mehr den Vorrang der Gnade wiederherzustellen, der in der christlichen Lebensvorstellung auch für eine »Planung« des pastoralen Dienstes wesentlich ist.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 15; 31: AAS 93 (2001), 276; 288.</ref>

Der geistliche Weg des Bischofs

13 Ein Bischof kann sich wirklich nur dann für einen Diener an der Gemeinschaft und an der Hoffnung für das heilige Volk Gottes halten, wenn er seinen Weg in der Gegenwart des Herrn geht. Es ist nämlich nicht möglich, den Menschen zu dienen, ohne vorher »Diener Gottes« zu sein. Und Diener Gottes kann man nur sein, wenn man ein »Mann Gottes« ist. Deshalb habe ich in der Predigt zur Eröffnung der Synode gesagt: »Der Bischof muss ein Mann Gottes sein; seine Existenz und sein Amt stehen gänzlich unter der göttlichen Herrschaft und schöpfen Licht und Kraft aus dem erhabensten Geheimnis Gottes«.<ref> Nr. 5: AAS 94 (2002), 111.</ref>

Die Berufung zur Heiligkeit ist für den Bischof in das sakramentale Geschehen, das am Beginn seines Amtes steht, nämlich die Bischofsweihe, mit eingeschlossen. Das antike Euchologion des Serapion faßt die rituelle Anrufung bei der Konsekration in die Worte: »Gott der Wahrheit, mach diesen [deinen Diener] zu einem lebendigen Bischof, einem heiligen Bischof in der Nachfolge der heiligen Apostel«.<ref> Sacramentarium Serapionis, 28: F.X. Funk, II, 191.</ref>  Da jedoch die Bischofsweihe nicht die Vollkommenheit der Tugenden einflößt, »ist der Bischof aufgerufen, seinen Weg der Heiligung mit größerer Intensität fortzusetzen, um das Format Christi, des vollkommenen Menschen, zu erreichen«.<ref> Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. September 2001), 5: AAS 94 (2002), 111.</ref>

Die christologische und trinitarische Natur selbst seines Geheimnisses und Amtes macht für den Bischof einen Weg der Heiligkeit erforderlich, der in einem beständigen Fortschreiten zu einer immer tieferen spirituellen und apostolischen Reife besteht, die vom Vorrang der pastoralen Liebe gekennzeichnet ist. Ein Weg, der offensichtlich zusammen mit dem Volk beschritten wird, im Rahmen eines größeren Plans, der, wie das Leben der Kirche selbst, zugleich persönlich und gemeinschaftlich ist. Auf diesem Weg jedoch wird der Bischof in inniger Gemeinschaft mit Christus und in gewissenhafter Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zum Zeugen, Vorbild, Förderer und Wegbereiter. So drückt es auch das Kirchenrecht aus: »Eingedenk seiner Verpflichtung, selbst ein Beispiel der Heiligkeit zu geben in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens, hat der Diözesanbischof alles daranzusetzen, die Heiligkeit der Gläubigen entsprechend der je eigenen Berufung des einzelnen zu fördern; da er der vornehmliche Ausspender der Geheimnisse Gottes ist, hat er ständig darauf hinzuarbeiten, dass die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen durch die Feier der Sakramente in der Gnade wachsen und so das österliche Geheimnis erkennen und leben«.<ref> Codex des kanonischen Rechtes, can. 387; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 197.</ref>

Der geistliche Weg des Bischofs hat wie der jedes Christgläubigen seine Wurzel natürlich in der sakramentalen Gnade der Taufe und Firmung. Diese Gnade verbindet ihn mit allen Gläubigen, da – wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellt – »alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind«.<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 40.</ref>  In diesem Fall gilt besonders die bekannte Aussage des heiligen Augustinus, die voll Realismus und übernatürlicher Weisheit ist: »Schreckt mich, was ich für euch bin, so tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich Bischof, mit euch Christ. Das eine ist der Name des Amtes, das ich übernahm, das andere der Name der Gnade, die ich empfing; das eine bedeutet Gefahr, das andere Heil«.<ref> Augustinus, Sermo 340, 1: PL 38, 1483.</ref>  Doch dank der pastoralen Liebe wird das Amt zum Dienst, und die Gefahr verwandelt sich in Gelegenheit zu Wachstum und Reifung. Das Bischofsamt ist nicht nur Quelle der Heiligkeit für die anderen, sondern es ist bereits Anlaß zur Heiligung für den, der das eigene Herz und das eigene Leben zu einem Kanal der Liebe Gottes werden lässt.

Die Synodenväter haben einige Anforderungen dieses Weges zusammengefaßt. Vor allem haben sie an den Tauf- und Firmungscharakter erinnert, der von Beginn der christlichen Existenz an durch die theologalen Tugenden dazu befähigt, an Gott zu glauben, auf ihn zu hoffen und ihn zu lieben. Der Heilige Geist gießt seinerseits seine Gaben ein und fördert so das Wachsen im Guten durch die Übung der sittlichen Tugenden, die dem geistlichen Leben auch menschliche Konkretheit verleihen.<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1804; 1839.</ref> Kraft der empfangenen Taufe hat der Bischof wie jeder Christ an der Spiritualität teil, die in der Eingliederung in Christus wurzelt und in seiner dem Evangelium gemäßen Nachfolge sichtbar wird. Darum teilt er die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit. Er muss also ein tiefes Gebets- und Glaubensleben pflegen und sein ganzes Vertrauen auf Gott setzen, indem er in gelehrigem Gehorsam gegenüber den Ratschlägen des Heiligen Geistes sein Zeugnis für das Evangelium ablegt und der Jungfrau Maria, der vollkommenen Lehrmeisterin des geistlichen Lebens, eine besondere, kindliche Verehrung erweist.<ref> Vgl. Propositio 7.</ref>

Die Spiritualität des Bischofs wird also eine Spiritualität der Gemeinschaft sein, die im Einklang mit allen Getauften gelebt wird, die zusammen mit ihm Kinder des einen Vaters im Himmel und der einen Mutter auf Erden, der heiligen Kirche, sind. Er muss, wie alle, die an Christus glauben, sein geistliches Leben dadurch stärken, dass er sich von dem lebendigen und wirksamen Wort des Evangeliums und vom Brot des Lebens der heiligen Eucharistie, der Speise des ewigen Lebens, nährt. Wegen der menschlichen Schwachheit ist auch der Bischof gerufen, häufig und in regelmäßigen Abständen das Sakrament der Buße in Anspruch zu nehmen, um die Gabe jener Barmherzigkeit zu erhalten, deren Verwalter er gleichfalls geworden ist. Im Bewußtsein der eigenen menschlichen Schwäche und der eigenen Sünden erlebt also jeder Bischof, zusammen mit seinen Priestern, zuallererst für sich selbst das Sakrament der Versöhnung als ein tiefes Bedürfnis und eine immer neu erwartete Gnade, um seinem Bemühen um Heiligung bei der Ausübung des Dienstamtes wieder Schwung zu verleihen. Auf diese Weise bringt er auch sichtbar das Geheimnis einer Kirche zum Ausdruck, die in sich heilig ist, die aber auch aus Sündern besteht, die der Vergebung bedürfen.

Wie alle Priester – und natürlich in besonderer Gemeinschaft mit den Diözesanpriestern – wird sich der Bischof um einen ganz spezifischen Weg der Spiritualität bemühen. Er ist nämlich auch aufgrund des neuen Titels, der aus der Weihe herrührt, zur Heiligkeit berufen. Der Bischof lebt deshalb von Glaube, Hoffnung und Liebe, weil er Diener des Wortes des Herrn, der Heiligung und des geistlichen Fortschritts des Gottesvolkes ist. Er muss heilig sein, weil er der Kirche durch das Amt des Lehrens, der Heiligung und der Leitung dienen soll. Als solcher muss er auch die Kirche tief und intensiv lieben. Jeder Bischof ist Christus gleichgestaltet, um die Kirche mit der Liebe des Bräutigams Christus zu lieben und in der Kirche Diener ihrer Einheit zu sein, das heißt, um aus der Kirche »ein von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk«<ref> Cyprian, De oratione dominica, 23: PL 4, 553; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 4.</ref>  zu machen.

Wie die Synodenväter wiederholt hervorgehoben haben, erfährt die besondere Spiritualität des Bischofs eine weitere Bereicherung durch den der Fülle des Priestertums innewohnenden Zufluß der Gnade, die ihm im Augenblick der Weihe übertragen wird. Als Hirt der Herde und Diener des Evangeliums Jesu Christi in der Hoffnung muss der Bischof die Person Christi, des obersten Hirten, widerspiegeln und sie in sich selber gleichsam durchscheinen lassen. Im Pontificale Romanum wird er auf diese Pflicht ausdrücklich hingewiesen: »Die Mitra sei ein Zeichen deines Amtes. Der Glanz der Heiligkeit sei dein Schmuck. Und wenn der Hirt aller Hirten erscheint, wirst du den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen«.<ref> De ordinatione episcopi, Überreichung der Mitra.</ref> Dazu braucht der Bischof ständig die Gnade Gottes, damit sie seine menschliche Natur stärke und vollkommen mache. Er kann mit dem Apostel Paulus sagen: »Unsere Befähigung stammt von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein« (2 Kor 3, 5-6). Man muss darum hervorheben: Der apostolische Dienst ist eine Quelle der Spiritualität für den Bischof, der daraus die geistlichen Fähigkeiten schöpfen soll, die ihn in der Heiligkeit wachsen lassen und ihm ermöglichen, in dem seiner Hirtensorge anvertrauten Volk Gottes das Wirken des Heiligen Geistes zu entdecken.<ref> Vgl. Propositio, 7.</ref>

Der geistliche Weg des Bischofs fällt aus dieser Sicht mit der pastoralen Liebe zusammen, die mit Recht als die Seele seines Apostolats gelten muss, wie das auch beim Priester und Diakon der Fall ist. Es handelt sich nicht nur um eine existentia, sondern auch um eine pro-existentia, das heißt um ein Leben, das sich an dem höchsten, vom Herrn Christus selbst dargestellten Vorbild inspiriert und sich daher völlig in der Anbetung des Vaters und im Dienst an den Brüdern verausgabt. Mit Recht sagt in diesem Zusammenhang das Zweite Vatikanische Konzil, dass die Bischöfe nach dem Bild Christi »heilig und freudig, demütig und kraftvoll ihr Amt ausüben« müssen, »das auch für sie, wenn sie es so erfüllen, das hervorragende Mittel der Heiligung ist«.<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 41.</ref> Kein Bischof kann darüber hinwegsehen, dass die Vollendung der Heiligkeit der gekreuzigte Christus in seiner äußersten Hingabe an den Vater und die Brüder und Schwestern im Heiligen Geist ist. Deshalb wird die Gleichgestaltung mit Christus und die Teilhabe an seinen Leiden (vgl. 1 Petr 4, 13) zum Königsweg der Heiligkeit des Bischofs inmitten seines Volkes.

Maria, Mutter der Hoffnung und Lehrmeisterin des geistlichen Lebens

14 Eine Stütze des geistlichen Lebens wird auch für den Bischof die mütterliche Gegenwart der Jungfrau Maria sein, der Mater spei et spes nostra, wie die Kirche sie anruft. Für Maria wird der Bischof daher eine echte und kindliche Verehrung hegen und sich dabei aufgerufen fühlen, sich ihr fiat zu eigen zu machen sowie jeden Tag den Akt wieder zu beleben und zu verwirklichen, mit dem Jesus dem Jünger Maria zu Füßen des Kreuzes anvertraut hat und seiner Mutter den Lieblingsjünger (vgl. Joh 19, 26-27). Ebenso ist der Bischof aufgerufen, sich im einmütigen und beharrlichen Gebet der Jünger und Apostel des Sohnes mit seiner Mutter in der Vorbereitung auf Pfingsten wie in einem Spiegelbild wiederzufinden. In diesem Bild der entstehenden Kirche kommt die unauflösbare Verbindung zwischen Maria und den Nachfolgern der Apostel zum Ausdruck (vgl. Apg 1, 14).

Die heilige Muttergottes wird also für den Bischof Lehrmeisterin im Hören und in der umgehenden Ausführung des Wortes Gottes sein, in der treuen Jüngerschaft gegenüber dem einzigen Meister, in der Festigkeit des Glaubens, in der vertrauensvollen Hoffnung und in der glühenden Liebe. Wie Maria, »Denkmal« der Fleischwerdung des Wortes in der ersten Christengemeinde, wird der Bischof, in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen, in Einheit und unter der Autorität des Nachfolgers Petri, Hüter und Vermittler der lebendigen Tradition der Kirche sein.

Die gesunde Marienverehrung des Bischofs wird immer Bezug auf die Liturgie nehmen, wo die Jungfrau in der Feier der Heilsmysterien in besonderer Weise präsent und für die ganze Kirche mustergültiges Vorbild im Hören und im Gebet, in der Hingabe und in der geistlichen Mutterschaft ist. Ja, es wird die Aufgabe des Bischofs sein, sicherzustellen, dass die Liturgie immer »als ,,beispielhafte Form, Quelle der Inspiration, fester Bezugspunkt und letztes Ziel der Marienverehrung des Gottesvolkes«<ref> Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie. Grundsätze und Orientierungen (17. September 2001), 184.</ref>  erscheint. Von diesem Prinzip ausgehend wird auch der Bischof seine persönliche und gemeinschaftliche Marienverehrung durch die von der Kirche approbierten und empfohlenen frommen Übungen nähren, besonders durch das Beten des Rosenkranzes, der eine Kurzfassung des Evangeliums darstellt. Erfahren in diesem Gebet, in dessen Mittelpunkt die Betrachtung der Heilsereignisse des Lebens Christi steht, mit dem seine heilige Mutter aufs engste verbunden war, ist jeder Bischof eingeladen, ein eifriger Förderer auch dieser Gebetsform zu sein.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Rosarium virginis mariae (16. Oktober 2002), 43: AAS 95 (2003), 35-36.</ref>

Sich dem Wort anvertrauen

15 Die Versammlung der Bischofssynode hat auf einige Mittel hingewiesen, die notwendig sind, um das eigene geistliche Leben zu nähren und voranschreiten zu lassen.<ref> Vgl. Propositio 8.</ref>  Dazu gehört an erster Stelle das Lesen und die Betrachtung des Wortes Gottes. Jeder Bischof soll sich immer »Gott und dem Wort seiner Gnade« anvertrauen, »das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen« (Apg 20, 32). Deshalb muss der Bischof, noch bevor er Vermittler des Wortes ist, zusammen mit seinen Priestern und wie jeder Gläubige, ja wie die Kirche selbst,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 59: AAS 68 (1976), 50.</ref>  Hörer des Wortes sein. Er muss gleichsam »innerhalb« des Wortes sein, um sich von ihm wie von einem Mutterschoß behüten und nähren zu lassen. Mit dem heiligen Ignatius von Antiochien wiederholt auch der Bischof: »Ich vertraue mich dem Evangelium an wie dem Fleisch Christi«.<ref> Ad Philadelphenses, 5: PG 5, 700.</ref> Jeder Bischof soll sich daher immer jene bekannte Mahnung des heiligen Hieronymus vergegenwärtigen, die auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen wurde: »Die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen«.<ref> Commentarium in Isaiam Prophetam, Prologus: PL 24, 17; vgl. Dogmatische Konstitution über die Göttliche Offenbarung Dei verbum, 25.</ref> Es gibt in der Tat keinen Primat der Heiligkeit ohne das Hören auf das Wort Gottes, das Leitbild und Nahrung der Heiligkeit ist.

Sich dem Wort Gottes anzuvertrauen und es zu bewahren wie die Jungfrau Maria, die Virgo audiens,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Marialis cultus (2. Februar 1974), 17: AAS 66 (1974), 128.</ref> schließt den Gebrauch einiger Hilfen ein, die die Tradition und die geistliche Erfahrung der Kirche stets angeraten haben. Es handelt sich zuallererst um die häufige persönliche Lektüre und das aufmerksame und eifrige Studium der Heiligen Schrift. Ein Bischof wäre nach außen hin ein vergeblicher Prediger des Wortes, würde er es nicht vorher von innen hören.<ref> Vgl. Augustinus, Sermo 179, 1: PL 38, 966.</ref>  Ohne den häufigen Kontakt mit der Heiligen Schrift wäre ein Bischof ein wenig glaubwürdiger Diener der Hoffnung, wenn es zutrifft, dass wir, wie der heilige Paulus sagt, »durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben« (Röm 15, 4). Es ist also noch immer gültig, was Origenes schrieb: »Das sind die beiden Tätigkeiten des Bischofs: entweder von Gott lernen durch das Lesen und häufige Meditieren der göttlichen Schriften oder das Volk lehren. Er soll jedoch das lehren, was er selber von Gott gelernt hat«.<ref> Origenes, Homilia in librum Leviticum, VI, 6: PG 12, 474 C.</ref> Die Synode hat an die Bedeutung der lectio und der meditatio des Wortes Gottes im Leben der Hirten und in ihrem Amt im Dienst an der Gemeinschaft erinnert. Wie ich im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte dargelegt habe, »ist es notwendig, dass das Hören des Wortes in der alten und noch immer gültigen Tradition der lectio divina zu einer lebendigen Begegnung wird, die uns im biblischen Text das lebendige Wort erfassen lässt, das Fragen an uns stellt, Orientierung gibt und unser Dasein gestaltet«.<ref> Nr. 39: AAS 93 (2001), 294.</ref> Während der Meditation und der lectio öffnet sich das Herz, welches das Wort schon empfangen hat, der kontemplativen Betrachtung des Handelns Gottes und – als Folge davon – der Umkehr der Gedanken und des Lebens zu ihm, einer Umkehr, die von der flehenden Bitte um seine Vergebung und seine Gnade begleitet ist.

Sich nähren von der Eucharistie

16 Wie das Ostergeheimnis im Zentrum des Lebens und der Sendung des Guten Hirten steht, so steht auch die Eucharistie im Zentrum des Lebens und der Sendung des Bischofs, wie eines jeden Priesters.

In der täglichen Feier der heiligen Messe bringt er sich selbst zusammen mit Christus dar. Wenn dann diese Meßfeier in der Kathedrale oder in den anderen Kirchen, besonders den Pfarrkirchen, mit der aktiven Teilnahme der Gläubigen stattfindet, erscheint der Bischof unter den Augen aller als der, der er ist, nämlich als Sacerdos et Pontifex, da er in der Person Christi und in der Vollmacht seines Geistes handelt, und als der hiereus, der heilige Priester, dem es obliegt, die heiligen Geheimnisse des Altars zu vollziehen, die er durch die Predigt verkündet und erklärt.<ref> Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, De Ecclesiastica Hierarchia, III: PG 3, 512; Thomas von Aquin, Summa theologiae, II-IIæ, q. 184, a. 5.</ref>

Die Liebe des Bischofs zur Heiligen Eucharistie kommt auch zum Ausdruck, wenn er im Laufe des Tages einen ausreichend großen Teil seiner Zeit der Anbetung vor dem Tabernakel widmet. Hier öffnet der Bischof dem Herrn sein Herz, damit es ganz von der Liebe durchdrungen und gestaltet werde, die am Kreuz von dem großen Hirten der Schafe verströmt wurde, der für sie sein Blut vergossen und sein Leben hingegeben hat. Zu ihm erhebt er auch sein Gebet, wobei er ständig für die ihm anvertrauten Schafe Fürbitte hält.

Das Gebet und die Stundenliturgie

17 Ein zweites von den Synodenvätern empfohlenes Mittel ist das Gebet und ganz besonders jenes, das mit der Feier der Stundenliturgie zum Herrn emporgesandt wird. Das Stundengebet ist in besonderer Weise und immer Gebet der christlichen Gemeinschaft im Namen Christi und unter der Leitung des Geistes.

Das Gebet ist in sich für einen Bischof eine besondere Pflicht, ebenso für all jene, die »das Geschenk der Berufung zu einem Leben besonderer Weihe empfangen haben: Das Gebet macht sie auf Grund seines Wesens bereiter für die kontemplative Erfahrung«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 34: AAS 93 (2001), 290.</ref> Der Bischof selbst darf nicht vergessen, dass er Nachfolger jener Apostel ist, die vor allem deshalb von Christus eingesetzt wurden, »weil er sie bei sich haben wollte« (Mk 3, 14), und die zu Beginn ihrer Sendung eine feierliche Erklärung abgaben, die ein Lebensprogramm ist: »Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Apg 6, 4). Es wird dem Bischof also nur dann gelingen, ein Lehrmeister im Beten zu sein, wenn er auf seine persönliche Erfahrung des Dialogs mit Gott zählen kann. Er muss sich in jedem Augenblick mit den Worten des Psalmisten an Gott wenden können: »Ich warte auf dein Wort« (Ps 119, 114). Gerade aus dem Gebet wird er jene Hoffnung schöpfen können, mit der er die Gläubigen gleichsam anstecken soll. Das Gebet ist nämlich der bevorzugte Platz, an dem sich die Hoffnung zum Ausdruck bringt und Nahrung findet, da es – nach einem Wort des heiligen Thomas von Aquin – das »Sprachrohr der Hoffnung«<ref> Thomas von Aquin, Summa theologiae, II-IIæ, q. 17, a. 2.</ref>  ist.

Das persönliche Gebet des Bischofs soll in ganz besonderer Weise ein typisch »apostolisches« Gebet sein, das heißt ein Gebet, das dem Vater als Fürbitte für alle Anliegen des ihm anvertrauten Volkes vorgelegt wird. Im Pontificale Romanum lautet vor der Auflegung der Hände die letzte in der Reihe der Pflichten des zum Bischofsamt Erwählten: »Bist du bereit, für das Heil des Volkes unablässig zum allmächtigen Gott zu beten und das hohepriesterliche Amt untadelig auszuüben?«<ref> De ordinatione episcopi, Versprechen des Erwählten.</ref> Ganz besonders betet der Bischof um die Heiligkeit seiner Priester, um Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben, auf dass das Feuer des missionarischen und apostolischen Einsatzes in der Kirche immer stärker brenne. Hinsichtlich des Stundengebetes, das den gesamten Tagesablauf durch das Lob Gottes heiligen und ihm Orientierung geben soll, kann man die großartigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht unbeachtet lassen: »Wenn nun die Priester und andere kraft kirchlicher Ordnung Beauftragte oder die Christgläubigen, die zusammen mit dem Priester in einer approbierten Form beten, diesen wunderbaren Lobgesang recht vollziehen, dann ist dies wahrhaft die Stimme der Braut, die zum Bräutigam spricht, ja es ist das Gebet, das Christus vereint mit seinem Leibe an seinen Vater richtet. Alle, die das vollbringen, erfüllen eine der Kirche obliegende Pflicht und haben zugleich Anteil an der höchsten Ehre der Braut Christi; denn indem sie Gott das Lob darbringen, stehen sie im Namen der Mutter Kirche vor dem Throne Gottes«.<ref> Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 84-85.</ref> Mein Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Paul VI., schrieb über das Stundengebet, dass es ein »Gebet der Ortskirche« sei, in dem »das wahre Wesen der betenden Kirche« zum Ausdruck komme.<ref> Apostolische Konstitution Laudis canticum (1. November 1970): AAS 63 (1971), 532.</ref>  In der consecratio temporis, die das Stundengebet vollzieht, erfüllt sich jene laus perennis, die Vorwegnahme und vorausdeutende Darstellung der himmlischen Liturgie sowie Band der Vereinigung mit den Engeln und den Heiligen ist, die den Namen Gottes in Ewigkeit preisen. Ein Bischof erweist und verwirklicht sich also in dem Maße als Mann der Hoffnung, wie er sich in die eschatologische Dynamik des Gebetes der Psalmen einbringt. In den Psalmen erklingt die Vox sponsae, die Stimme der Braut, die den Bräutigam anruft.

Jeder Bischof betet daher mit seinem Volk und für sein Volk. Er erfährt jedoch auch Erbauung und Hilfe durch das Gebet seiner Gläubigen, der Priester und Diakone, der Personen des geweihten Lebens und der Laien eines jeden Alters. In ihrer Mitte ist der Bischof Erzieher zum Gebet und Förderer des Gebetes. Er vermittelt nicht nur das, was er in seinen Betrachtungen erwogen hat, sondern eröffnet den Christen den Weg der Kontemplation. Der bekannte Leitsatz vom contemplata aliis tradere wird auf diese Weise zu einem contemplationem aliis tradere.

Der Weg der evangelischen Räte und der Seligpreisungen

18 Allen seinen Jüngern, besonders denjenigen, die ihm schon während ihres irdischen Lebens nach Art der Apostel aus nächster Nähe folgen wollen, zeigt der Herr den Weg der evangelischen Räte. Sie sind ein Geschenk der Dreifaltigkeit an die Kirche und darüber hinaus im Glaubenden ein Abglanz des trinitarischen Lebens.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata (25. März 1996), 20-21: AAS 88 (1996), 393-395.</ref> Dies sind sie auf besondere Weise im Bischof, der als Nachfolger der Apostel gerufen ist, Christus auf dem Weg der Vollkommenheit der Liebe nachzufolgen. Dafür ist er geweiht, wie Jesus geweiht ist. Sein Leben bedeutet radikale Abhängigkeit von Jesus und vor der Kirche und der Welt völlige Transparenz auf Jesus hin. Im Leben des Bischofs muss das Leben Jesu aufscheinen und somit sein Gehorsam gegenüber dem Vater bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2, 8), seine keusche und jungfäuliche Liebe, seine Armut, die absolute Freiheit von den weltlichen Gütern darstellt. Auf diese Weise können die Bischöfe durch ihr Beispiel nicht nur jene leiten, die in der Kirche zur Nachfolge Christi im geweihten Leben berufen sind, sondern auch die Priester, denen die Radikalität der Heiligkeit entsprechend dem Geist der evangelischen Räte ebenso nahegelegt wird. Diese Radikalität betrifft im übrigen alle Gläubigen, auch die Laien, weil »sie ein grundlegender und unverzichtbarer Anspruch ist, der aus dem Anruf Christi erwächst, ihm aufgrund der vom Geist bewirkten innigen Verbundenheit mit ihm zu folgen und ihn nachzuahmen«.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), 27: AAS 84 (1992), 701.</ref>

Schließlich sollen die Gläubigen im Antlitz des Bischofs jene Eigenschaften betrachten können, die Geschenk der Gnade sind und in den Seligpreisungen gleichsam das Selbstbildnis Christi darstellen: den Ausdruck der Armut, der Milde und der Leidenschaft für die Gerechtigkeit; das barmherzige Angesicht des Vaters und des friedlichen und Frieden stiftenden Menschen; das Antlitz der Reinheit dessen, der unablässig und ausschließlich auf Gott schaut. Die Gläubigen sollen in ihrem Bischof auch das Angesicht dessen sehen können, der das Mitleid Jesu mit den Betrübten nachlebt; und manchmal – wie es in der Geschichte und noch heute vorkommt – das von innerer Kraft und Freude erfüllte Angesicht dessen, der um der Wahrheit des Evangeliums willen verfolgt wird.

Die Tugend des Gehorsams

19 Durch die Aneignung dieser sehr menschlichen Züge Jesu wird der Bischof auch zum Vorbild und Förderer einer Spiritualität der Gemeinschaft. Diese ist darauf angelegt, mit Wachsamkeit und Sorgfalt die Kirche so aufzubauen, dass alles, Worte und Werke, im Zeichen kindlicher, in Christus und im Heiligen Geist vollzogener Fügsamkeit unter dem liebevollen Plan des Vaters geschehe. Als Lehrer der Heiligkeit und als Diener der Heiligung seines Volkes ist der Bischof in der Tat gerufen, den Willen des Vaters treu zu erfüllen. Der Gehorsam des Bischofs muss so gelebt werden, dass er als Vorbild – anders könnte es ja gar nicht sein – den Gehorsam Christi selbst hat, der mehrmals bekräftigt hat, vom Himmel herabgekommen zu sein, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 6, 38; 8, 29; Phil 2, 7-8).

Unterwegs auf den Spuren Christi gehorcht der Bischof dem Evangelium und der Tradition der Kirche; er versteht, die Zeichen der Zeit zu deuten und die Stimme des Heiligen Geistes im petrinischen Amt und in der Kollegialität der Bischöfe zu erkennen. Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis habe ich den apostolischen, gemeinschaftlichen und pastoralen Charakter des priesterlichen Gehorsams beleuchtet.<ref> Vgl. Nr. 28: AAS 84 (1992), 701-703.</ref> Diese Eigenschaften finden sich ganz offensichtlich in noch markanterer Weise im Gehorsam des Bischofs. Die Fülle des Weihesakraments, die er empfangen hat, stellt ihn in der Tat in eine besondere Beziehung zum Nachfolger Petri, zu den Mitgliedern des Bischofskollegiums und zu seiner Teilkirche selbst. Er muss sich in die Pflicht genommen fühlen, diese Beziehungen zum Papst und zu den Mitbrüdern im Bischofsamt in einem engen Band der Einheit und Zusammenarbeit intensiv zu leben. Auf diese Weise antwortet er auf den göttlichen Plan, der die Apostel um Petrus untrennbar vereinen wollte. Diese hierarchische Gemeinschaft des Bischofs mit dem Papst bestärkt seine Fähigkeit, kraft des empfangenen Weiheamtes Jesus Christus, das unsichtbare Haupt der ganzen Kirche, zu vergegenwärtigen.

Dem apostolischen Aspekt des Gehorsams kann sich jener gemeinschaftliche nur anschließen, insofern das Bischofsamt von seiner Natur her »eins und ungeteilt«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 18.</ref> ist. Aufgrund dieser Gemeinschaftlichkeit ist der Bischof berufen, seinen Gehorsam unter Überwindung jeder individualistischen Versuchung und unter Annahme der Bürde der Sorge um das Wohl der ganzen Kirche innerhalb der Sendung des Bischofskollegiums zu leben.

Als Vorbild im Hören soll der Bischof gleichfalls aufmerksam sein, durch Gebet und Unterscheidung den Willen Gottes in dem, was der Geist der Kirche sagt, zu erfassen. In Ausübung seiner Autorität im Sinne des Evangeliums muss er mit seinen Mitarbeitern und den Gläubigen in Dialog zu treten wissen, um das gegenseitige Einvernehmen wirksam wachsen zu lassen.<ref> Vgl. ebd., 27; 37.</ref>  Dies wird ihm erlauben, auf seelsorgliche Weise die Würde und Verantwortung jedes einzelnen Gliedes des Volkes Gottes zu schätzen, indem er mit Ausgeglichenheit und Gelassenheit den Unternehmungsgeist eines jeden fördert. Denn die Gläubigen müssen unterstützt werden im Wachstum eines verantwortlichen Gehorsams, der sie auf pastoraler Ebene aktiv werden lässt.<ref> Vgl. Propositio 10.</ref> In diese Hinsicht hat die Aufforderung des heiligen Ignatius von Antiochien an Polykarp bleibende Gültigkeit: »Nichts geschehe ohne deine Zustimmung, du aber unternimm nichts ohne Gott«.<ref> Ad Polycarpum, 4, 3: PG 5, 721.</ref>

Der Geist und die Praxis der Armut des Bischofs

20 Im Zeichen kollegialen Einklangs haben die Synodenväter den Appell aufgegriffen, den ich im Eröffnungsgottesdienst an die Synode gerichtet habe, nämlich die Seligpreisung der Armut im Evangelium als eine der unabdingbaren Voraussetzungen für eine fruchtbare Erfüllung des bischöflichen Dienstes in der heutigen Situation anzuerkennen. Auch bei dieser Gelegenheit wurde in der Versammlung der Bischöfe die Gestalt des Herrn Christus klar hervorgehoben, »der das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte« und der auch die Kirche, an erster Stelle mit ihren Bischöfen, einlädt, »den gleichen Weg einzuschlagen, um die Früchte des Heils den Menschen mitzuteilen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 8.</ref>

Daher muss der Bischof, der authentischer Zeuge und Diener des Evangeliums der Hoffnung sein will, ein vir pauper sein. Das verlangt sein Zeugnis für den armen Christus, zu dem er verpflichtet ist; das verlangt auch die Sorge der Kirche für die Armen, denen Vorzug gebührt. Die Entscheidung des Bischofs, sein Dienstamt in Armut zu leben, trägt entscheidend dazu bei, aus der Kirche das »Zuhause der Armen« zu machen.

Diese Entscheidung versetzt den Bischof außerdem in eine Lage innerer Freiheit bei der Ausübung seines Amtes, die ihm erlaubt, die Früchte des Heils wirksam zu vermitteln. Die bischöfliche Autorität muss mit einer unermüdlichen Hochherzigkeit und mit einer unerschöpflichen Freigebigkeit geübt werden. Das verlangt von seiten des Bischofs ein volles Vertrauen in die Vorsehung des himmlischen Vaters, eine großzügige Gütergemeinschaft, einen enthaltsamen Lebensstil und eine dauernde persönliche Umkehr. Nur auf diesem Weg wird er fähig sein, an den Ängsten und Schmerzen des Gottesvolkes teilzunehmen, das er nicht nur leiten und nähren soll, sondern mit dem er solidarisch sein muss, indem er mit ihm die Probleme teilt und zur Stärkung der Hoffnung beiträgt.

Er wird diesen Dienst mit Effizienz erfüllen, wenn er ein einfaches, nüchternes und zugleich aktives und weitherziges Leben führt und diejenigen, die in unserer Gesellschaft an letzter Stelle stehen, nicht ausgrenzt, sondern in die Mitte der christlichen Gemeinde stellt.<ref> Vgl. Propositio 9.</ref> Gleichsam ohne es sich bewußt zu werden, wird er die »Phantasie der Liebe« fördern, die eher die Fähigkeit, brüderliches Teilen zu leben, hervorheben wird als die Effizienz der geleisteten Hilfe. Denn, wie die Apostelgeschichte ausführlich bezeugt, entfachte in der Kirche zur Zeit der Apostel die Armut der einen die Solidarität der anderen, mit dem überraschenden Ergebnis, dass »es keinen unter ihnen gab, der Not litt« (4, 34). Die Kirche ist der Welt, die von Problemen des Hungers und der Ungleichheiten unter den Völkern belagert wird, diese Prophetie schuldig. In dieser Perspektive des Teilens und der Einfachheit verwaltet der Bischof die Güter der Kirche wie ein »bonus pater familias« und wacht darüber, dass sie gemäß der eigentlichen Ziele der Kirche eingesetzt werden: Gottesdienst, Unterhalt der Amtsträger, Apostolatswerke, karitative Initiativen für Arme.

Procurator pauperum ist seit jeher ein Titel der Hirten der Kirche gewesen und soll das konkret auch heute sein, um die Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus gegenwärtig und beredt zu machen als Grundlage der Hoffnung aller, besonders aber derjenigen, die allein von Gott ein würdigeres Leben und eine bessere Zukunft erwarten können. Angeregt und ermahnt durch das Beispiel der Hirten sollen die ganze Kirche und die Teilkirchen jene »vorrangige Option für die Armen« wahrmachen, die ich als Programm für das dritte Jahrtausend empfohlen habe.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 49: AAS 93 (2001), 302.</ref>

In Keuschheit einer Kirche dienen, die Christi Reinheit widerspiegelt

21 »Trag diesen Ring als Zeichen deiner Treue. Denn in unverbrüchlicher Treue sollst du die Braut Christi, die heilige Kirche, vor jedem Schaden bewahren«.<ref> Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Überreichung des Ringes.</ref>  Mit diesen Worten, die bei der Bischofsweihe gesprochen werden, wird der Bischof aufgefordert, sich der Verpflichtung, die er übernimmt, bewußt zu werden, nämlich an sich die jungfräuliche Liebe Christi für alle seine Gläubigen widerzuspiegeln. Er ist vor allem aufgerufen, zwischen den Gläubigen gegenseitige Beziehungen zu wecken, die von jener Achtung und Wertschätzung inspiriert sind, wie sie sich für eine Familie geziemen, wo die Liebe entsprechend der Mahnung des Apostels Petrus gedeiht: »Darum hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben. Ihr seid neu geboren worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt« (1 Petr 1, 22-23).

Während er mit seinem Beispiel und seinem Wort die Christen auffordert, sich selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt (vgl. Röm 12, 1), erinnert er alle daran, dass »die Gestalt dieser Welt vergeht« (1 Kor 7, 31), und dass es daher notwendig ist, in »Erwartung der seligen Hoffnung« auf das Erscheinen der Herrlichkeit Christi (vgl. Tit 2, 13) zu leben. In seiner pastoralen Sorge ist er besonders denen mit väterlicher Zuneigung nahe, die das Ordensleben im Bekenntnis der evangelischen Räte ergriffen haben und der Kirche ihren wertvollen Dienst darbieten. Er unterstützt und ermutigt sodann die Priester, die von göttlicher Gnade berufen aus freien Stücken die Verpflichtung zum Zölibat um des Himmelreiches willen auf sich genommen haben, indem er ihnen und sich selbst die evangeliumsgemäßen und geistlichen Beweggründe dieser in höchstem Grade für den Dienst am Volk Gottes bedeutsamen Entscheidung ins Gedächtnis ruft. Für die Kirche und die Welt von heute stellt das Zeugnis der keuschen Liebe auf der einen Seite eine Art spirituelle Therapie für die Menschheit dar, auf der anderen Seite einen Protest gegen die Vergötzung des Sexualtriebes.

Im gegenwärtigen sozialen Umfeld muss der Bischof seiner Herde und vor allem seinen Priestern in väterlicher Aufmerksamkeit auf ihre aszetischen und spirituellen Schwierigkeiten besonders nahe sein. Er hat ihnen den geeigneten Halt zu geben, um die Treue zur Berufung und zu den Erfordernissen einer beispielhaften Heiligkeit des Lebens in der Ausübung des Dienstamtes in ihnen zu fördern. In Fällen schwerwiegender Mängel aber und mehr noch in Fällen von Vergehen, die dem Zeugnis selbst des Evangeliums schaden zufügen, besonders wenn dies von Amtsträgern der Kirche geschieht, muss der Bischof stark und entschlossen, gerecht und sachlich sein. Er ist gehalten gemäß den vorgeschriebenen kanonischen Normen sofort einzuschreiten: sowohl zur Zurechtweisung und zum geistlichen Wohl des Amtsträgers als auch zur Behebung des Ärgernisses und zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit wie auch hinsichtlich des Schutzes und der Hilfe für die Opfer.

Mit seinem Wort, mit wachem und väterlichen Handeln erfüllt der Bischof die Verpflichtung, der Welt die Wahrheit einer heiligen und reinen Kirche in ihren Dienern und ihren Gläubigen darzubieten. Wenn der Bischof so handelt, geht er seiner Herde voran, wie es Christus, der Bräutigam, getan hat, der sein Leben für uns hingegeben und allen das Beispiel einer reinen und jungfräulichen und daher auch fruchtbaren und universalen Liebe hinterlassen hat.

Wegbereiter einer Spiritualität der Gemeinschaft und der Sendung

22 Im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte habe ich die Notwendigkeit herausgestellt, »die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft zu machen«.<ref> Nr. 43: AAS 93 (2001), 296.</ref> Der Anstoß hat ein breites Echo gefunden und wurde in der Synodenversammlung wieder aufgegriffen. Selbstverständlich hat der Bischof auf seinem geistlichen Weg als erster die Aufgabe, sich zum Förderer und Animator einer Spiritualität der Gemeinschaft zu machen. Dies tut er, indem er sich unermüdlich darum bemüht, sie überall dort, wo menschliche und christliche Formung stattfindet, zu einem grundsätzlichen Erziehungsprinzip zu machen: in der Pfarrgemeinde, in den katholischen Vereinen, in den kirchlichen Bewegungen, in den katholischen Schulen, in der Jugendarbeit. In besonderer Weise wird sich der Bischof darum kümmern müssen, dass die Spiritualität der Gemeinschaft dort Fuß faßt, wo die künftigen Priester ausgebildet werden, also in den Priesterseminaren wie auch in den Noviziaten der Orden, in den Ordenshäusern, an den theologischen Instituten und Fakultäten. Die wesentlichen Punkte dieser Förderung der Spiritualität der Gemeinschaft habe ich im genannten Apostolischen Schreiben zusammenfassend angeführt. Hier soll es genügen hinzuzufügen, dass ein Bischof besonders innerhalb seiner Priesterschaft sowie auch unter den Diakonen, den Ordensmännern und Ordensfrauen dazu ermutigen soll. Er wird das im persönlichen Gespräch und in der Begegnung, aber auch bei den gemeinschaftlichen Treffen tun. Er wird nicht versäumen, für solche Treffen in seiner Teilkirche besondere Gelegenheiten zu ermöglichen, bei denen die Bereitschaft wächst, auf den Geist zu hören, »der zu den Gemeinden spricht« (Offb 2, 7.11 et al.). Solche Gelegenheiten sind Einkehrtage, geistliche Exerzitien sowie Spiritualitätstage, wie auch der kluge Gebrauch der neuen Kommunikationsmittel, wenn sich dies im Sinne einer größeren Wirksamkeit als günstig erweist.

Eine Spiritualität der Gemeinschaft zu pflegen, heißt für einen Bischof auch, die Gemeinschaft mit dem Papst und mit den anderen Brüdern im Bischofsamt, besonders innerhalb derselben Bischofskonferenz und Kirchenprovinz zu fördern. Auch in diesem Fall wird ein Bischof – nicht zuletzt, um die Gefahr der Einsamkeit und der Entmutigung angesichts des Übermaßes und der Ünverhältnismäßigheit der Probleme zu überwinden – über das Gebet hinaus gern auf die Freundschaft und auf die brüderliche Gemeinschaft mit seinen Brüdern im Bischofsamt zurückgreifen.

Die Gemeinschaft, deren Quelle und Vorbild die Dreifaltigkeit ist, kommt immer in der Sendung zum Ausdruck. Die Sendung ist die Frucht und die logische Folge der Gemeinschaft. Man fördert die Dynamik der Gemeinschaft, wenn man sich den Horizonten und Dringlichkeiten der Sendung öffnet und dabei immer das Zeugnis der Einheit gewährleistet, damit die Welt glaubt, und die Räume der Liebe erweitert, damit alle zur trinitarischen Gemeinschaft gelangen, von der sie herkommen und für die sie bestimmt sind. Je intensiver die Gemeinschaft ist, um so mehr wird die Sendung gefördert. Dies gilt besonders, wenn sie in der Armut der Liebe gelebt wird, die in der Fähigkeit besteht, auf jede Person, Gruppe oder Kultur allein mit der Kraft des Kreuzes zuzugehen, spes unica und erhabenstes Zeugnis der Liebe Gottes, die sich auch als Liebe universaler Brüderlichkeit erweist.

Weiterführung im Alltag

23 Der geistliche Realismus veranlaßt uns zuzugeben, dass der Bischof gefordert ist, seine Berufung zur Heiligkeit unter äußeren und inneren Schwierigkeiten, eigenen Schwächen und denen anderer, unter täglich neuen unvorhergesehenen Umständen und in einem Kontext persönlicher und institutioneller Probleme zu leben. Ein Zeuge dieser Dauersituation im Leben der Bischöfe ist der heilige Gregor der Große, wenn er leidvoll feststellt: »Seitdem ich aber die Schultern unter die Last des Hirtenamtes beugen muss, kann sich mein Geist nicht mehr völlig gesammelt auf sich selbst besinnen, weil er sich teilen und auf vieles richten muss. Bald muss ich mich um die Angelegenheiten der Kirche, bald die der Klöster kümmern, oft über das Leben und das Tun einzelner Menschen nachdenken... Ist aber der Geist gespalten und zerrissen und gezwungen, so viele und wichtige Dinge zu bedenken, wann soll er sich dann auf sich selbst zurückziehen, um sich für die Predigt zu sammeln, wenn er sich dem Dienst der Wortverkündigung nicht entziehen will... Die Lebensführung des Wächters muss daher sowohl erhaben als auch umsichtig sein«.<ref> Homilia in Ezechielem, I, 11: PL 76, 908.</ref>

Um die Zentrifugalkräfte, die seine innere Einheit zu zerbrechen suchen, auszugleichen, muss der Bischof einen gelassenen Lebensstil pflegen, der das mentale, psychologische und affektive Gleichgewicht begünstigt und ihn dazu befähigt, sich zu öffnen, um die Menschen und ihre Fragen in eines Haltung echter Anteilnahme an ihren verschiedenen frohen und traurigen Situationen anzunehmen. Auch die Pflege der eigenen Gesundheit in ihren verschiedenen Dimensionen stellt für einen Bischof einen Akt der Liebe gegenüber den Gläubigen dar und bietet Gewähr für größere Offenheit und Verfügbarkeit für die Eingebungen des Geistes. Bekannt sind die diesbezüglichen Empfehlungen des heiligen Karl Borromäus, einer leuchtenden Bischofsgestalt, in der Ansprache, die er auf seiner letzten Synode hielt: »Bist du in der Seelsorge tätig? Vernachlässige darüber nicht die Sorge für dich selbst und sei anderen gegenüber nicht so freigebig, dass für dich selbst nichts übrigbleibt. Du musst zwar an die Seelen denken, deren Hirt du bist, aber nicht so, dass du dich selbst vergißt«.<ref> Acta Ecclesiae Mediolanensis, Mailand, 1599, 1178.</ref>

Der Bischof wird daher darauf achten, mit Ausgewogenheit an die Fülle seiner Verpflichtungen heranzugehen und sie untereinander in Einklang zu bringen: die Feier der heiligen Geheimnisse und das persönliche Gebet, das persönliche Studium und die pastorale Planung, die Sammlung und die nötige Ruhe. Durch diese Hilfen für sein geistliches Leben gestärkt, wird er durch die Erfahrung der Tiefe der Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit, die ihn erwählt und geweiht hat, den Frieden des Herzens finden. In der Gnade, die Gott ihm zusichert, wird er jeden Tag seinen Dienst in gewissenhafter Beachtung der Bedürfnisse der Kirche und der Welt als Zeuge der Hoffnung erfüllen können.

Die Fortbildung des Bischofs

24 In engem Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bischofs, unermüdlich auf dem Weg der Heiligkeit voranzuschreiten und eine christozentrische und kirchliche Spiritualität zu leben, hat die Synodenversammlung auch die Forderung nach einer ständigen Weiterbildung erhoben. Diese stete Weiterbildung, die für alle Gläubigen notwendig ist – wie bei den vorangegangenen Synoden unterstrichen und in den nachfolgenden Apostolischen Schreiben Christifideles Laici, Pastores dabo vobis und Vita consecrata nochmals bekräftigt wurde –, muss besonders für den Bischof als unverzichtbar angesehen werden, da er die Verantwortung für den gemeinsamen Fortschritt und den einträchtigen Weg in der Kirche trägt.

Wie für die Priester und die Personen des geweihten Lebens ist auch für einen Bischof die ständige Weiterbildung ein seiner Berufung und Sendung innewohnendes Erfordernis. Denn dank ihrer ist es möglich, die neuen Impulse zu erkennen, mit denen Gott die anfängliche Berufung präzisiert und aktualisiert. Auch der Apostel Petrus vernimmt nach dem »Folge mir nach!« der ersten Begegnung mit Christus (vgl. Mt 4, 19) dieselbe Aufforderung vom Auferstandenen nochmals, der, bevor er die Erde verlässt, ihm die Mühen und Leiden des künftigen Amtes voraussagt und hinzufügt: »Folge mir nach!« (Joh 21, 22). »Es gibt also ein ,,folge mir nach, das das Leben und die Sendung des Apostels begleitet. Es ist ein ,,folge mir nach, das den Aufruf zur Treue und den Anspruch auf sie bis in den Tod bezeugt, ein ,,folge mir nach, das eine sequela Christi bis zur totalen Selbsthingabe im Martyrium bedeuten kann«.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), 70: AAS 84 (1992), 778-782.</ref> Es geht offensichtlich nicht nur darum, eine angemessene Aktualisierung zu vollziehen, wie sie von einer realistischen Kenntnis der Situation der Kirche und der Welt gefordert wird, um auf diese Weise dem Bischof zu ermöglichen, sich mit offenem Verstand und mitleidsvollem Herzen in die Gegenwart einzufügen. Zu diesem guten Motiv für eine aktualisierte ständige Weiterbildung kommen anthropologische Beweggründe hinzu, die sich daraus ableiten, dass das Leben selbst ein unablässiger Weg zur Reife ist, sowie theologische Motivationsgründe, die tief mit der sakramentalen Wurzel zusammenhängen: Der Bischof muss nämlich »das ,,Mysterium, das er in sich trägt, zum Wohl der Kirche und der Menschheit mit wachsamer Liebe behüten«.<ref> Ebd., 72: a.a.O., 783-787.</ref>

Um sich regelmäßig auf dem laufenden zu halten, besonders über Themen von großer Bedeutung, bedarf es längerer Zeiten des Zuhörens, der Gemeinschaft und des Dialogs mit erfahrenen Personen – Bischöfen, Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, Laien – in einem Austausch von pastoralen Erfahrungen, theoretischen Kenntnissen und spirituellen Quellen, die eine echte persönliche Bereicherung sicherstellen. Zu diesem Zweck haben die Synodenväter die Nützlichkeit spezieller Fortbildungskurse für die Bischöfe unterstrichen, wie die jährlichen Zusammenkünfte, die von der Kongregation für die Bischöfe oder jener für die Evangelisierung der Völker für die neu ernannten Bischöfe veranstaltet werden. Desgleichen wurde der Wunsch ausgesprochen, dass von den Patriarchalsynoden, von den nationalen und regionalen Bischofskonferenzen als auch von den kontinentalen Bischofsversammlungen Studientage, Fortbildungskurse und auch Exerzitien für die Bischöfe ausgerichtet werden mögen.

Es wird angebracht sein, dass der Vorsitz der Bischofskonferenz die Aufgabe annimmt, für die Vorbereitung und Durchführung solcher Fortbildungsprogramme zu sorgen. Sie soll die Bischöfe zur Teilnahme an diesen Kursen ermutigen, damit auch auf diese Weise eine größere Gemeinschaft unter den Bischöfen im Hinblick auf eine bessere pastorale Wirksamkeit in den einzelnen Diözesen erreicht wird.<ref> Vgl. Propositio 12.</ref>

Eines wird auf jeden Fall deutlich: Wie das Leben der Kirche, so sind auch die Art des Handelns, die pastoralen Initiativen und die Formen des Dienstes des Bischofs in Entwicklung begriffen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich eine Anpassung gemäß den Bestimmungen des Codex des kanonischen Rechtes und mit Bezug auf die neuen Herausforderungen als auch an die neuen Formen des Engagements der Kirche in der Gesellschaft als notwendig. In diesem Zusammenhang hat die Synodenversammlung vorgeschlagen, das von der Kongregation für die Bischöfe bereits am 22. Februar 1973 veröffentlichte Direktorium Ecclesiae imago zu überarbeiten und es an die gewandelten Anforderungen der Zeit anzupassen, sowie an die Veränderungen, die in der Kirche und im seelsorglichen Alltag stattgefunden haben.<ref> Vgl. Propositio 13.</ref>

Das Beispiel heiliger Bischöfe

25 In ihrem Leben und in ihrem Amt, auf dem geistlichen Weg und bei dem Bemühen, ihre apostolische Arbeit anzupassen, erfahren die Bischöfe stets Trost durch das Vorbild heiliger Bischöfe. Ich selbst habe in der Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Synode das Vorbild während des letzten Jahrhunderts heiliggesprochener Bischöfe als Zeugnis einer Gnade des Geistes angeführt, an der es der Kirche niemals gefehlt hat und niemals fehlen wird.<ref> Vgl. Nr. 6: AAS 94 (2002), 116.</ref> Die Geschichte der Kirche, angefangen bei den Aposteln, kennt eine wirklich große Zahl von Bischöfen, deren Lehre und Heiligkeit in der Lage sind, dem geistlichen Weg auch der Bischöfe des dritten Jahrtausends Erleuchtung und Orientierung zu geben. Die glorreichen Zeugnisse der großen Bischöfe der ersten Jahrhunderte der Kirche, der Stifter der Teilkirchen, der Bekenner des Glaubens und der Märtyrer, die in Zeiten der Verfolgung ihr Leben für Christus hingegeben haben, bleiben gleichsam leuchtende Bezugspunkte, auf welche die Bischöfe unserer Zeit blicken können, um daraus Hinweise und Anregungen für ihren Dienst am Evangelium zu beziehen.

Viele sind besonders vorbildlich in der Übung der Tugend der Hoffnung gewesen, wenn sie in schweren Zeiten ihr Volk wieder aufgerichtet, nach Zeiten der Verfolgung und Katastrophen die Kirchen neu aufgebaut, Hospize zur Aufnahme von Pilgern und Armen errichtet, Spitäler zur Pflege von Kranken und Alten eröffnet haben. Viele andere Bischöfe waren erleuchtete Führer, die neue Wege für ihr Volk eröffnet haben. Während sie in schweren Zeiten den Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus, unsere Hoffnung, gerichtet hielten, gaben sie positive und kreative Antworten auf die Herausforderungen des Augenblicks. Am Beginn des dritten Jahrtausends gibt es immer noch solche Hirten, die eine Geschichte zu erzählen haben, die von einem fest im Kreuz verankerten Glauben geschrieben wurde. Es sind Hirten, die wissen, die menschlichen Sehnsüchte und Bestrebungen zu erfassen, anzunehmen, im Licht des Evangeliums zu läutern und zu deuten, und die daher zusammen mit dem ihnen anvertrauten Volk auch eine Geschichte aufzubauen haben.

Jede Teilkirche wird sich also darum kümmern, ihre heiligen Bischöfe zu feiern, und wird auch an die Bischöfe erinnern, die wegen ihres heiligen Lebens und ihrer erleuchteten Lehren im Volk ein besonderes Erbe an Bewunderung und Liebe hinterlassen haben. Sie sind die geistlichen Wächter, die vom Himmel herab den Weg der pilgernden Kirche in der Welt leiten. Auch damit die Erinnerung an die Treue der in der Ausübung ihres Dienstes herausragenden Bischöfe immer bewahrt bleibe, hat die Synodenversammlung empfohlen, dass sich die Teilkirchen, oder von Fall zu Fall die Bischofskonferenzen, dafür einsetzen, durch aktualisierte Biografien die Gläubigen mit diesen Gestalten bekanntzumachen, und wenn angebracht, die Angemessenheit der Einleitung eines Heiligsprechungsverfahrens zu prüfen.<ref> Vgl. Propositio 11.</ref>

Das Zeugnis eines voll verwirklichten geistlichen und apostolischen Lebens bleibt auch heute der großartige Beweis für die Kraft des Evangeliums bei der Verwandlung der Menschen und der Gemeinden, indem es die Heiligkeit Gottes in die Welt und in die Geschichte eindringen lässt. Auch das ist ein Grund zur Hoffnung, besonders für die jungen Generationen, die von der Kirche anregende Vorschläge erwarten, an denen sie sich in ihrem Einsatz für die Erneuerung der Gesellschaft unserer Zeit in Christus inspirieren lassen können.

DRITTES KAPITEL: LEHRER DES GLAUBENS UND HEROLD DES WORTES GOTTES

»Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium« (Mk 16, 15)

26 Seinen Aposteln erteilt der auferstandene Jesus den Auftrag, alle Völker »zu Jüngern zu machen« und sie zu lehren, alles zu befolgen, was er selbst ihnen geboten hat. Der Kirche, der Gemeinschaft der Jünger des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, wird also feierlich die Aufgabe übertragen, allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden. Es ist eine Aufgabe, die bis ans Ende der Zeiten andauern wird. Von jenem ersten Anfang her ist es nicht mehr möglich, an eine Kirche ohne diesen Evangelisierungsauftrag zu denken. Das Bewußtsein dafür hat der Apostel Paulus mit den bekannten Worten bekundet: »Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9, 16).

Wenn die Pflicht zur Verkündigung des Evangeliums der ganzen Kirche und jedem ihrer Glieder zu eigen ist, so gilt das ganz besonders für die Bischöfe. Diese übernehmen am Tag der heiligen Weihe, die sie in die Apostolische Sukzession hineinstellt, als ihre hauptsächliche Aufgabe jene, das Evangelium zu verkündigen, und es so zu verkündigen, dass sie »in der Kraft des Geistes die Menschen zum Glauben rufen oder im lebendigen Glauben stärken«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 12; vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 25.</ref> Die Evangelisierungstätigkeit des Bischofs, deren Ziel es ist, die Menschen zum Glauben zu führen oder sie im Glauben zu stärken, bildet einen herausragenden Ausdruck seiner Vaterschaft. Er kann daher mit Paulus wiederholen: »Hättet ihr nämlich auch ungezählte Erzieher in Christus, so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden« (1 Kor 4, 15). Eben durch diese Dynamik, neues Leben gemäß dem Geist hervorzubringen, erweist sich das Bischofsamt in der Welt als Zeichen der Hoffnung für die Völker und für jeden Menschen.

Sehr passend haben deshalb die Synodenväter daran erinnert, dass der Verkündigung Christi stets der erste Platz zukommt und dass der Bischof durch sein Wort und durch das Zeugnis seines Lebens der erste Verkünder des Evangeliums ist. Er muss sich der Herausforderungen bewußt sein, die die gegenwärtige Stunde mit sich bringt, und den Mut haben, sich diesen zu stellen. Alle Bischöfe werden als Diener der Wahrheit diese ihre Aufgabe kraftvoll und mit Vertrauen wahrnehmen.<ref> Vgl. Propositiones 14; 15.</ref>

Christus im Herzen des Evangeliums und des Menschen

27 Tatsächlich ragte in den Beiträgen der Synodenväter das Thema der Verkündigung des Evangeliums hervor. Sie haben wiederholt und auf verschiedenste Weise festgehalten, dass der lebendige Mittelpunkt in der Verkündigung des Evangeliums der für die Rettung aller Menschen gekreuzigte und auferstandene Christus ist.<ref> Vgl. Propositio 14.</ref>

Christus ist in der Tat das Herz der Evangelisierung, deren Programm »letztlich in Christus selbst seine Mitte findet. Ihn gilt es kennenzulernen, zu lieben und nachzuahmen, um in ihm das Leben des Dreifaltigen Gottes zu leben und mit ihm der Geschichte eine neue Gestalt zu geben, bis sie sich im himmlischen Jerusalem erfüllt. Das Programm ändert sich nicht mit dem Wechsel der Zeiten und Kulturen, auch wenn es für einen echten Dialog und eine wirksame Kommunikation die Zeit und die Kultur berücksichtigt. Es ist unser Programm für das dritte Jahrtausend«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 29: AAS 93 (2001), 285-286.</ref>

Von Christus, dem Herzen des Evangeliums, gehen alle anderen Glaubenswahrheiten aus, und von ihm erstrahlt die Hoffnung für alle Menschen. Denn Christus ist das Licht, das jeden Menschen erleuchtet, und jeder, der in ihm wiedergeboren wurde, empfängt die Erstlingsgaben des Geistes, durch die er fähig wird, das neue Gesetz der Liebe zu erfüllen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22.</ref>

Der Bischof ist also kraft seiner apostolischen Sendung dazu befähigt, sein Volk in das Herz des Geheimnisses des Glaubens einzuführen, wo es der lebendigen Person Jesu Christi begegnen kann. Die Gläubigen werden so begreifen, dass alle christliche Erfahrung ihre Quelle und ihren unvergänglichen Bezugspunkt im Pascha Jesu hat, des Siegers über Sünde und Tod.<ref> Vgl. Propositio 15.</ref>

Die Verkündigung des Todes und der Auferstehung des Herrn »muss folglich die prophetische Verkündigung eines Jenseits enthalten, das eine tiefe, endgültige Berufung des Menschen ist, die zugleich eine Fortsetzung und ein völliges Übersteigen des jetzigen Zustandes darstellt: jenseits der Zeit und der Geschichte, jenseits der Wirklichkeit dieser Welt, deren Gestalt vergeht [...] Die Evangelisierung enthält somit auch die Verkündigung einer Hoffnung auf die Verheißungen, die von Gott im Neuen Bund in Jesus Christus gegeben worden sind«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 28: AAS 68 (1976), 24.</ref>

Der Bischof, Hörer und Bewahrer des Wortes

28 Indem es den von der Überlieferung der Kirche vorgezeichneten Weg fortsetzt, erklärt das Zweite Vatikanische Konzil, dass das den Bischöfen eigene Lehramt darin besteht, den Glauben heilig zu bewahren und mutig zu verkünden.<ref> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 25; Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 10; Codex des kanonischen Rechtes, can. 747 § 1; Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen, can. 595 § 1.</ref>

Unter diesem Gesichtspunkt enthüllt sich in seinem ganzen Bedeutungsreichtum der im römischen Ritus der Bischofsweihe vorgesehene Gestus, bei dem das geöffnete Evangeliar über das Haupt des Erwählten gehalten wird: Damit soll einerseits zum Ausdruck gebracht werden, dass das Wort den Dienst des Bischofs umfängt und behütet, und andererseits, dass das Leben des Bischofs ganz dem Wort Gottes unterworfen sein muss in der täglichen Hingabe an die Verkündigung des Evangeliums in geduldiger Belehrung (vgl. 2 Tim 4). Auch die Synodenväter haben mehrmals daran erinnert, dass es der Bischof ist, der das Wort Gottes liebevoll bewahrt und mutig verteidigt, indem er von seiner Heilsbotschaft Zeugnis gibt. Tatsächlich geht der Sinn des bischöflichen munus docendi aus dem Wesen dessen hervor, was bewahrt werden soll, nämlich der Schatz des Glaubens.

Unser Herr Christus hat seiner Kirche in der Heiligen Schrift beider Testamente und in der Tradition den einen Schatz der göttlichen Offenbarung anvertraut, der gleichsam ein Spiegel ist, »in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 7.</ref> Dies ist im Gang der Jahrhunderte bis heute geschehen: Wenn die verschiedenen Gemeinden im Wechsel der Zeiten das immer neue und wirkungsvolle Wort annahmen, haben sie folgsam auf die Stimme des Heiligen Geistes gehört und sich bemüht, es in den aktuellen Zeitumständen der verschiedenen geschichtlichen Epochen lebendig und wirksam werden zu lassen. So ist das überlieferte Wort, die Tradition, immer bewußter zum Wort des Lebens geworden. Währenddessen wurde die Aufgabe seiner Verkündigung und seiner Bewahrung unter der Leitung und dem Beistand des Geistes der Wahrheit fortschreitend verwirklicht als ununterbrochene Übermittlung von allem, was die Kirche ist, und von allem, was sie glaubt.<ref> Vgl. ebd., 8.</ref>

Diese Tradition, die ihren Ursprung von den Aposteln herleitet, schreitet im Leben der Kirche fort, wie das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat. In ähnlicher Weise wächst und entfaltet sich das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte, so dass im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner Verwirklichung und in seinem Bekenntnis einer einzigartiger Einklang zwischen Bischöfen und Gläubigen herrscht.<ref> Vgl. ebd., 10.</ref> Auf der Suche nach der Treue zu dem Geist, der in der Kirche spricht, begegnen sich die Gläubigen und die Hirten und festigen jene tiefen Glaubensbande, die gleichsam das erste Moment des sensus fidei darstellen. Es ist nützlich, diesbezüglich noch einmal die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu hören: »Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung vom Heiligen Geist haben (vgl. 1 Joh 2, 10. 27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie ,,von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert«.<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 12.</ref>

Darum ist das Leben der Kirche und das Leben in der Kirche für jeden Bischof die Voraussetzung für die Ausübung seines Lehramtes. Ein Bischof findet seine Identität und seinen Platz innerhalb der Gemeinschaft der Jünger des Herrn, in der er die Gabe des göttlichen Lebens und die erste Unterweisung im Glauben empfangen hat. Jeder Bischof muss, besonders wenn er von seinem Bischofsstuhl aus vor der Versammlung der Gläubigen sein Amt als Lehrer in der Kirche ausübt, mit dem heiligen Augustinus wiederholen können: »Von diesem Platz aus sind wir für euch Lehrer; aber unter dem einen Lehrer sind wir in dieser Schule alle zusammen Mitschüler«.<ref> Enarrationes in Psalmos 126, 3: PL 37, 1669.</ref>  In der Kirche, der Schule des lebendigen Gottes, sind alle, Bischöfe und Gläubige, Mitschüler, und alle bedürfen der Unterweisung durch den Geist. Tatsächlich sind die Orte zahlreich, von denen aus der Geist seine innere Belehrung erteilt: zunächst das Herz jedes einzelnen und dann das Leben der verschiedenen Teilkirchen, in denen die vielfältigen Bedürfnisse der Menschen und der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften sichtbar werden und sich in bekannten, aber auch in anderen, neuen Sprachen bemerkbar machen.

Der Geist verschafft sich noch immer Gehör, während er in der Kirche unterschiedliche Formen von Charismen und Diensten weckt. Gewiß auch aus diesem Grund waren in der Synodenaula mehrmals Stimmen zu hören, die den Bischof nach dem Vorbild des Guten Hirten, der seine Schafe kennt und jedes bei seinem Namen ruft, zur direkten Begegnung und zum persönlichen Kontakt mit den Gläubigen aufforderten, die in den seiner Hirtensorge anvertrauten Gemeinden leben. Denn die häufige Begegnung des Bischofs vornehmlich mit seinen Priestern und dann mit den Diakonen, mit den Ordensleuten und ihren Kommunitäten, mit den gläubigen Laien, einzeln und in den verschiedenen Gruppierungen, hat große Bedeutung für die Ausübung eines wirksamen Dienstes inmitten des Volkes Gottes.

Der authentische und autoritative Dienst am Wort

29 Mit der Bischofsweihe hat jeder Bischof die grundlegende Sendung empfangen, mit Vollmacht das Wort zu verkünden. Denn jeder Bischof ist kraft der heiligen Weihe authentischer Lehrer, der dem ihm anvertrauten Volk den Glauben verkündet, der angenommen und im sittlichen Leben umgesetzt werden muss. Das heißt, die Bischöfe sind mit der Autorität Christi selbst ausgerüstet, und das ist der fundamentale Grund, weswegen »die Bischöfe, wenn sie in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren sind. Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Urteil ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 25.</ref>  In diesem Dienst an der Wahrheit steht jeder Bischof der Gemeinde gegenüber, insofern er für die Gemeinde da ist, der er seine pastorale Sorge zuwendet und für die er eindringlich sein Gebet zu Gott erhebt.

Jeder Bischof gibt also das, was er gehört und aus dem Herzen der Kirche empfangen hat, seinen Brüdern zurück, für die er wie der Gute Hirt Sorge tragen muss. Der sensus fidei erreicht in ihm seine Vollständigkeit. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt nämlich: »Durch jenen Glaubenssinn, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt (vgl. 1 Thess 2, 13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an«.<ref> Ebd., 12.</ref> Es ist also ein Wort, das innerhalb der Gemeinde und ihr gegenüber nicht mehr einfach das Wort des Bischofs als Privatperson ist, sondern das Wort des Hirten, der den Glauben bestätigt, um das Geheimnis Gottes versammelt und Leben hervorbringt.

Die Gläubigen brauchen das Wort ihres Bischofs, sie brauchen die Bestätigung und die Läuterung ihres Glaubens. Die Synodenversammlung hat ihrerseits dieses Bedürfnis dadurch unterstrichen, dass sie einige spezifische Bereiche hervorhob, wo das besonders spürbar ist. Einen dieser Bereiche stellt das kerygma, die Erstverkündigung dar, die immer notwendig ist, um den Glaubensgehorsam zu wecken, die sich aber gerade in der von religiöser Gleichgültigkeit und Unwissenheit so vieler Christen gekennzeichneten Situation der heutigen Zeit als noch dringender erweist.<ref> Vgl. Propositio 15.</ref>  Auch im Bereich der Katechese ist offensichtlich der Bischof der Katechet schlechthin. Die markante Rolle heiliger und großer Bischöfe, deren katechetische Texte noch heute voll Bewunderung konsultiert werden, ermutigt uns zu betonen, dass es die stets aktuelle Aufgabe des Bischofs ist, die oberste Leitung der Katechese zu übernehmen. Bei dieser Aufgabe soll er es nicht versäumen, auf den Katechismus der Katholischen Kirche zu verweisen.

Es gilt daher noch immer, was ich im Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae geschrieben habe: »Ihr [Bischöfe] habt in euren Kirchen eine besondere Sendung; ihr seid dort die für die Katechese zuallererst Verantwortlichen«.<ref> Nr. 63: AAS 71 (1979), 1329.</ref> Deshalb ist es Pflicht jedes Bischofs, in seiner Teilkirche die effektive Priorität einer aktiven und wirksamen Katechese zu gewährleisten. Ja, er muss selber seine Sorge um die Katechese durch direktes Eingreifen wahrnehmen, das darauf abzielt, eine echte Liebe für die Katechese zu wekken und zu pflegen.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Allgemeines Direktorium für die Katechese (15. August 1997), 223: Enchiridion Vaticanum 16 (1997), Nr. 1053.</ref>

Im Wissen um seine Verantwortung im Bereich der Weitergabe des Glaubens und der Glaubenserziehung muss sich jeder Bischof dafür einsetzen, dass ein ähnlicher Eifer bei allen vorhanden ist, die aufgrund ihrer Berufung und Sendung zur Weitergabe des Glaubens bestellt sind. Es handelt sich um die Priester und Diakone, um die Gläubigen des geweihten Lebens, um die Familienväter und -mütter, um die pastoralen Mitarbeiter und insbesondere die Katecheten sowie auch um die Dozenten für Theologie und kirchliche Wissenschaften und die Lehrer für katholischen Religionsunterricht.<ref> Vgl. Propositio 15.</ref>  Deshalb soll sich der Bischof sowohl um ihre grundlegende Ausbildung als auch um ihre ständige Fortbildung kümmern.

Besonders nützlich ist auch für diese seine Pflicht der offene Dialog und die Zusammenarbeit mit den Theologen, denen es obliegt, den unergründlichen Reichtum des Mysteriums Christi mit geeigneten Methoden zu vertiefen. Mögen es die Bischöfe nicht versäumen, den Theologen wie auch den Schulen und akademischen Lehranstalten, an denen diese tätig sind, Ermutigung und Unterstützung zu bieten, damit sie ihre Arbeit als Dienst am Volk Gottes in Treue zur Tradition und mit Achtsamkeit gegenüber den Erfordernissen der Geschichte erfüllen.<ref> Vgl. Propositio 47.</ref>  Wenn immer es angebracht ist, sollen die Bischöfe mit Standhaftigkeit die Einheit und Unversehrtheit des Glaubens verteidigen und hierbei mit Vollmacht beurteilen, was dem Wort Gottes mehr oder weniger entspricht.<ref> Vgl Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum veritatis (24. Mai 1990), 19: AAS 82 (1990), 1558; Codex des kanonischen Rechtes, can. 386 § 2; Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen, can. 196 § 2.</ref>

Die Synodenväter haben die Aufmerksamkeit der Bischöfe auch auf ihre lehramtliche Verantwortung im Bereich der Moral gelenkt. Die von der Kirche aufgestellten Vorschriften spiegeln die göttlichen Gebote wider, die ihre Zusammenfassung und ihre Krönung im Liebesgebot des Evangeliums finden. Das Ziel, das jede göttliche Vorschrift anstrebt, ist das höchste Wohl des Menschen. Auch heute gilt die Empfehlung aus dem Buch Deuteronomium: »Ihr sollt nur auf dem Weg gehen, den der Herr, euer Gott, euch vorgeschrieben hat, damit ihr Leben habt und es euch gut geht« (5, 33). Man darf zudem nicht vergessen, dass die Zehn Gebote fest in der menschlichen Natur selbst verwurzelt sind und dass darum die Werte, die sie verteidigen, universale Gültigkeit besitzen. Das gilt besonders für das menschliche Leben, das von seiner Empfängnis bis zu seinem Ende durch den natürlichen Tod verteidigt werden muss, die Freiheit der Menschen und Völker, die soziale Gerechtigkeit und die Strukturen zu deren Durchsetzung.<ref> Vgl. Propositio 16.</ref>

Der bischöfliche Dienst für die Inkulturation des Evangeliums

30 Die Evangelisierung der Kultur und die Inkulturation des Evangeliums sind ein wesentlicher Bestandteil der Neuevangelisierung und somit eine Aufgabe gerade des Bischofsamtes. Diesbezüglich griff die Synode einige meiner früheren Äußerungen auf und wiederholte: »Ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ist kein voll akzeptierter, ganzheitlich durchdachter und getreu ins Leben umgesetzter Glaube«.<ref> Ansprache an die Teilnehmer des nationalen Kongresses der Kirchlichen Bewegung für die Kulturaufgaben (16. Januar 1982), 2: Insegnamenti V/1 (1982), 131; vgl. Propositio 64.</ref>

Es handelt sich in Wirklichkeit um eine alte und stets neue Aufgabe, die ihren Ursprung im Geheimnis der Inkarnation hat und ihren Grund in der dem Evangelium innewohnenden Fähigkeit, in jeder Kultur Wurzeln zu schlagen, ihr Form zu geben und sie zu fördern, sie zu läutern und sie für die Fülle von Wahrheit und Leben zu öffnen, die in Christus Jesus Wirklichkeit geworden ist. Große Aufmerksamkeit wurde diesem Thema während der Kontinentalsynoden geschenkt, von denen wertvolle Hinweise kamen. Ich selbst habe mich bei mehreren Gelegenheiten damit befaßt.

Jeder Bischof wird daher in Anbetracht der auf dem Gebiet seiner Teilkirche vorhandenen Kulturwerte eifrig darum bemüht sein, dass das Evangelium unversehrt und unverkürzt verkündet wird, um das Herz der Menschen und die Bräuche der Völker zu formen. Eine wertvolle Hilfe in diesem Unterfangen der Evangelisierung wird für ihn der Beitrag der Theologen sein, ebenso wie der Beitrag der Fachleute bei der Bewertung des kulturellen, künstlerischen und historischen Erbes der Diözese: Dies betrifft sowohl die alte wie die neue Evangelisierung und stellt ein wirksames pastorales Instrument dar.<ref> Vgl. Propositio 65.</ref>

Von großer Bedeutung für die Verkündigung des Evangeliums auf jedem »neuen Areopag« und für die Weitergabe des Glaubens sind ebenfalls die sozialen Kommunikationsmittel. Auch diesen galt die Aufmerksamkeit der Synodenväter, die die Bischöfe zu einer größeren Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene ermutigt haben, damit sich daraus eine qualifiziertere Tätigkeit auf diesem heiklen und wertvollen Gebiet des sozialen Lebens ergebe.<ref> Vgl. Propositio 66.</ref>

Wo es um die Verkündigung des Evangeliums geht, ist es in der Tat wichtig, sich außer um deren Rechtgläubigkeit auch um eine einprägsame Präsentation zu kümmern, die dem Hören und der Aufnahme der Verkündigung förderlich ist. Dies schließt offensichtlich die Verpflichtung ein, besonders in den Seminaren einen angemessenen Zeitraum für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten im Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel einzuplanen, damit die zur Evangelisation Berufenen gute Verkündiger und gute Kommunikatoren werden.

Predigen durch Wort und Beispiel

31 Der Dienst des Bischofs als Verkünder des Evangeliums und Bewahrer des Glaubens im Volk Gottes wäre nicht vollständig dargestellt, würde der Hinweis auf die Verpflichtung zur persönlichen Glaubwürdigkeit fehlen: Seine Lehrtätigkeit setzt sich im Zeugnis und im Beispiel eines echten Glaubenslebens fort. Würde der Bischof, der mit einer im Namen Jesu Christi ausgeübten Autorität<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 10.</ref> das in der Gemeinde gehörte Wort lehrt, selber nicht leben, was er lehrt, gäbe er der Gemeinde selbst eine widersprüchliche Botschaft.

Es erscheint somit klar, dass sämtliche Aktivitäten des Bischofs auf die Verkündigung des Evangeliums, »eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt« (Röm 1, 16), ausgerichtet sein müssen. Seine wesentliche Aufgabe ist es, dem Volk Gottes dabei zu helfen, dem Wort der Offenbarung Glaubensgehorsam entgegenzubringen (vgl. Röm 1, 5) und die Lehre Christi vollständig anzunehmen. Man könnte sagen, im Bischof verbinden sich Sendung und Leben in einer Weise, dass man dabei nicht mehr an zwei verschiedene Dinge denken darf: Wir Bischöfe sind unsere Sendung. Erfüllten wir sie nicht, wären wir nicht mehr wir selbst. Im Zeugnis unseres Glaubens wird unser Leben zum sichtbaren Zeichen der Gegenwart Christi in unseren Gemeinden.

Das Lebenszeugnis wird für den Bischof gleichsam ein neuer Ausweis von Autorität, der sich an die in der Weihe empfangene objektive Gegebenheit annähert. So tritt an die Seite der Autorität das Ansehen. Beides ist nötig. Denn aus dem einen ersteht die objektive Forderung, dass die Gläubigen an der authentischen Lehre des Bischofs festhalten; der zweite Aspekt erleichtert es ihnen, Vertrauen in die Botschaft zu setzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang anführen, was ein großer Bischof der antiken Kirche, der heilige Hilarius von Poitiers, geschrieben hat: »Der selige Apostel Paulus, der das Idealbild eines zukünftigen Bischofs definieren und durch seine Lehren einen völlig neuen Kirchenmann formen wollte, erklärte, was bei ihm sozusagen das Maximum an Vollkommenheit wäre. Er sagte, dass der Bischof eine sichere, mit dem Lehramt übereinstimmende Lehre bekennen müsse, um zur gesunden Lehre auffordern und die Gegner widerlegen zu können. [...] Einerseits wird ein Diener von untadeligem Leben, wenn er nicht gebildet ist, höchstens sich selbst von Nutzen sein; andererseits wird ein gebildeter Diener ohne Autorität in seiner Lehre sein, wenn sich sein Leben nicht als untadelig erweist«.<ref> De Trinitate, VIII, 1: PL 10, 236.</ref>

Der Apostel Paulus gebraucht folgende Worte, um die zu befolgende Verhaltensweise festzulegen: »Gib selbst ein Beispiel durch gute Werke. Lehre die Wahrheit unverfälscht und mit Würde, mit gesunden, unanfechtbaren Worten; so wird der Gegner beschämt und kann nichts Schlechtes über uns sagen« (Tit 2, 7-8).

VIERTES KAPITEL: DIENER DER GNADE DES HÖCHSTEN PRIESTERTUMS

»Geheiligte in Christus Jesus, berufen als Heilige« (1 Kor 1, 2)

32 Während ich mich anschicke, eine der ersten und grundlegenden Aufgaben des Bischofs, nämlich den Dienst der Heiligung, zu behandeln, bin ich mit meinen Gedanken bei den Worten, mit denen sich der Apostel Paulus an die Gläubigen von Korinth wandte und ihnen das Geheimnis ihrer Berufung gleichsam vor Augen stellte: »Geheiligte in Christus Jesus und berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen« (1 Kor 1, 2). Die Heiligung des Christen verwirklicht sich im Bad der Taufe, sie wird gestärkt durch die Sakramente der Firmung und der Versöhnung und genährt von der Eucharistie, dem kostbarsten Gut der Kirche, dem Sakrament, von dem die Kirche immerfort als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut wird.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), Nr. 23-24: AAS 95 (2003), 448-449.</ref>

Diener dieser Heiligung, die sich im Leben der Kirche ausbreitet, ist der Bischof vor allem durch die heilige Liturgie. Von der Liturgie und insbesondere von der Eucharistiefeier heißt es, dass sie »Höhepunkt und Quelle des Lebens der Kirche« ist.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 10.</ref> Gewissermaßen findet diese Feststellung ihre Bestätigung im liturgischen Dienst des Bischofs, der sich als zentraler Vorgang in seinem Wirken darstellt, das der Heiligung des Gottesvolkes gilt.

Daraus wird die Bedeutung des liturgischen Lebens in der Teilkirche deutlich, in der der Bischof sein Amt der Heiligung ausübt, wenn er das Wort Gottes verkündigt und predigt, das Gebet für sein Volk und mit seinem Volk leitet und der Feier der Sakramente vorsteht. Aus diesem Grund erkennt die dogmatische Konstitution Lumen gentium dem Bischof einen schönen Titel zu, der dem Gebet zur Bischofsweihe im byzantinischen Ritus entnommen ist, nämlich »Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums, vornehmlich in der Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen lässt und aus der die Kirche immerfort lebt und wächst«.<ref> Nr. 26.</ref>

Zwischen dem Dienst der Heiligung und den beiden anderen Ämtern, dem der Lehre und dem der Leitung, besteht eine tiefe innerer Zusammenhang. Denn die Verkündigung ist auf die Teilnahme am göttlichen Leben ausgerichtet, das vom zweifachen Tisch des Wortes und der Eucharistie geschöpft wird. Es entfaltet sich und wird deutlich im täglichen Leben der Gläubigen, da alle gerufen sind, das, was sie im Glauben empfangen haben, in ihrem Verhalten zum Ausdruck zu bringen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 10.</ref> Das Leitungsamt vollzieht sich, wie das des Guten Hirten Jesus, in Aufgaben und Werken, deren Ziel es ist, in der Gemeinschaft der Gläubigen die Lebensfülle in der Liebe zum Lobpreis der Heiligsten Dreifaltigkeit und als Zeugnis für deren liebende Gegenwart in der Welt sichtbar werden zu lassen.

Daher verwirklicht jeder Bischof bei der Ausübung des Heiligungsdienstes (munus sanctificandi) das, was das Lehramt (munus docendi) zum Ziel hat, und schöpft zugleich die Gnade für das Leitungsamt (munus regendi), indem er sein Verhalten dem Bild Christi, des Hohenpriesters, so nachbildet, dass alles auf den Aufbau der Kirche und die Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit hingeordnet ist.

Quell und Höhepunkt des Lebens der Teilkirche

33 Der Bischof übt das Amt der Heiligung durch die Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente, durch das Gotteslob der Stundenliturgie, durch den Vorsitz bei den anderen heiligen Riten und auch durch die Förderung des liturgischen Lebens und der echten Volksfrömmigkeit aus. Unter allen vom Bischof geleiteten Feiern kommt jenen eine besondere Bedeutung zu, aus welchen die Eigenart des Bischofsamtes als Fülle des Priestertums hervorgeht. Es handelt sich speziell um die Spendung des Sakramentes der Firmung, um die Erteilung der Heiligen Weihen, um die festliche Feier der Eucharistie, in der der Bischof von seinem Presbyterium und von den anderen Amtsträgern umgeben ist – wie zum Beispiel in der Liturgie der Chrisam-Messe –, um die Weihe von Kirchen und Altären, um die Jungfrauenweihe und um andere für das Leben der Teilkirche wichtige Riten. Bei diesen Feiern tritt der Bischof in sichtbarer Weise als Vater und Hirt der Gläubigen auf, als »Hoherpriester« seines Volkes (vgl. Hebr 10, 21), als Beter und als Lehrer des Gebetes, der sich für seine Brüder verwendet und mit dem Volk selbst den Herrn anfleht und ihm dankt, während er den Primat Gottes und seiner Herrlichkeit hervorhebt.

Bei diesen verschiedenen Anlässen sprudelt die göttliche Gnade wie aus einer Quelle. Sie durchdringt das ganze Leben der Kinder Gottes während ihres Erdenweges und lenkt es auf seinen Höhepunkt und seine Vollendung in der himmlischen Heimat hin. Das Amt der Heiligung ist daher von grundlegender Bedeutung für die Ausbreitung der christlichen Hoffnung. Der Bischof verkündet nicht nur durch die Predigt des Wortes die Verheißungen Gottes und steckt die Wege der Zukunft ab, sondern ermutigt das Volk Gottes auf seinem irdischen Pilgerweg. Durch die Feier der Sakramente, Unterpfand der künftigen Herrlichkeit, lässt er es seine letzte Bestimmung – in Gemeinschaft mit der Jungfrau Maria und mit den Heiligen – in der unerschütterlichen Gewißheit des endgültigen Sieges Christi über Sünde und Tod und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit vorauskosten.

Die Bedeutung der Kathedralkirche

34 Der Bischof übt sein Amt der Heiligung zwar in der ganzen Diözese aus, doch der Brennpunkt seines Wirkens ist die Kathedralkirche, die gleichsam die Mutterkirche und der Mittelpunkt der Teilkirche ist, wo alles zusammenläuft.

Die Kathedrale ist tatsächlich der Ort, wo der Bischof seine Cathedra hat, von der aus er sein Volk durch die Verkündigung anleitet und es wachsen lässt und wo er bei den Feiern der Hauptfeste des Kirchenjahres und der Sakramente den Vorsitz innehat. Eigens dann, wenn ein Bischof auf der Cathedra Platz genommen hat, zeigt er sich der Versammlung der Gläubigen gegenüber als der, der in loco Dei Patris den Vorsitz führt. Wie ich bereits in Erinnerung gerufen habe, darf sich deshalb gemäß einer uralten, im Osten und im Westen gültigen Tradition nur der Bischof auf den Bischofsstuhl setzen. Das Vorhandensein dieser Cathedra macht ja eben die Kathedralkirche für das Presbyterium der Diözese und für das ganze heilige Volk Gottes zum räumlichen und geistlichen Zentrum der Einheit und der Gemeinschaft.

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in bezug darauf, dass »alle das liturgische Leben des Bistums, in dessen Mittelpunkt der Bischof steht, besonders in der Kathedralkirche, aufs höchste schätzen sollen; sie sollen überzeugt sein, dass die Kirche auf eine vorzügliche Weise dann sichtbar wird, wenn das ganze heilige Gottesvolk voll und tätig an denselben liturgischen Feiern, besonders an derselben Eucharistiefeier, teilnimmt: in der Einheit des Gebetes und an dem einen Altar und unter dem Vorsitz des Bischofs, der umgeben ist von seinem Presbyterium und den Dienern des Altars«.<ref> Ebd., 41.</ref> In der Kathedrale, wo sich der Höhepunkt des Lebens der Kirche vollzieht, erfüllt sich daher auch die erhabenste und heiligste Handlung des munus sanctificandi des Bischofs, die – wie die Liturgie selbst, bei der er den Vorsitz hat – die Heiligung des Menschen, die kultische Verehrung und die Verherrlichung Gottes einschließt.

Spezielle Anlässe für dieses Sichtbarwerden des Geheimnisses der Kirche sind einige besondere liturgische Feiern. Ich denke dabei an die jährliche Liturgie der Chrisam-Messe, die als »eine besonders charakteristische Ausdrucksform dieser priesterlichen Vollgewalt des Bischofs und ein Zeichen der engen Verbundenheit der Priester mit ihm«<ref> Pontificale Romanum: Ordo benedicendi oleum catechumenorum et infirmorum et conficiendi chrisma, Einführung.</ref>  angesehen werden muss. Während dieser Feier wird zusammen mit dem Krankenöl und dem Öl für die Katechumenen das heilige Chrisam geweiht, als sakramentales Zeichen des Heiles und des vollkommenen Lebens für alle, die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren wurden. Zu den feierlichsten Liturgien sind natürlich auch jene zu zählen, bei denen die heiligen Weihen erteilt werden: der eigentliche und normale Ort für die Feier dieser Riten ist die Kathedralkirche.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, presbyterorum et diaconorum, Einführungen.</ref> Weitere Anlässe, wie der Jahrestag der Kirchweihe der Kathedrale oder die Feste der Diözesanpatrone, mögen hinzukommen.

Diese und andere Anlässe sind, entsprechend dem liturgischen Kalender jeder einzelnen Diözese, wertvolle Gelegenheiten, um die Bande der Gemeinschaft mit den Priestern, den Personen des geweihten Lebens und den gläubigen Laien neu zu festigen und unter allen Gliedern der Teilkirche die Impulse zur Mission anzuregen. Darum hebt das Cœremoniale Episcoporum die Bedeutung der Kathedralkirche und der liturgischen Feiern hervor, die zum Wohl und zum Vorbild der ganzen Ortskirche in ihr abgehalten werden.<ref> Vgl. Nr. 42-54.</ref>

Der Bischof, Leiter der Liturgie als Glaubenspädagogik

35 Die Synodenväter wollten unter den heutigen Umständen auf die Bedeutung des Amtes der Heiligung aufmerksam machen, das in der Liturgie ausgeübt wird. Diese soll so verlaufen, dass ihre didaktische und erzieherische Wirksamkeit zum Tragen kommt.<ref> Vgl. Propositio 17.</ref> Das erfordert, dass die liturgischen Feiern wirklich Epiphanie des Mysteriums sind. Sie werden daher das Wesen des Gottesdienstes dadurch klar zum Ausdruck bringen müssen, dass sie den unverfälschten Sinn der Kirche, die betet und die göttlichen Geheimnisse feiert, widerspiegeln. Wenn an den liturgischen Feiern alle gemäß den verschiedenen Ämtern in angemessener Weise teilnehmen, wird es ihnen nicht am Glanz der Würde und Schönheit fehlen.

Ich selbst wollte bei der Ausübung meines Amtes den liturgischen Feiern sowohl in Rom wie auch während meiner apostolischen Reisen in die verschiedenen Kontinente und Nationen eine Priorität verleihen. Indem ich die Schönheit und Würde der christlichen Liturgie in allen ihren Ausdrucksformen aufstrahlen ließ, beabsichtigte ich, den echten Sinn der Heiligung des Namens Gottes zu fördern, um das religiöse Empfinden der Gläubigen zu bilden und es für die Transzendenz zu öffnen.

Ich fordere daher meine Mitbrüder im Bischofsamt als Lehrer des Glaubens und Teilhaber am höchsten Priestertum Christi auf, sich mit aller Kraft um die authentische Förderung der Liturgie zu bemühen. Sie verlangt, dass in der Art und Weise ihrer Feier klar die geoffenbarte Wahrheit verkündet, das göttliche Leben getreu weitergegeben und das ureigene Wesen der Kirche unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird. Alle sollen sich der Bedeutung der heiligen Feiern der Geheimnisse des katholischen Glaubens bewußt sein. Die Wahrheit des christlichen Glaubens und Lebens wird nicht nur durch Worte, sondern auch durch die sakramentalen Zeichen und die Gesamtheit der liturgischen Riten weitergegeben. Der alte Grundsatz von der engen Bindung der lex credendi an die lex orandi ist in diesem Zusammenhang wohlbekannt.<ref> »Legem credendi lex statuat supplicandi« : Cælestin I., Ad Galliarum episcopos: PL 45, 1759.</ref>

Jeder Bischof soll daher beispielhaft die Kunst des liturgischen Vorsitzes vollziehen und sich dabei des tractare mysteria bewußt sein. Er soll auch ein tiefes theologales Leben haben, das sein Verhalten bei jedem Kontakt mit dem heiligen Gottesvolk inspiriert. Er soll dazu fähig sein, den übernatürlichen Sinn der Worte, der Gebete und der Riten so zu vermitteln, dass alle in die Teilnahme an den heiligen Geheimnissen einbezogen werden. Darüber hinaus muss der Bischof durch eine konkrete und angemessene Förderung der Liturgiepastoral in der Diözese gewährleisten, dass sich die Seelsorger und das Volk ein richtiges Verständnis der Liturgie und eine entsprechende Erfahrung aneignen, um die Gläubigen zu jener vollen, bewußten, tätigen und fruchtbaren Teilnahme an den heiligen Geheimnissen gelangen zu lassen, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht wurde.<ref> Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 11; 14.</ref>

Auf diese Weise werden die liturgischen Feiern – und besonders jene, bei denen der Bischof in seiner Kathedrale den Vorsitz innehat – eine klare Verkündigung des Glaubens der Kirche sein, vorzügliche Gelegenheiten, bei denen der Hirt den Gläubigen das Geheimnis Christi vor Augen stellt und ihnen hilft, nach und nach darin einzudringen, um daraus eine freudige Erfahrung zu machen, die dann in Werken der Liebe zu bezeugen ist (vgl. Gal 5, 6).

Angesichts der Bedeutung der richtigen Weitergabe des Glaubens in der heiligen Liturgie der Kirche darf es der Bischof nicht versäumen, zum Wohl der Gläubigen fürsorglich darüber zu wachen, dass die geltenden liturgischen Vorschriften immer, von allen und überall eingehalten werden. Das schließt auch eine entschlossene und rechtzeitige Korrektur der Mißbräuche und die Beseitigung von Eigenmächtigkeiten im liturgischen Bereich ein. Der Bischof soll, soweit es von ihm abhängt, oder in Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen und den zuständigen liturgischen Kommissionen, auch darauf achten, dass bei Rundfunk- und Fernsehübertragungen die gleiche Würde und Wahrheit der liturgischen Handlungen gewahrt bleibt.

Die zentrale Stellung des Tages des Herrn und des Kirchenjahres

36 Das Leben und das Amt des Bischofs müssen von der Gegenwart des Herrn in seinem Geheimnis gleichsam durchdrungen sein. Die diözesanweite Verbreitung der Überzeugung von der in geistlicher, katechetischer und pastoraler Hinsicht zentralen Stellung der Liturgie hängt zum Großteil vom Beispiel des Bischofs ab.

Im Mittelpunkt dieses seines Dienstes steht die Feier des Paschamysteriums Christi am Tag des Herrn, dem Sonntag. Wie ich öfters wiederholt und erst unlängst gesagt habe, muss der Feier des Sonntags und der Eucharistiefeier an diesem Tag ihr zentraler Charakter zurückgegeben werden, um in unserer Zeit ein starkes Zeichen christlicher Identität zu setzen. Der Sonntag ist ein Tag, der als »besonderer Tag des Glaubens, als Tag des auferstandenen Herrn und des Geschenkes des Geistes, als wöchentliches Ostern«<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 35: AAS 93 (2001), 291.</ref>  wahrgenommen werden muss.

Die Anwesenheit des Bischofs, der am Sonntag – der auch der Tag der Kirche ist – in seiner Kathedrale oder in den Pfarreien der Diözese die Eucharistiefeier leitet, kann für das Gottesvolk auf seinem Pilgerweg ein beispielhaftes Zeichen der Treue zum Geheimnis der Auferstehung und ein Grund zur Hoffnung sein – Sonntag für Sonntag, bis zum achten Tag des ewigen Pascha, an dem die Sonne nicht untergeht.<ref> Vgl. Propositio 17.</ref>

Im Laufe des liturgischen Jahres lässt die Kirche das ganze Mysterium Christi von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur hoffnungsvollen Erwartung der glorreichen Wiederkunft des Herrn wieder lebendig werden.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 102.</ref>  Besondere Aufmerksamkeit wird der Bischof natürlich auf die Vorbereitung und Feier des Ostertriduums verwenden, das mit der feierlichen Osternacht und seiner Fortführung in den fünfzig Tagen nach Ostern das Herzstück des ganzen liturgischen Jahres ist.

Das liturgische Jahr mit seiner zyklischen Abfolge kann für eine pastorale Planung des Lebens der Diözese rund um das Mysterium Christi in Erwartung seiner Wiederkunft in Herrlichkeit in geeigneter Weise erschlossen werden. Auf diesem Glaubensweg hilft der Kirche das Gedenken an die selige Jungfrau Maria, die »im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, [...] auch hier auf Erden [...] als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voranleuchtet«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 68.</ref>  Es ist eine Hoffnung, die sich auch aus dem Gedächtnis der Märtyrer und der anderen Heiligen nährt, »die, durch Gottes vielfältige Gnade zur Vollkommenheit geführt, das ewige Heil bereits erlangt haben, Gott im Himmel das vollkommene Lob singen und Fürsprache für uns einlegen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 104.</ref>

Der Bischof, Diener der Eucharistiefeier

37 Die Herzmitte des munus sanctificandi des Bischofs ist die Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen lässt und in der sein Amt als »Verwalter« oder Diener der Gnade des höchsten Priestertums besonders deutlich zutage tritt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 26.</ref>

Vor allem als Hauptzelebrant der Eucharistiefeier trägt der Bischof zum Aufbau der Kirche bei, dem Geheimnis von Gemeinschaft und Sendung. Denn die Eucharistie ist das wesentliche Lebensprinzip nicht nur der einfachen Gläubigen, sondern eben der Gemeinschaft in Christus. Die durch die Verkündigung des Evangeliums zusammengeführten Gläubigen bilden Gemeinden, in denen die Kirche Christi wirklich gegenwärtig ist. Das wird bei der Feier des eucharistischen Opfers in einzigartiger Weise offenkundig.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 21: AAS 95 (2003), 447-448.</ref> Die diesbezügliche Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist bekannt: »In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener ,,Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann. In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird. Denn ,,nichts anderes wirkt die Teilhabe an Leib und Blut Christi, als dass wir in das übergehen, was wir empfangen«.<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 26.</ref>

Aus der Eucharistiefeier, die »Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 5.</ref>  ist, entspringt auch das ganze missionarische Engagement der Kirche, das darauf ausgerichtet ist, durch das Zeugnis des Lebens anderen das im Glauben gelebte Geheimnis deutlich zu machen.

Unter all den Obliegenheiten des Hirtenamtes des Bischofs ist die Verpflichtung zur Feier der Eucharistie die dringendste und wichtigste. Zu einer seiner Hauptaufgaben gehört es auch, dafür zu sorgen, dass die Gläubigen die Möglichkeit haben, zum Tisch des Herrn zu kommen, vor allem am Sonntag, dem Tag, an dem, wie ich schon sagte, die Kirche als Gemeinschaft und Familie der Kinder Gottes rund um ihre Priester ihre besondere christliche Identität findet.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 28; Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 41-42: AAS 95 (2003), 460-461.</ref> Es kommt allerdings vor, dass manchenorts wegen des Priestermangels oder aus anderen schwerwiegenden und zeitlich fortdauernden Gründen nicht mit angemessener Regelmäßigkeit für die Eucharistiefeier gesorgt werden kann. Das erhöht die Verpflichtung des Bischofs als Vater der Familie der Gläubigen und Diener der Gnade, immer sorgfältig die tatsächlichen Bedürfnisse und den Ernst der jeweiligen Situation zu erkennen und richtig zu beurteilen. Es wird notwendigerweise eine kluge Verteilung der zum Presbyterium gehörenden Geistlichen vorgenommen werden müssen, so dass auch bei solchen oder ähnlichen Notlagen die Gemeinden nicht zu lange ohne Eucharistiefeier bleiben.

In Ermangelung der heiligen Messe wird der Bischof der Gemeinde, die gleichwohl immer in Erwartung der Fülle der Begegnung mit Christus in der Feier des Ostergeheimnisses verweilt, zumindest an den Sonn- und Festtagen die Teilnahme an einer Feier besonderer Art ermöglichen. In diesem Fall werden die Gläubigen bei sonntäglichen Gottesdiensten, wie sie in Abwesenheit eines Priesters unter dem Vorsitz verantwortlicher Leiter vorgesehen sind, die Gabe der Wortverkündigung und der heiligen Kommunion empfangen können.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus (et aliae), Interdikasterielle Instruktion Ecclesiae de mysterio zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester (15. August 1997), »Praktische Verfügungen« , Art. 7: AAS 89 (1997), 869-870.</ref>

Der Bischof als Verantwortlicher für die christliche Initiation

38 Unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Kirche und Welt erweist sich nicht nur in den jungen Kirchen, sondern auch in den Ländern, wo das Christentum seit Jahrhunderten fest etabliert ist, die Wiederherstellung der großartigen Tradition der christlichen Initiationsordnung, vor allem für die Erwachsenen, als von der Vorsehung bestimmt. Es war dies eine weise und nützliche Verfügung des Zweiten Vatikanischen Konzils,<ref> Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 64.</ref> das auf diese Weise vielen Männern und Frauen einen Weg zur Begegnung mit Christus und mit der Kirche anbieten wollte: Menschen, die, von der Gnade des Geistes ergriffen, begierig darauf sind, mit dem Mysterium des Heiles in dem für uns gestorbenen und auferstandenen Christus eine enge Beziehung einzugehen.

Durch den Weg der christlichen Initiation werden die Katechumenen allmählich und in Übereinstimmung mit dem Ursprung, der Entwicklung und dem Wachstum des natürlichen Lebens in die Kenntnis des Geheimnisses Christi und der Kirche eingeführt. Denn nachdem die Gläubigen in der Taufe wiedergeboren und zu Teilhabern am königlichen Priestertum geworden sind, werden sie durch die Firmung, deren ordentlicher Spender der Bischof ist, gestärkt und empfangen so eine besondere Ausgießung der Gaben des Geistes. Wenn sie dann an der Eucharistie teilnehmen, werden sie mit der Speise des ewigen Lebens genährt und voll in die Kirche, den mystischen Leib Christi, eingegliedert. Auf diese Weise sind die Gläubigen »aufgrund dieser Sakramente der Initiation ins Christentum imstande, immer mehr und immer besser die Schätze des göttlichen Lebens auszukosten und voranzuschreiten bis zur Erlangung der Vollkommenheit in der Liebe«.<ref> Paul VI., Apostolische Konstitution Divinae consortium naturae (15. August 1971): AAS 63 (1971), 657.</ref>

Unter Berücksichtigung der heutigen Lebensumstände sollen die Bischöfe die Bestimmungen des Ritus der Aufnahme Erwachsener in die Kirche umsetzen. Es soll ihnen deswegen ein Herzensanliegen sein, dass in jeder Diözese die notwendigen Strukturen und Mitarbeiter in der Seelsorge vorhanden sind, um die möglichst würdige und wirksame Umsetzung der Bestimmungen und der liturgischen, katechetischen und pastoralen Disziplin der christlichen Initation – den Erfordernissen unserer Zeit angepaßt – zu gewährleisten.

Wegen seines Charakters der allmählichen Einführung in das Geheimnis Christi und der Kirche – Geheimnis, das in jeder Teilkirche lebt und wirksam ist –, macht der Weg der christlichen Initiation das Zugegensein und den Dienst des Diözesanbischofs erforderlich. Das gilt besonders in der Hauptphase des Weges, das heißt bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie, die in der Regel in der Osternacht erfolgt. Aufgabe des Bischofs ist es auch, alles den Kirchengesetzen entsprechend zu regeln, was sich auf die christliche Initiation von Kindern und Jugendlichen bezieht. Er muss deren angemessene katechetische Vorbereitung und ihre stufenweise Einbindung in das Leben der Gemeinde festlegen. Er wird auch darüber wachen müssen, dass etwaige Abschnitte des Katechumenats oder der Wiederaufnahme und Bestärkung der Wege der christlichen Initiation oder der Annäherung an Gläubige, die sich von dem normalen Glaubensleben der Gemeinde entfernt haben, gemäß den Normen der Kirche und in vollem Einklang mit dem Leben der Pfarrgemeinden in der Diözese verlaufen.

Was schließlich das Sakrament der Firmung betrifft, soll der Bischof als der ordentliche Spender dafür sorgen, dass normalerweise er selber dieses Sakrament spendet. Seine Anwesenheit inmitten der Pfarrei, die wegen des Taufbeckens und des Altars für die Eucharistie der übliche Ausgangspunkt des christlichen Initiationsweges ist, erinnert eindrucksvoll an das Pfingstgeheimnis und erweist sich als äußerst nützlich, um die Bande der kirchlichen Gemeinschaft zwischen Hirt und Gläubigen zu festigen.

Die Verantwortung des Bischofs in der Bußdisziplin

39 Die Synodenväter haben in ihren Beiträgen der Bußdisziplin besondere Aufmerksamkeit gewidmet, indem sie deren Bedeutung herausstellten und daran erinnerten, dass die Bischöfe als Nachfolger der Apostel besondere Sorge auf die Pastoral und Disziplin des Bußsakramentes verwenden müssen. Mit Freude habe ich vernommen, dass alles, was meine tiefste Überzeugung ist, von ihnen bestätigt wurde, dass nämlich diesem Sakrament der Kirche, Quelle der Versöhnung, des Friedens und der Freude für uns alle, die wir das Erbarmen des Herrn und die Heilung der Wunden der Sünde nötig haben, die höchste pastorale Sorge gelten muss.

Als Hauptverantwortlichem für die Bußdisziplin in seiner Teilkirche obliegt dem Bischof zuallererst die Aufgabe der kerygmatischen Aufforderung zu Umkehr und Buße. Es ist seine Pflicht, mit evangeliumsgemäßer Freiheit das traurige und zerstörerische Vorhandensein der Sünde im Leben der Menschen und in der Geschichte der Gemeinden aufzuzeigen. Gleichzeitig muss er das unergründliche Geheimnis der Barmherzigkeit verkünden, die Gott uns im Kreuz und in der Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus und in der Ausgießung des Geistes zur Vergebung der Sünden geschenkt hat. Diese Botschaft, die auch Einladung zur Versöhnung und Hinweis auf die Hoffnung ist, bildet das Herzstück des Evangeliums. Es ist die erste Verkündigung der Apostel am Pfingsttag, eine Verkündigung, in der sich der Sinn der Heilsgnade selbst, die uns durch die Sakramente vermittelt wird, offenbart.

Der Bischof soll auf passende Weise ein vorbildlicher Diener des Bußsakramentes sein und es selbst häufig und pflichtgetreu in Anspruch nehmen. Unablässig soll er seine Priester dazu ermahnen, dem bei der Priesterweihe empfangenen Dienst der Versöhnung große Wertschätzung entgegenzubringen. Dabei wird er sie ermutigen, diesen Dienst mit Hochherzigkeit und Sinn für das Übernatürliche auszuüben, indem sie den Vater nachahmen, der diejenigen, die in das Vaterhaus zurückkehren, aufnimmt, wie auch Christus, den Guten Hirten, der das verirrte Schaf auf seinen Schultern trägt.<ref> Vgl. Propositio 18.</ref>

Die Verantwortung des Bischofs erstreckt sich auch auf die Pflicht, darauf zu achten, dass die Inanspruchnahme der Generalabsolution nicht außerhalb der geltenden Rechtsnormen erfolgt. In diesem Zusammenhang habe ich im Motu proprio Misericordia Dei unterstrichen, dass die Bischöfe die Pflicht haben, auf die geltende Regelung hinzuweisen, nach welcher das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution den einzigen ordentlichen Weg bilden, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden. Der Bischof soll es daher nicht versäumen, alle, denen von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, an ihre Pflicht zu erinnern, den Gläubigen die Gelegenheit zu bieten, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Misericordia Dei (7. April 2002), 1: AAS 94 (2002), 453-454.</ref>  Er soll auch nachprüfen lassen, ob den Gläubigen tatsächlich größtmögliche Erleichterungen gewährt werden, um beichten zu können. In Anbetracht der im Lichte der Tradition und des Lehramtes der Kirche bestehenden engen Verbindung zwischen dem Sakrament der Versöhnung und der Teilnahme an der Eucharistie ist es heute immer dringender geboten, das Gewissen der Gläubigen dahingehend zu bilden, dass sie auf würdige und fruchtbringende Weise am eucharistischen Mahl teilnehmen, indem sie es im Zustand der Gnade empfangen.<ref> Vgl. Propositio 18.</ref>

Außerdem ist es nützlich, daran zu erinnern, dass dem Bischofs ebenso die Aufgabe zukommt, auf angemessene Weise und durch eine umsichtige Auswahl geeigneter Priester – unter Beachtung der jüngsten Dokumente des Heiligen Stuhls<ref> Vgl. Rituale Romanum: De exorcismo (22. November 1998), Vatikanstadt, 1999; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Gebete um Heilung durch Gott (14. September 2000): L'Osservatore Romano, 24. November 2000, 6.</ref>  – die Disziplin festzusetzen, die die Leitung bei der Durchführung von Exorzismen und bei Heilungsgottesdiensten regelt.

Aufmerksamkeit gegenüber der Volksfrömmigkeit

40 Die Synodenväter haben die Bedeutung der Volksfrömmigkeit bei der Weitergabe und Entwicklung des Glaubens betont. Die Volksfrömmigkeit birgt nämlich, wie mein Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Paul VI., gesagt hat, sowohl Gott wie den Brüdern gegenüber wertvolle Reichtümer,<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 48: AAS 68 (1976), 37-38.</ref> so dass sie einen wahren Schatz an Spiritualität im Leben der christlichen Gemeinschaft darstellt.

Auch in unserer Zeit, in der ein verbreiteter Durst nach Spiritualität festzustellen ist, der vielfach Menschen dazu verleitet, sich religiösen Sekten oder anderen Formen eines nebulösen Spiritualismus anzuschließen, sind die Bischöfe dazu aufgerufen, den Wert und die Formen echter Volksfrömmigkeit zu erkennen und zu fördern.

Immer noch aktuell bleibt, was im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi geschrieben steht: »Allen, die der Herr zu Leitern kirchlicher Gemeinschaften bestellt hat, muss die pastorale Liebe die Normen des Verhaltens gegenüber dieser Haltung eingeben, die reich und gefährdet zugleich ist. Vor allem muss man einfühlsam genug sein, ihre innere Vielfalt und ihre unleugbaren Werte erkennen zu können, und bereit sein, dabei zu helfen, dass gefährliches Abweichen vom Weg vermieden wird. Gut ausgerichtet, kann die Volksfrömmigkeit mehr und mehr für viele Menschen zu einer echten Begegnung mit Gott in Jesus Christus werden«.<ref> Ebd.</ref> Es gilt also, diese Religiosität zu lenken, während man gegebenenfalls ihre Ausdrucksformen den Grundsätzen des christlichen Glaubens und Lebens entsprechend läutert. Die Gläubigen sollen durch die Volksfrömmigkeit zur persönlichen Begegnung mit Christus, zur Gemeinschaft mit der Seligen Jungfrau Maria und mit den Heiligen geführt werden; das geschieht insbesondere durch das Hören des Wortes Gottes, durch die Hinwendung zum Gebet, durch die Teilnahme am sakramentalen Leben, durch das Zeugnis der Liebe und durch Werke der Barmherzigkeit.<ref> Vgl. Propositio 19.</ref>

Für eine umfassendere Betrachtung dieses Themas und für eine Reihe wertvoller theologischer, pastoraler und spiritueller Empfehlungen möchte ich auf die von diesem Apostolischen Stuhl herausgegebenen Dokumente verweisen; dort wird daran erinnert, dass alle Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit in einer Diözese unter der Verantwortung des Bischofs stehen. Ihm steht es zu, sie zu ordnen, sie in ihrer Hilfsfunktion zu einem christlichen Leben für die Gläubigen zu fördern und sie dort, wo es notwendig ist, zu läutern und nach dem Evangelium zu formen.<ref> Vgl. Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie (17. Dezember 2001), 21: Vatikanstadt, 2002, 28- 29.</ref>

Die Förderung der Heiligkeit aller Gläubigen

41 Die Heiligkeit des Gottesvolkes, auf die der Heiligungsdienst des Bischofs hingeordnet ist, ist Geschenk der göttlichen Gnade und Ausdruck des Primats Gottes im Leben der Kirche. Der Bischof muss daher in seinem Dienst unermüdlich eine wahre und wirkliche Pastoral und Pädagogik der Heiligkeit fördern, um so das Programm zu verwirklichen, das im fünften Kapitel der Konstitution Lumen gentium über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit aufgestellt wurde.

Dieses Programm habe ich selbst zum Beginn des dritten Jahrtausends der ganzen Kirche als pastorale Priorität und als Ergebnis des großen Jubiläums der Menschwerdung vorgelegt.<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), Nr. 29-41: AAS 93 (2001), 285-295.</ref> Denn die Heiligkeit ist auch heute noch ein Zeichen der Zeit, ein Beweis für die Wahrheit des Christentums, die in seinen besten Vertretern aufleuchtet, sowohl in denen, die in großer Zahl zur Ehre der Altäre erhoben worden sind, als auch in jenen noch viel zahlreicheren, die im Verborgenen die Geschichte der Menschen durch die demütige und fröhliche Heiligkeit des Alltags befruchtet haben und weiterhin befruchten. In der Tat, auch in unserer Zeit fehlt es nicht an wertvollen Zeugnissen von Formen persönlicher und gemeinschaftlicher Heiligkeit, die für alle, auch für die jungen Generationen, ein Zeichen der Hoffnung sind.

Um also das Zeugnis der Heiligkeit hervortreten zu lassen, fordere ich meine Brüder im Bischofsamt auf, die Zeichen der Heiligkeit und der heroischen Tugenden, die auch heute noch auftreten, zu sammeln und bekanntzugeben, besonders dann, wenn sie gläubige Laien ihrer Diözesen, vor allem christliche Eheleute, betreffen. Wo es sich dann als opportun erweist, ermuntere ich sie, die diesbezüglichen Selig- oder Heiligsprechungsprozesse anzuregen und zu fördern.<ref> Vgl. Propositio 48.</ref> Das kann für alle ein Hoffnungszeichen sein und für den Weg des Gottesvolkes ein Grund zur Ermutigung, vor der Welt Zeugnis zu geben von der ständigen Gegenwart der Gnade im Gefüge der menschlichen Geschichte.

FÜNFTES KAPITEL: DAS PASTORALE LEITUNGSAMT DES BISCHOFS

»Ich habe euch ein Beispiel gegeben« (Joh 13, 15)

42 Das Zweite Vatikanische Konzil behandelt die Aufgabe der Bischöfe, die Familie Gottes zu leiten sowie die beständige und tägliche Sorge für die Herde des Herrn Jesus wahrzunehmen, und führt hierzu aus, dass sie sich bei der Ausübung ihres Vater- und Hirtenamtes inmitten ihrer Gläubigen wie jene verhalten sollen, »die dienen« . Dabei mögen sie immer das Beispiel des Guten Hirten vor Augen haben, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben für seine Schafe hinzugeben (vgl. Mt 20, 28; Mk 10, 45; Lk 22, 26-27; Joh 10, 11).<ref> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, 16.</ref>

Dieses Bild von Jesus, dem höchsten Vorbild des Bischofs, findet seinen beredten Ausdruck in der Fußwaschung, von der im Johannesevangelium berichtet wird: »Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung [...] Er stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goß er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war [...] Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: [...] Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe« (13, 1-15).

Betrachten wir nun Jesus, während er diese Handlung vollzieht, die uns als ein Schlüssel zum Verständnis seiner Person und seiner Sendung, seines Lebens und seines Todes erscheint. Betrachten wir auch Jesu Liebe, die sich in die Tat, in konkrete Handlungen umsetzt. Betrachten wir Jesus, der sich ganz und gar entäußerte und wie ein Sklave wurde (vgl. Phil 2, 7). Er, der Meister und Herr, dem der Vater alles in die Hand gegeben hatte, liebte uns bis zur Vollendung, bis zur völligen Auslieferung an die Menschen in der Hinnahme all dessen, was sie ihm später antun würden. Jene Handlung Jesu ist eine Handlung der Liebe, die er im Zusammenhang mit der Einsetzung der Eucharistie und in der klaren Perspektive seines Leidens und Sterbens vollbracht hat. Diese Geste offenbart den Sinn der Menschwerdung Gottes, aber noch mehr das Wesen Gottes selbst. Gott ist die Liebe. Deshalb hat er Knechtsgestalt angenommen: Gott stellt sich in den Dienst des Menschen, um den Menschen zur vollen Gemeinschaft mit ihm zu führen.

Wenn also der Meister und Herr diese Züge trägt, dann kann der Sinn des Amtes und des Wesens dessen, der wie die Zwölf dazu berufen ist, in die größte Vertrautheit mit Jesus einzutreten, nur in der völligen, bedingungslosen Verfügbarkeit gegenüber den anderen bestehen – sowohl gegenüber denen, die schon zum Schafstall gehören, als auch gegenüber jenen, die noch nicht dazu gehören (vgl. Joh 10, 16).

Die Vollmacht des Hirtendienstes des Bischofs

43 Der Bischof ist im Namen Christi als Hirte gesandt, um für einen bestimmten Teil des Gottesvolkes Sorge zu tragen. Durch das Evangelium und durch die Eucharistie soll er ihn als eine Realität der Gemeinschaft im Heiligen Geist wachsen lassen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, 11; Codex des kanonischen Rechtes, can. 369; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 177 § 1.</ref> Daraus leitet sich für den Bischof die Stellvertretung und Leitung der ihm anvertrauten Kirche ab, zusammen mit der erforderlichen Gewalt zur Ausübung seines im Sakrament empfangenen Hirtenamtes (munus pastorale) als Teilhabe an der Weihe und Sendung Christi.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 8; Codex des kanonischen Rechtes, can. 381 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 178.</ref>  Aufgrund dessen »leiten die Bischöfe die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen, eingedenk, dass der Größere werden soll wie der Geringere und der Vorsteher wie der Diener (vgl. Lk 22, 26-27)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27.</ref> Dieser Abschnitt aus dem Konzil ist eine wunderbare Zusammenfassung der katholischen Lehre hinsichtlich des pastoralen Leitungsamtes des Bischofs und wird auch im Ritus der Bischofsweihe wiedergegeben: »Das Bischofsamt ist nicht zur persönlichen Ehre gegeben, sondern es ist eine Aufgabe, und der Bischof ist nicht da, zu herrschen, sondern zu dienen – wie der Herr geboten hat«.<ref> Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Homilie.</ref> Hier liegt das Grundprinzip, wonach in der Kirche, gemäß der Aussage des heiligen Paulus, die Autorität den Aufbau des Gottesvolkes, nicht seine Zerstörung zum Ziel hat (vgl. 2 Kor 10, 8). Der Aufbau der Herde Christi in der Wahrheit und Heiligkeit verlangt seitens des Bischofs, wie in der Synodenaula wiederholt gesagt wurde, einige besondere Eigenschaften: unter anderem eine musterhafte Lebensführung, die Fähigkeit zu echten und konstruktiven Beziehungen zu den Menschen, das Geschick, Zusammenarbeit anzuregen und zu entfalten, Herzensgüte und Geduld, Verständnis und Mitleid für die seelischen und leiblichen Nöte sowie Nachsicht und Vergebungsbereitschaft. Es geht in der Tat darum, dem höchsten Vorbild, Jesus, dem Guten Hirten, auf bestmögliche Weise Ausdruck zu verleihen.

Die bischöfliche Gewalt ist eine echte Gewalt, die aber vom Licht des Guten Hirten erleuchtet und nach seinem Vorbild gestaltet ist. Sie wird im Namen Christi ausgeübt und ist eine »eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt, auch wenn ihr Vollzug letztlich von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt wird und im Hinblick auf den Nutzen der Kirche oder der Gläubigen mit bestimmten Grenzen umschrieben werden kann. Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, zu urteilen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27; vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 381 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 178.</ref>  Der Bischof ist also kraft des Amtes, das er erhalten hat, mit einer objektiven rechtlichen Gewalt ausgestattet, die dazu bestimmt ist, sich in Vollmachtsakten zu äußern, durch die das im Sakrament empfangene Leitungsamt (munus pastorale) ausgeübt wird.

Die Leitungsgewalt des Bischofs wird jedoch – daran gilt es auch in diesem Fall zu erinnern – pastoral wirksam sein, wenn sie sich auf moralisches Ansehen stützt, das auf der Heiligkeit seines Lebens beruht. Dies wird die Herzen bereit machen, das vom Bischof in seiner Kirche verkündete Evangelium ebenso anzunehmen wie die Vorschriften, die von ihm zum Wohl des Gottesvolkes erlassen wurden. Der heilige Ambrosius mahnte daher: »Bei den Priestern suche man nichts Ordinäres, nichts, was sie mit den Neigungen, Gewohnheiten und Bräuchen der ungehobelten Masse gemein hätten. Die priesterliche Würde erfordert eine Ernsthaftigkeit, die sich vom Getümmel fernhält, ein strenges Leben und einen vortrefflichen Ruf«.<ref> Ad Irenaeum, Epistulae, liber I, epistula VI: Sancti Ambrosii episcopi Mediolanensis opera, Vol. 19, Mailand-Rom, 1988, 66.</ref>

Die Ausübung der Autorität in der Kirche darf, eben weil es sich um eine aus dem Zeugnis hervorgegangene Vollmacht handelt, nicht als etwas Unpersönliches und Bürokratisches verstanden werden. In allem, was der Bischof sagt und tut, muss die Autorität des Wortes und Handelns Christi offenbar werden. Wenn dem Leben des Bischofs der Ruf der Heiligkeit, das heißt sein Zeugnis für Glaube, Hoffnung und Liebe, fehlte, könnte seine Leitung vom Gottesvolk kaum als Ausdruck der wirksamen Gegenwart Christi in seiner Kirche angenommen werden.

Die Bischöfe stehen nach dem Willen des Herrn im Dienste des apostolischen Charakters der Kirche und sind mit der Macht des Geistes des Vaters, der lenkt und leitet (Spiritus principalis), ausgestattet. Insofern sind sie nicht nur in der Autorität und in der heiligen Vollmacht Nachfolger der Apostel, sondern auch in der Gestalt des apostolischen Lebens, in den Leiden der Apostel für die Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums, in der liebevollen und barmherzigen Sorge für die ihnen anvertrauten Gläubigen, in der Verteidigung der Schwachen, in der beständigen Zuwendung zum Gottesvolk.

In der Synodenaula wurde darauf hingewiesen, dass sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Ausübung der Autorität in der Kirche oft als mühsam erwiesen hat. Auch wenn einige der ärgsten Schwierigkeiten überwunden scheinen, hält diese Situation noch immer an. Daher stellt sich die Frage, wie der notwendige Dienst der Autorität besser verstanden, angenommen und erfüllt werden könne. Hierzu ergibt sich eine erste Antwort aus dem Wesen der kirchlichen Autorität selbst: Sie ist Teilhabe an der Sendung Christi, die in Demut, Hingabe und Dienst auszuüben ist – und muss sich möglichst klar als solche erweisen.

Die Autorität des Bischofs kommt nicht in Äußerlichkeiten zur Geltung, sondern in der Vertiefung der theologischen, spirituellen und moralischen Bedeutung seines Amtes, das im Charisma der Apostolizität gründet. Was in der Synodenaula über die Ikone der Fußwaschung und die in diesem Zusammenhang festgestellte Verbindung zwischen der Gestalt des Dieners und jener des Hirten gesagt wurde, macht verständlich, dass das Bischofsamt dann wirklich eine Ehre ist, wenn es Dienst ist. Jeder Bischof muss daher auf sich selbst das Wort Jesu anwenden: »Ihr wißt, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen mißbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mk 10, 42-45). Dieser Worte des Herrn eingedenk, übt der Bischof mit dem Herzen des demütigen Dieners und liebevollen Hirten, der seine Herde führt, sein Hirtenamt aus, indem er die Ehre Gottes und das Heil der Seelen sucht (vgl. Lk 22, 26-27). Wenn sie so gelebt wird, ist die Autorität des Bischofs in der Tat eine in der Welt einzigartige Form der Leitung. Es wurde bereits auf den Text von Lumen gentium hingewiesen, wo es heißt, dass die Bischöfe die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi »durch Rat, Zuspruch, Beispiel«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27.</ref>  leiten. Es besteht kein Widerspruch zu den nachfolgenden Worten, wenn das Konzil hinzufügt, dass die Bischöfe zwar »durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht«<ref> Ebd.</ref> leiten. Es handelt sich in der Tat um eine »heilige Vollmacht«, die im moralischen Ansehen wurzelt, das den Bischof kraft der Heiligkeit seines Lebens auszeichnet. Diese begünstigt die Annahme seiner gesamten Leitungstätigkeit und macht sie wirksam.

Pastoraler Leitungsstil und diözesane Gemeinschaft

44 Die gelebte kirchliche Gemeinschaft soll den Bischof zu einem pastoralen Stil führen, der der Mitarbeit aller immer offener gegenübersteht. Es besteht eine Art Kreislauf zwischen dem, was der Bischof mit persönlicher Verantwortung zum Wohl der seiner Sorge anvertrauten Kirche zu entscheiden hat, und dem Beitrag, den die Gläubigen ihm mittels der beratenden Organe wie Diözesansynode, Priesterrat, Bischofsrat und Pastoralrat leisten können.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, cann. 204 § 1; 208; 212 §§ 2.3; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, cann. 7 § 1; 11; 15 §§ 2.3.</ref>

Die Synodenväter haben es nicht versäumt, auf die Modalitäten der Ausübung der bischöflichen Leitung Bezug zu nehmen, durch welche die pastorale Tätigkeit in der Diözese organisiert wird.<ref> Vgl. Propositio 35.</ref> Denn die Teilkirche steht nicht nur in Beziehung zum dreifachen Amt des Bischofs (munus episcopale), sondern auch zum dreifachen – prophetischen, priesterlichen und königlichen – Amt des ganzen Gottesvolkes. Alle Gläubigen haben kraft der Taufe in der ihnen eigenen Weise an dem dreifachen munus Christi Anteil. Ihre wirkliche Gleichheit in der Würde und in der Tätigkeit sorgt dafür, dass alle zur Mitwirkung am Aufbau des Leibes Christi berufen sind, folglich zur Verwirklichung der Sendung, die Gott der Kirche in der Welt anvertraut hat – jeder gemäß seiner eigenen Stellung und seiner eigenen Aufgaben.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 32; Codex des kanonischen Rechtes, cann. 204 § 1; 208.</ref>

Jede Art von Differenzierung zwischen den Gläubigen aufgrund der verschiedenen Charismen, Aufgaben und Ämter ist auf den Dienst an den anderen Gliedern des Gottesvolkes hingeordnet. Die ontologisch-funktionale Differenzierung, die den Bischof aufgrund der Fülle des empfangenen Weihesakraments den anderen Gläubigen »gegenüber« stellt, ist ein Sein für die anderen Gläubigen, das ihn nicht aus seinem Sein mit ihnen entwurzelt.

Die Kirche ist eine organische Gemeinschaft, die sich in der Koordinierung der verschiedenen Charismen, Ämter und Dienste im Hinblick auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles, des Heils nämlich, verwirklicht. Der Bischof ist für die Verwirklichung dieser Einheit in der Verschiedenheit verantwortlich. Dabei muss er, wie bei der Synodenversammlung gesagt wurde, das Zusammenwirken der verschiedenen Beteiligten so fördern, dass es möglich ist, miteinander den gemeinsamen Weg des Glaubens und der Sendung zu beschreiten.<ref> Vgl. Propositio 35.</ref> Dazu muss man allerdings hinzufügen, dass sich das Dienstamt des Bischofs keineswegs auf die Aufgabe eines einfachen Moderators beschränken lässt. Das munus episcopale schließt seiner Natur nach das klare und unmißverständliche Recht und die Pflicht zur Leitung ein, worin auch die Komponente der Rechtsprechung inbegriffen ist. Die Bischöfe sind öffentliche Zeugen, und ihre potestas testandi fidem erreicht in der potestas iudicandi ihre Fülle: Der Bischof ist nicht nur berufen, den Glauben zu bezeugen, sondern auch die Glaubensäußerungen der seiner Hirtensorge anvertrauten Gläubigen zu beurteilen und zu maßregeln. In der Erfüllung dieser seiner Aufgabe wird er alles mögliche unternehmen, um den Konsens seiner Gläubigen herbeizufühen, aber schließlich muss er wissen, die Verantwortung für seine Entscheidungen auf sich zu nehmen, die seinem pastoralen Gewissen notwendig erscheinen – besorgt vor allem um das künftige Gericht Gottes.

Die kirchliche Gemeinschaft in ihrer organischen Verfaßtheit ruft den Bischof zur persönlichen Verantwortung, setzt aber auch die Beteiligung aller Kategorien von Gläubigen voraus, insofern sie für das Wohl der Teilkirche, die sie selbst bilden, mitverantwortlich sind. Was die Authentizität dieser organischen Gemeinschaft garantiert, ist das Wirken des Heiligen Geistes, der sowohl in der persönlichen Verantwortung des Bischofs als auch in der Beteiligung der Gläubigen an dieser Verantwortung am Werk ist. Weil der Heilige Geist die Gleichheit aller Gläubigen durch die Taufe, wie auch die Verschiedenheit jedes einzelnen in Charismen und Ämtern begründet, ist er in der Lage, die Gemeinschaft wirksam zu verwirklichen. Auf der Grundlage dieser Prinzipien werden die Diözesansynoden, deren kirchenrechtliche Gestalt in den Kanones 460-468 des Codex des kanonischen Rechtes festgelegt und dann von der Interdikasteriellen Instruktion vom 19. März 1997 präzisiert worden ist,<ref> Vgl. AAS 89 (1997), 706-727. Eine entsprechende Ausführung muss für die Eparchialkonvente gemacht werden, wovon die Kanones 235-242 des Gesetzbuchs für die katholischen Ostkirchen handeln.</ref>  geleitet. An den Inhalt dieser Normen müssen sich auch die anderen diözesanen Versammlungen halten, denen der Bischof vorsteht, wobei er niemals von seiner spezifischen Verantwortung absehen darf. Wenn in der Taufe jeder Christ durch die Ausgießung des Heiligen Geistes die Liebe Gottes empfängt, so empfängt der Bischof – wie die Synodenversammlung zu Recht erwähnt hat – durch das Weihesakrament in seinem Herzen die Hirtenliebe Christi. Diese Hirtenliebe ist auf die Schaffung der Gemeinschaft ausgerichtet.<ref> Vgl. Propositio 35.</ref>  Ehe der Bischof diese gemeinschaftsorientierte Liebe in konkretes Handeln umsetzt, muss er sich bemühen, durch ein echtes geistliches Leben diese Liebe im eigenen Herzen und im Herzen der Kirche gegenwärtig werden zu lassen.

Wenn die Gemeinschaft das Wesen der Kirche ausdrückt, dann ist es normal, dass die Spiritualität der Gemeinschaft dahin strebt, sich sowohl im persönlichen wie im gemeinschaftlichen Bereich zu äußern, indem sie immer neue Formen der Teilnahme und Mitverantwortung in den verschiedenen Kategorien von Gläubigen weckt. Der Bischof wird sich daher bemühen, in seiner Teilkirche Strukturen der Gemeinschaft und der Teilnahme anzuregen, die es erlauben, auf den Heiligen Geist, der in den Gläubigen lebt und spricht, zu hören, um sie dann anzuleiten, alles in die Tat umzusetzen, wozu derselbe Heilige Geist im Hinblick auf das wahre Wohl der Kirche rät.

Die Gliederungen der Teilkirche

45 Viele Beiträge der Synodenväter haben auf diverse Bereiche und Momente des Lebens der Diözese Bezug genommen. So wurde gebührende Aufmerksamkeit der Diözesankurie gewidmet, einer Struktur, derer sich der Bischof bedient, um seine Hirtenliebe in ihren verschiedenen Aspekten zum Ausdruck zu bringen.<ref> Vgl. Propositio 36.</ref>  Insbesondere wurde auf die Notwendigkeit verwiesen, die wirtschaftliche Verwaltung der Diözese Personen anzuvertrauen, die nicht nur rechtschaffen, sondern auch kompetent sind, so dass diese als Vorbild an Transparenz für alle anderen entsprechenden kirchlichen Einrichtungen hingestellt werden kann. Wenn in der Diözese eine Spiritualität der Gemeinschaft herrscht, wird man nicht umhin können, den armen Pfarreien und Gemeinden besondere Beachtung zu schenken und außerdem das mögliche zu tun, um einen Teil der wirtschaftlichen Mittel den bedürftigsten Kirchen, besonders in den Missions- und Migrationsländern, bereitzustellen.<ref> Vgl. Propositio 39.</ref>

Die Synodenväter hielten es dennoch für angezeigt, ihre Aufmerksamkeit auf die Pfarrgemeinde zu lenken, und erinnerten daran, dass der Bischof der Hauptverantwortliche für diese Gemeinschaft ist, die unter allen in einer Diözese vorhandenen Gemeinschaften hervorragt: Ihr muss er daher vor allem seine Sorge zuwenden.<ref> Vgl. Propositio 37.</ref>  Die Pfarrgemeinde bleibt in der Tat – wie mehrmals festgehalten wurde – noch immer der wesentliche Kern im täglichen Leben der Diözese.

Der Pastoralbesuch

46 Gerade unter dieser Blickrichtung tritt die Bedeutung des Pastoralbesuchs hervor, der eine echte Gnadenzeit und einen besonderen, ja einzigartigen Augenblick hinsichtlich der Begegnung und des Dialogs des Bischofs mit den Gläubigen darstellt.<ref> Vgl. ebd.</ref>  Bischof Bartolomeu dos Martires, den ich selbst wenige Tage nach Abschluß der Synode seliggesprochen habe, definiert in seinem, vom heiligen Karl Borromäus sehr geschätzten, klassischen Werk Stimulus Pastorum den Pastoralbesuch quasi anima episcopalis regiminis und beschreibt ihn als eine Ausweitung der geistlichen Gegenwart des Bischofs unter seinen Gläubigen.<ref> Vgl. Stimulus Pastorum, Romae, 1572, 52v.</ref>

Bei seinem Pastoralbesuch in der Pfarrei soll der Bischof die Prüfung der Verwaltungsfragen anderen Beauftragten überlassen und der Begegnung mit den Menschen, angefangen beim Pfarrer und den anderen Priestern, Vorrang geben. Das ist die Gelegenheit, bei der er für sein Volk den Dienst des Wortes, der Heiligung und der pastoralen Leitung aus nächster Nähe ausübt, weil er mit den Ängsten und Sorgen, den Freuden und Erwartungen der Menschen in unmittelbare Berührung kommt und an alle eine Einladung zur Hoffnung richten kann. Hier vor allem hat der Bischof den direkten Kontakt mit den ärmsten Menschen, mit den Alten und Kranken. Wenn der Pastoralbesuch so durchgeführt wird, erweist er sich als das, was er ist: ein Zeichen der Gegenwart des Herrn, der sein Volk in Frieden besucht.

Der Bischof mit seinem Presbyterium

47 Nicht ohne Grund bezeichnet das Konzilsdekret Christus Dominus in seiner Beschreibung der Teilkirche diese als Gemeinschaft von Gläubigen, die der Hirtensorge des Bischofs »cum co- operatione presbyterii«<ref> Nr. 11.</ref> anvertraut ist. In der Tat besteht zwischen dem Bischof und den Priestern eine communio sacramentalis – kraft des Amtspriestertums oder hierarchischen Priestertums, das Teilhabe an dem einen Priestertum Christi ist, und, wenn auch in unterschiedlichem Grad, kraft des einen kirchlichen Weiheamtes und der einen apostolischen Sendung.

Die Priester – unter ihnen besonders die Pfarrer – sind also die engsten Mitarbeiter am Dienstamt des Bischofs. Die Synodenväter haben die Empfehlungen und Aufforderungen bezüglich der besonderen Eigenart der Beziehungen zwischen dem Bischof und seinen Priestern, die schon in den Konzilsdokumenten stehen und zuletzt in dem Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis<ref> Vgl. Nr. 16-17: AAS 84 (1992), 681-684.</ref> wieder aufgenommen worden sind, erneut ausgesprochen. Der Bischof soll immer versuchen, mit seinen Priestern als Vater und Bruder umzugehen, der sie liebt, sie anhört, sie annimmt, sie zurechtweist, sie tröstet, ihre Mitarbeit sucht und sich, soweit es ihm möglich ist, für ihr menschliches, geistliches, priesterlich- dienstliches und wirtschaftliches Wohl einsetzt.<ref> Vgl. Propositio 40.</ref>

Die besondere Zuneigung des Bischofs seinen Priestern gegenüber äußert sich als väterliche und brüderliche Begleitung in den wesentlichen Abschnitten ihres Lebens im Priesteramt, angefangen bei den ersten Schritten im pastoralen Dienst. Grundlegend bleibt die ständige Weiterbildung der Priester, die für alle gleichsam eine »Berufung in der Berufung« darstellt, weil sie in ihren verschiedenen und einander ergänzenden Dimensionen dem Priester helfen will, in Wesen und Handeln Priester nach der Art Jesu zu sein.

Zu den Hauptpflichten jedes Diözesanbischofs gehört die geistliche Sorge für sein Presbyterium: »Die Geste des Priesters, der am Tag seiner Weihe seine Hände in die des Bischofs legt und diesem ,,Ehrfurcht und Gehorsam eines Sohnes bekundet, könnte auf den ersten Blick als einseitige Geste erscheinen. In Wirklichkeit aber verpflichtet sie beide: den Priester und den Bischof. Der junge Priester trifft die Entscheidung, sich dem Bischof anzuvertrauen, und der Bischof seinerseits verpflichtet sich, diese Hände zu behüten« .<ref> Johannes Paul II., Ansprache an eine Gruppe neu ernannter Bischöfe (23. September 2002), 4: L'Osservatore Romano, 23.-24. September 2002, 5.</ref> Bei zwei weiteren Anlässen, so möchte ich hinzufügen, kann sich der Priester von seinem Bischof mit Recht ein Zeichen besonderer Nähe erwarten. Der erste Anlaß ist gegeben, wenn ihm eine pastorale Aufgabe übertragen wird: Das kann, wie im Fall eines kurz zuvor geweihten Priesters, zum ersten Mal sein, oder es kann sich um einen Amtswechsel oder um die Übertragung eines neuen pastoralen Auftrags handeln. Die Übertragung einer pastoralen Aufgabe ist für den Bischof selbst ein bedeutsamer Anlaß zu väterlicher Verantwortung gegenüber einem seiner Priester. Der heilige Hieronymus findet Worte, die sich treffend auf diese Situation anwenden lassen: »Dieselbe Beziehung, die zwischen Aaron und seinen Söhnen bestand, besteht, wie wir wissen, zwischen dem Bischof und seinen Priestern: ein Herr, ein Tempel, eins sei auch das Dienstamt. [...] Ist die Ehre eines Vaters nicht der weise Sohn? Der Bischof freue sich über sein Urteil, wenn er solche Priester für Christus ausgewählt hat«.<ref> Ad Nepotianum presbyterum, epistula LII, 7: PL 22, 534.</ref> Der andere Anlaß ist gegeben, wenn ein Priester wegen seines fortgeschrittenen Alters die tatsächliche pastorale Leitung einer Gemeinde oder den Auftrag der direkten Verantwortung niederlegt. Unter diesen und ähnlichen Umständen ist der Bischof verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dem Priester die Dankbarkeit der Teilkirche für den bis dahin geleisteten apostolischen Einsatz zuteil wird, und er auf die Besonderheit seiner neuen Stellung innerhalb des Presbyteriums der Diözese hingewiesen wird: Er behält nämlich die Möglichkeit, ja sieht sie sogar erhöht, durch das beispielhafte Zeugnis eines ausdauernderen Gebetes und die großzügige Bereitstellung der erworbenen Erfahrung für die jüngeren Mitbrüder zum Aufbau der Kirche beizutragen. Die Priester schließlich, die sich wegen einer schweren Krankheit oder einer anderen Form anhaltender Schwäche in derselben Lage befinden, soll der Bischof seine brüderliche Nähe spüren lassen und ihnen helfen, die Überzeugung lebendig zu halten, »dass sie weiterhin aktive Glieder für den Aufbau der Kirche sind, auch und gerade kraft ihres Einswerdens mit Jesus Christus als dem Leidenden und mit so vielen anderen Brüdern und Schwestern, die in der Kirche am Leidensweg des Herrn teilhaben«.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), 77: AAS 84 (1992), 794-795.</ref>

Der Bischof soll auch mit dem Gebet und mit tatkräftigem Erbarmen jenen Priestern nachgehen, die aus irgendeinem Grund ihre Berufung und ihre Treue zum Ruf des Herrn in Frage gestellt und ihre Verpflichtungen irgendwie vernachlässigt haben.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 16.</ref>

Schließlich soll er nicht versäumen, die Zeichen heroischer Tugenden zu prüfen, die eventuell unter den Diözesanpriestern zu erkennen gewesen waren; und falls er es für angebracht hält, soll er deren öffentliche Anerkennung anstreben, indem er die notwendigen Schritte zur Einleitung des Heiligsprechungsverfahrens veranlaßt.<ref> Vgl. Propositio 40.</ref>

Die Ausbildung der Priesteramtskandidaten

48 In Vertiefung des Themas des priesterlichen Dienstes wandten die Synodenväter ihre Aufmerksamkeit im besonderen der Ausbildung der Kandidaten für das Priesteramt zu, die im Seminar erfolgt.<ref> Vgl. Propositio 41.</ref> Die Ausbildung der Priester stellt mit allem, was sie an Gebet, Hingabe und Mühe einschließt, für den Bischof eine Sorge von erstrangiger Bedeutung dar. Wohl wissend, dass das Seminar eines der kostbarsten Güter der Diözese ist, haben die Synodenväter diesen Punkt eingehend behandelt und die unbestreitbare Notwendigkeit des Priesterseminars betont, ohne jedoch die Bedeutung zu vernachlässigen, die auch das Kleine Seminar für die Weitergabe der christlichen Werte im Hinblick auf die Nachfolge Christi hat.<ref> Vgl. ebd.; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), 60-63: AAS 84 (1992), 762-769.</ref>

Jeder Bischof soll daher seine Bemühung vor allem dadurch zum Ausdruck bringen, dass er die Erzieher der künftigen Priester mit größter Sorgfalt auswählt und die zweckmäßigsten und geeignetsten Formen für deren notwendige Ausbildung festlegt, damit sie den Dienst in einem für das Leben der christlichen Gemeinschaft so grundlegenden Bereich erfüllen können. Der Bischof soll nicht versäumen, das Seminar häufig zu besuchen, auch dann, wenn besondere Umstände ihn zusammen mit anderen Bischöfen zu der in nicht wenigen Fällen notwendigen und sogar vorzuziehenden Entscheidung für ein interdiözesanes Priesterseminar veranlaßt haben.<ref> Vgl. ebd., 65: AAS 84 (1992), 770-772.</ref> Das persönliche und tiefergehende Kennenlernen der Priesteramtskandidaten in der eigenen Teilkirche ist ein Element, auf das der Bischof nicht verzichten kann. Aufgrund dieser direkten Kontakte wird er sich darum bemühen zu gewährleisten, dass in den Seminaren reife und ausgeglichene Persönlichkeiten herangebildet werden, die zur Herstellung solider menschlicher und seelsorglicher Beziehungen fähig, theologisch fundiert und im geistlichen Leben gefestigt sind und die die Kirche lieben. Desgleichen wird er sich darum bemühen, Initiativen wirtschaftlicher Art zur Unterstützung und Hilfe der jungen Kandidaten zum Priesteramt anzuregen und zu fördern.

Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Kraft, die Berufungen weckt und formt, vor allem das Gebet ist. Die Priesterberufe brauchen ein weitverzweigtes Netz von Fürsprechern beim »Herrn der Ernte« . Je mehr man das Problem der Berufung zum Gegenstand des Gebetes macht, um so mehr wird das Gebet dem Erwählten helfen, die Stimme dessen, der ihn ruft, zu hören. Wenn der Zeitpunkt der Erteilung der heiligen Weihen gekommen ist, wird jeder Bischof das erforderliche Skrutinium vornehmen.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1051.</ref>  In diesem Zusammenhang wird der Bischof, der sich seiner großen Verantwortung bei der Spendung der Priesterweihe bewußt ist, Kandidaten, die aus einer anderen Diözese oder aus einem Ordensinstitut kommen, erst nach einer sorgfältigen Ermittlung und einer umfangreichen Konsultation nach Maßgabe des Rechts in seine Diözese aufnehmen.<ref> Vgl. Propositio 41.</ref>

Der Bischof und die Ständigen Diakone

49 Als Spender der heiligen Weihen haben die Bischöfe auch direkte Verantwortung für die Ständigen Diakone, welche die Synodenversammlung als echte Gabe Gottes zur Verkündigung des Evangeliums, zur Unterweisung der christlichen Gemeinden und zur Förderung des Dienstes der Liebe in der Familie Gottes anerkennt.<ref> Vgl. Propositio 42.</ref>

Jeder Bischof soll sich deshalb sehr um diese Berufungen kümmern, für deren Beurteilung und Ausbildung er der Letztverantwortliche ist. Auch wenn er diese Verantwortung normalerweise durch Mitarbeiter seines engsten Vertrauens, die den Anordnungen des Heiligen Stuhls entsprechend zu handeln verpflichtet sind, wahrnehmen muss,<ref> Vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Ratio fundamentalis institutionis Diaconorum permanentium (22. Februar 1998): AAS 90 (1998), 843-879; Kongregation für den Klerus, Directorium pro ministerio et vita Diaconorum permanentium (22. Februar 1998): AAS 90 (1998), 879-926.</ref>  wird er im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen, alle, die sich auf den Diakonat vorbereiten, persönlich kennenzulernen. Nachdem er sie geweiht hat, wird er weiterhin für sie ein echter Vater sein: Er wird sie zur Liebe zum Leib und Blut Christi, dessen Diener sie sind, und zur Liebe zur heiligen Kirche ermutigen, der zu dienen sie auf sich genommen haben; die Verheirateten unter ihnen wird er zu einem vorbildlichen Familienleben ermahnen.

Die Sorge des Bischofs gegenüber den Personen des geweihten Lebens

50 Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Vita consecrata hat bereits die Bedeutung des gottgeweihten Lebens im Dienst des Bischofs herausgestellt. Unter Hinweis auf jenen Text haben die Väter während dieser letzten Synode daran erinnert, dass in der Gemeinschaft der Kirche der Bischof die besondere Berufung und Sendung des geweihten Lebens, das ständig und fest zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche gehört,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 44.</ref>  schätzen und fördern müsse. Auch in der Teilkirche erfüllt das geweihte Leben die Aufgabe einer beispielhaften charismatischen Präsenz und Sendung. Der Bischof wird daher aufmerksam prüfen, ob es unter den Personen des geweihten Lebens, die in der Diözese gelebt haben, Zeugnisse heroischer Tugendübung gegeben hat, und wird, wenn er es für angebracht hält, den Heiligsprechungsprozeß in Gang bringen.

In seiner aufmerksamen Sorge gegenüber allen Formen des gottgeweihten Lebens – einer Fürsorge, die sich in Ermutigung und Wachsamkeit äußert – soll der Bischof dem kontemplativen Leben einen besonderen Platz einräumen. Die Ordensleute sollen ihrerseits die pastoralen Weisungen des Bischofs von Herzen annehmen und so eine volle Gemeinschaft mit dem Leben und der Sendung der Teilkirche, in der sie wohnen, anstreben. Denn der Bischof ist der Verantwortliche für die apostolische Arbeit in der Diözese: Mit ihm müssen die Ordensmänner und Ordensfrauen zusammenarbeiten, um durch ihre Anwesenheit und ihren Dienst die kirchliche Gemeinschaft zu bereichern. In diesem Zusammenhang muss das Dokument Mutuae relationes und das, was das geltende Recht besagt, berücksichtigt werden. Der besonderen Aufmerksamkeit wurden die Institute diözesanen Rechts empfohlen, vor allem jene, die sich in ernsten Schwierigkeiten befinden: Ihnen soll der Bischof seine besondere väterliche Sorge zuwenden. Im Zuge der Approbation neuer, in seiner Diözese entstandener Institute wird der Bischof schließlich darauf achten, den Weisungen und Vorschriften des Apostolischen Schreibens Vita consecrata und den anderen Instruktionen der zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls entsprechend vorzugehen.<ref> Vgl. Propositio 43.</ref>

Die Laien in der Hirtensorge des Bischofs

51 An den Laien, die die Mehrheit des Gottesvolkes bilden, soll die missionarische Kraft der Taufe sichtbar werden. Dazu brauchen sie die Unterstützung, die Ermutigung und die Hilfe ihrer Bischöfe, die sie dazu anleiten sollen, ihr Apostolat gemäß ihrem eigenen Weltcharakter zu gestalten, während sie aus der Gnade der Sakramente der Taufe und der Firmung schöpfen. Es wird deshalb nötig sein, spezifische Ausbildungsgänge zu fördern, welche die Laien dazu befähigen, in der Kirche Verantwortung zu übernehmen: nicht nur in den verschiedenen Diensten zur Belebung von Liturgie, Katechese, katholischem Religionsunterricht an den Schulen usw., sondern darüber hinaus innerhalb der Strukturen der Mitwirkung auf Diözesan- und Pfarrebene.

Aufgabe vor allem der Laien – und dazu sollen sie ermutigt werden – ist die Evangelisierung der Kulturen, die Einbringung der Kraft des Evangeliums in den Bereich der Familie, der Arbeit, der Massenmedien, des Sportes, der Freizeit und die christliche Belebung der Gesellschaftsordnung und des öffentlichen Lebens auf nationaler wie internationaler Ebene. Aufgrund ihrer Stellung in der Welt sind die Laienchristen tatsächlich in der Lage, einen großen Einfluß auf ihre Umgebung auszuüben, indem sie vielen Männern und Frauen die Perspektiven und die Horizonte der Hoffnung erweitern. Andererseits sind die Laien, so sehr sie auch aufgrund ihrer Lebensentscheidung mit den zeitlichen Dingen beschäftigt sind, dazu aufgerufen, entsprechend ihrem besonderen Weltcharakter in den jeweiligen Arbeitsbereichen über ihre Hoffnung Rechenschaft abzulegen (vgl. 1 Petr 3, 15), während sie im Herzen »die Erwartung der neuen Erde«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 39.</ref>  hegen. Die Bischöfe ihrerseits sollen den Laien nahe sein, die, weil sie mitten in die komplexen Probleme der Welt einbezogen sind, der Verwirrung und dem Leid besonders ausgesetzt sind. Die Bischöfe sollen sie unterstützen, damit sie Christen mit starker Hoffnung sind, fest verankert in der Gewißheit, dass der Herr immer an der Seite seiner Kinder ist.

Beachtung verdient auch die Bedeutung des in Vereinigungen ausgeübten Laienapostolates; das gilt sowohl für die bewährten traditionellen Formen als auch für das von den neuen kirchlichen Bewegungen getragene Laienapostolat. Alle diese Vereinigungen bereichern die Kirche, bedürfen aber immer des Unterscheidungsvermögens, das zum Dienst des Bischofs gehört. Denn seiner Hirtenaufgabe obliegt es, die Komplementarität zwischen Bewegungen unterschiedlicher Inspiration zu fördern, indem er über ihre Entwicklung und über die theologische und spirituelle Ausbildung ihrer Leiter, sowie über die Einbeziehung der neuen Gruppen in die Diözesangemeinschaft und in die Pfarreien, von denen sie sich nicht lösen dürfen, wacht.<ref> Vgl. Propositiones 45; 46; 49.</ref> Der Bischof wird auch zu erreichen versuchen, dass die Laienverbände die Berufungspastoral in der Diözese unterstützen, indem sie die Annahme aller Berufungen, besonders jener zum Weiheamt, zum gottgeweihten Leben und zum Einsatz in der Mission, fördern.<ref> Vgl. Propositio 22.</ref>

Die Sorge des Bischofs gegenüber der Familie

52 Viele Synodenväter haben ihre Stimme zugunsten der Familie erhoben, die mit Recht »Hauskirche« heißt, ein für die Gegenwart des Herrn Jesus offener Raum und ein Heiligtum des Lebens. Die auf das Sakrament der Ehe gegründete Familie erscheint als Gemeinschaft von vorrangiger Bedeutung, da in ihr sowohl die Eheleute wie ihre Kinder ihre Berufung leben und sich in der Liebe vervollkommnen. Die christliche Familie – so wurde bei der Synode unterstrichen – ist eine apostolische Gemeinschaft, die für die Mission offen ist.<ref> Vgl. Propositio 51.</ref> Es ist Aufgabe des Bischofs, auf die Unterstützung und Verteidigung der Werte der Ehe in der Gesellschaft durch gerechte politische und ökonomische Entscheidungen hinzuwirken. Innerhalb der christlichen Gemeinschaft soll er es ferner nicht versäumen, die Ehevorbereitung der Verlobten, die Begleitung junger Ehepaare und die Bildung von Familien-Gruppen zu fördern, die die Familienpastoral unterstützen und nicht zuletzt in der Lage sein sollen, Familien in Schwierigkeiten zu helfen. Die Nähe des Bischofs zu den Eheleuten und ihren Kindern, auch durch verschiedene diözesane Initiativen, wird für sie verläßliche Ermutigung sein.

Bezüglich der Erziehungsaufgaben der Familie haben die Synodenväter den Wert der katholischen Schulen für die ganzheitliche Bildung der jungen Generationen, für die Inkulturation des Glaubens und für den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen einhellig anerkannt. Deshalb muss der Bischof die Arbeit der katholischen Schulen unterstützen und fördern; dort, wo es noch keine solchen Schulen gibt, soll er sich für ihr Entstehen einsetzen und, soweit es ihm möglich ist, die zivilen Institutionen auffordern, eine tatsächliche Freiheit des Unterrichts im Land zu fördern.<ref> Vgl. ebd.</ref>

Die Jugendlichen, eine pastorale Priorität in Hinblick auf die Zukunft

53 Der Bischof, Hirt und Vater der christlichen Gemeinde, soll sich besonders um die Evangelisierung und geistliche Begleitung der Jugendlichen kümmern. Der Dienst an der Hoffnung kommt nicht umhin, zusammen mit jenen, denen die Zukunft anvertraut ist – eben mit den Jugendlichen – die Zukunft aufzubauen. Als »Wächter des Morgens« erwarten die Jugendlichen den Anbruch einer neuen Welt. Die Erfahrung der Weltjugendtage, welche die Bischöfe aus tiefstem Herzen fördern, zeigt uns, wie groß die Zahl der Jugendlichen ist, die bereit sind, sich in der Kirche und in der Welt zu engagieren, wenn ihnen eine echte Verantwortung angetragen und eine unverkürzte christliche Bildung angeboten wird. Indem ich mich zum Sprachrohr der Synodenväter mache, richte ich aus dieser Sicht an die Personen des gottgeweihten Lebens in den vielen Instituten, die im Bereich der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen tätig sind, einen besonderen Aufruf, sich von den augenblicklichen Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen und ihre verdienstvolle Arbeit nicht aufzugeben, sondern sie zu intensivieren und dabei ihre Anstrengungen immer besser einzubringen.<ref> Vgl. Propositio 53.</ref>

Die jungen Menschen sollen durch eine persönliche Beziehung zu ihren Hirten und Erziehern Anstoß zum Wachsen in der Liebe erhalten und zu einem großherzigen Leben erzogen werden, das sie bereitwillig in den Dienst der anderen, vor allem der Notleidenden und Kranken, stellen. Auf diese Weise wird es leichter sein, mit ihnen auch über die anderen christlichen Tugenden, besonders die Keuschheit, zu sprechen. Auf diesem Weg werden sie begreifen lernen, dass ein Leben »schön« ist, wenn es nach dem Vorbild Jesu hingegeben wird. So werden sie sowohl im Hinblick auf die Ehe, auf das Weiheamt oder auf das gottgeweihte Leben verantwortungsvolle, endgültige Entscheidungen treffen können.

Die Berufungspastoral

54 Entscheidend ist die Förderung einer Kultur der Berufungen im weitesten Sinne: Man muss nämlich die jungen Menschen zur Entdeckung des Lebens selbst als Berufung heranführen. Es wird also nötig sein, dass der Bischof an die Familien, an die Pfarrgemeinden und an die Schulen appelliert, damit sie den Kindern und Jugendlichen helfen, Gottes Plan für ihr Leben zu entdecken und den Ruf zur Heiligkeit, den Gott ursprünglich an jeden richtet, anzunehmen.<ref> Vgl. Propositio 52.</ref>

Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang, in der gesamten Seelsorgstätigkeit die Dimension der Berufung zu stärken. Deshalb hat der Bischof dafür zu sorgen, dass die Jugendseelsorge und Berufungspastoral Priestern und Personen übertragen wird, die fähig sind, durch Begeisterung und durch das Beispiel ihres Lebens die Liebe zu Jesus weiterzugeben. Ihre Aufgabe wird es sein, die Jugendlichen durch eine persönliche Beziehung der Freundschaft und, wenn möglich, der geistlichen Führung zu begleiten, um ihnen zu helfen, die Zeichen der Berufung durch Gott zu erfassen und in der Gnade der Sakramente und im Gebetsleben, das vor allem ein Hören auf Gott ist, der spricht, die Kraft zu suchen, ihnen zu entsprechen. Das sind einige der Bereiche, in denen jeder Bischof sein Leitungsamt ausübt und gegenüber dem ihm anvertrauten Teil des Gottesvolkes die pastorale Liebe, die ihn beseelt, zum Ausdruck bringt. Eine der charakteristischen Formen dieser Liebe ist das Mitfühlen nach dem Vorbild Christi, des Hohenpriesters, der mit den menschlichen Schwächen mitfühlen konnte, da er selbst in allem wie wir in Versuchung geführt worden war, auch wenn er im Unterschied zu uns nicht gesündigt hat (vgl. Hebr 4, 15). Dieses Mitgefühl ist immer mit der Verantwortung verbunden, die der Bischof gegenüber Gott und der Kirche übernommen hat. So verwirklicht er die am Tag seiner Bischofsweihe übernommenen Versprechen und Verpflichtungen, als er aus freien Stücken seine Zustimmung zur Forderung der Kirche gab: sich mit väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes anzunehmen und es auf dem Weg des Heils zu führen; im Namen des Herrn den Armen, den Kranken und allen Trost- und Hilfsbedürftigen gegenüber immer gastfreundlich und barmherzig zu sein und wie der Gute Hirte auf die Suche nach den verirrten Schafen zu gehen, um sie in den Schafstall Christi zurückzuführen.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Versprechen des Erwählten.</ref>

SECHSTES KAPITEL: IN DER GEMEINSCHAFT DER KIRCHEN

»Die Sorge für alle Gemeinden« (2 Kor 11, 28)

55 In seinem Brief an die Christen in Korinth ruft der Apostel Paulus all das in Erinnerung, was er für das Evangelium erlitten hat: »Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße. Um von allem anderen zu schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für alle Gemeinden hin« (2 Kor 11, 26-28). Die Schlußfolgerung, zu der er gelangt, ist eine leidenschaftliche Frage: »Wer leidet unter seiner Schwachheit, ohne dass ich mit ihm leide? Wer kommt zu Fall, ohne dass ich von Sorgen verzehrt werde?« (2 Kor 11, 29). Die gleiche Frage stellt sich dem Gewissen eines jeden Bischofs als Mitglied des Bischofskollegiums.

Daran erinnert ausdrücklich das Zweite Vatikanische Konzil, wenn es feststellt, dass alle Bischöfe als Mitglieder des Bischofskollegiums und als die durch Einsetzung und Weisung Christi legitimen Nachfolger der Apostel angehalten sind, ihre Sorge auf die ganze Kirche auszuweiten. »Alle Bischöfe müssen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen sowie die Gläubigen anleiten zur Liebe zum ganzen mystischen Leibe Christi, besonders zu den armen und leidenden Gliedern und zu jenen, die Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5, 10). Endlich müssen sie alle Bestrebungen fördern, die der ganzen Kirche gemeinsam sind, vor allem dazu, dass der Glaube wachse und das Licht der vollen Wahrheit allen Menschen aufgehe. Im übrigen aber gilt unverbrüchlich: Indem sie ihre eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche recht leiten, tragen sie wirksam bei zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der ja auch der Leib der Kirchen ist«.<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23.</ref>

So kommt es, dass jeder Bischof zugleich in Beziehung zu seiner Teilkirche und zur Universalkirche steht. Derselbe Bischof, der ja sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit der eigenen Teilkirche ist, ist ebenfalls das sichtbare Band der kirchlichen Gemeinschaft zwischen seiner Teilkirche und der Gesamtkirche. Alle Bischöfe residieren daher in ihren Teilkirchen über die ganze Welt verteilt, bewahren aber zugleich die hierarchische Gemeinschaft mit dem Oberhaupt des Bischofskollegiums und mit dem Kollegium selbst. Sie verleihen somit der Katholizität der Kirche Festigkeit und Ausdruck und geben zugleich ihrer Teilkirche das Merkmal der Katholizität. Jeder Bischof ist deshalb so etwas wie ein Verbindungspunkt seiner Teilkirche mit der Universalkirche und sichtbares Zeugnis der Gegenwart der einzigen Kirche Christi in seiner Teilkirche. In der Gemeinschaft der Kirchen vertritt der Bischof also seine Teilkirche, während er in dieser die kirchliche Gemeinschaft darstellt. Mittels des bischöflichen Dienstamtes nehmen nämlich die portiones Ecclesiae an der Gesamtheit der Una Sancta teil, während diese – immer durch das Amt – in der einzelnen Ecclesiae Portio gegenwärtig gesetzt wird.<ref> Vgl. Paul VI., Ansprache zur Eröffnung der dritten Sitzungsperiode des Konzils (14. September 1964): AAS 56 (1964), 813; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 9; 11-14: AAS 85 (1993), 843-845.</ref>

Die universale Dimension des Bischofsamtes wird in vollem Umfang manifest und verwirklicht, wenn alle Bischöfe in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Papst als Kollegium handeln. Feierlich zu einem Ökumenischen Konzil versammelt oder in der Welt verstreut, aber stets in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Papst, bilden sie die Weiterführung des Apostelkollegiums.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, cann. 337; 749 § 2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, cann. 50; 597 § 2.</ref> Jedoch auch in anderen Formen arbeiten alle Bischöfe untereinander und mit dem Papst zusammen in bonum totius Ecclesiæ; Dies geschieht vor allem, damit das Evangelium in der ganzen Welt verkündigt werde und um den mannigfachen Problemen zu begegnen, die die verschiedenen Teilkirchen bedrängen. Gleichzeitig ist auch die Ausübung des Petrusamtes für das Wohl der ganzen Kirche und jeder Teilkirche eine echte Hilfe – ebenso wie auch das Handeln des Kollegiums als solches –, damit in den der Hirtensorge der einzelnen Diözesanbischöfe anvertrauten Teilkirchen die Einheit im Glauben und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin gewahrt wird. In der Cathedra Petri finden die Bischöfe, sei es als einzelne oder im Kollegium untereinander geeint, das beständige und sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23.</ref>

Der Diözesanbischof im Verhältnis zur höchsten Autorität

56 Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, dass »den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel in den ihnen anvertrauten Diözesen von selbst jede ordentliche, eigenständige und unmittelbare Gewalt zusteht, die zur Ausübung ihres Hirtenamtes erforderlich ist. Die Gewalt, die der Papst kraft seines Amtes hat, sich selbst oder einer anderen Obrigkeit Fälle vorzubehalten, bleibt dabei immer und in allem unangetastet«.<ref> Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 8.</ref>

In der Synodenaula wurde die Frage aufgeworfen, ob das Verhältnis, das zwischen dem Bischof und der höchsten kirchlichen Autorität besteht, nicht im Lichte des Subsidiaritätsprinzips zu behandeln sei, insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zwischen Bischof und Römischer Kurie. Dabei bestand der Wunsch, diese Beziehungen im Sinne einer Communio-Ekklesiologie unter Achtung der jeweiligen Kompetenzen und demnach unter Verwirklichung einer größeren Dezentralisation zu gestalten. Es ist auch gebeten worden, über die Möglichkeit nachzudenken, dieses Prinzip auf das Leben der Kirche anzuwenden, wobei auf jeden Fall der Tatsache Rechnung getragen werden müsse, dass das konstitutive Prinzip für die Ausübung der bischöflichen Gewalt die hierarchische Gemeinschaft der einzelnen Bischöfe mit dem Papst und mit dem Bischofskollegium ist.

Wie man weiß, wurde das Subsidiaritätsprinzip von meinem Vorgänger seligen Angedenkens Pius XI. für die bürgerliche Gesellschaft formuliert.<ref> Vgl. Enzyklika Quadragesimo anno (15. Mai 1931): AAS 23 (1931), 203.</ref> Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Terminus »Subsidiarität« nie gebraucht. Es hat jedoch zu einer Aufteilung unter den Organen der Kirche ermutigt und dabei ein neues Nachdenken über die Theologie des Episkopats in Gang gesetzt, die bei der konkreten Anwendung des Kollegialitätsprinzips auf die kirchliche Gemeinschaft schon Früchte trägt. Hinsichtlich der Ausübung der bischöflichen Gewalt haben die Synodenväter jedoch gemeint, dass sich der Begriff der Subsidiarität als zweideutig erweist. Sie haben darauf bestanden, das Wesen der bischöflichen Autorität im Lichte des Communio-Prinzips theologisch zu vertiefen.<ref> Vgl. Propositio 20.</ref>

In der Synodenversammlung war mehrmals vom Communio-Prinzip die Rede.<ref> Vgl. Relatio post disceptationem, 15-17: L'Osservatore Romano, 14. Oktober 2001, 4; Propositio 20.</ref> Es handelt sich hierbei um eine organische Gemeinschaft im Sinne des Bildes vom Leibe Christi, von dem der Apostel Paulus spricht, wenn er die Aufgaben der gegenseitigen Unterstützung und Ergänzung unter den verschiedenen Gliedern des einen Leibes hervorhebt (vgl. 1 Kor 12, 12-31).

Wenn also der Rückgriff auf das Communio-Prinzip korrekt und wirksam erfolgen soll, werden einige Fixpunkte unvermeidlich sein. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Diözesanbischof in seiner Teilkirche die gesamte, ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt besitzt, die zur Ausübung seines Hirtendienstes erforderlich ist. Ihm kommt deshalb ein eigener Bereich zur selbständigen Ausübung seiner Autorität zu, der von der allgemeinen Gesetzgebung anerkannt und geschützt wird.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 381 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 178.</ref> Andererseits koexistiert die Gewalt des Bischofs mit der höchsten Gewalt des Papstes, die ebenfalls bischöflich, ordentlich und unmittelbar über alle Kirchen im einzelnen sowie ihre Gruppierungen ist, über alle Hirten und Gläubigen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, cann. 331; 333; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, cann. 43; 45 § 1.</ref>

Ein anderer Fixpunkt ist zu beachten: Die Einheit der Kirche gründet auf der Einheit des Episkopats, der, um eins zu sein, eines Hauptes des Kollegiums bedarf. In analoger Weise braucht die Kirche, um eins zu sein, eine Kirche als Haupt der Kirchen, nämlich jene von Rom, deren Bischof, der Nachfolger Petri, das Oberhaupt des Kollegiums ist.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 12: AAS 85 (1993), 845-846.</ref> Damit also »die Teilkirche voll Kirche sei, das heißt konkrete Präsenz der universalen Kirche mit allen ihren Wesenselementen, und somit nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet, muss in ihr als ureigenes Element die höchste Autorität der Kirche gegenwärtig sein [...]. Der Primat des Bischofs von Rom und das Bischofskollegium sind Wesenselemente der Gesamtkirche, ,,die sich nicht aus der Partikularität der Kirchen ableiten, die aber dennoch auch jeder Teilkirche innerlich zu eigen sind [...] Die Tatsache, dass das Amt des Petrusnachfolgers innerlich zum eigentlichen Kirche- sein jeder Teilkirche gehört, ist notwendiger Ausdruck jenes schon erwähnten Verhältnisses grundlegender gegenseitiger Innerlichkeit zwischen Gesamtkirche und Teilkirchen«.<ref> Ebd., 13: a.a.O., 846.</ref>

Was das Merkmal der Katholizität betrifft, verwirklicht sich die Kirche Christi vollständig in jeder Teilkirche, die alle natürlichen und übernatürlichen Mittel zur Erfüllung der Sendung empfängt, die Gott der Kirche in der Welt aufgetragen hat. Unter diesen Mitteln befindet sich auch die ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Amtsgewalt des Bischofs, die für die Ausübung seines pastoralen Dienstes (munus pastorale) erforderlich ist, deren Ausübung jedoch von Rechts wegen oder aufgrund einer Anordnung des Papstes den allgemeinen Gesetzen und Vorbehalten, der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität unterliegt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 8; Codex des kanonischen Rechtes, can. 381 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 178.</ref>

Die Befähigung zur eigenberechtigten Amtsführung, zu der auch die Ausübung des authentischen Lehramtes<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 753; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 600.</ref>  zählt, das dem Bischof in seiner Diözese wesensgemäß zusteht, hat ihren Ursprung in jener mystischen Wirklichkeit der Kirche, die sicherstellt, dass in der Teilkirche die Gesamtkirche immanent ist, welche auch die höchste Autorität gegenwärtig macht, das heißt den Papst und das Bischofskollegium mit ihrer höchsten, vollen, ordentlichen und unmittelbaren Amtsgewalt über alle Gläubigen und Hirten.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 333 § 1; 336; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 43; 45 § 1; 49.</ref>

In Übereinstimmung mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist festzuhalten, dass die Aufgabe des Lehrens (munus docendi) und die der Leitung (munus regendi) – also auch die entsprechende Vollmacht des Lehramtes und des Leitungsamtes – in der Teilkirche von jedem Diözesanbischof ausgeübt wird, naturgemäß in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Oberhaupt des Kollegiums und mit dem Kollegium selbst.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 333 § 1; 336; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 43; 45 § 1; 49.</ref> Dies schwächt die bischöfliche Autorität nicht; im Gegenteil, es stärkt sie, insofern die Bande der hierarchischen Gemeinschaft, die den Bischof an den Apostolischen Stuhl binden, eine notwendige Koordinierung zwischen der Verantwortung des Diözesanbischofs und jener der obersten Autorität erfordern, die vom Wesen der Kirche vorgegeben ist. Das göttliche Recht selbst setzt der Ausübung der einen wie der anderen Grenzen. Folglich wird die Gewalt der Bischöfe »von der obersten und allgemeinen Gewalt nicht ausgeschaltet, sondern im Gegenteil bestätigt, gestärkt und in Schutz genommen, weil der Heilige Geist die von Christus dem Herrn in seiner Kirche festgesetzte Form der Leitung unverändert bewahrt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 27; vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can 333 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 45 § 1.</ref>

Daher hat Papst Paul VI. bei der Eröffnung der dritten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils treffend bemerkt: »Wie ihr, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, über die Erde verteilt seid, um der wahren Katholizität der Kirche Bestand und Ausdruck zu verleihen, so habt ihr eine Mitte nötig, ein Prinzip der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft; und dies findet ihr eben in dieser Cathedra Petri. Ebenso bedürfen Wir immer eurer Nähe, um dem Gesicht des Apostolischen Stuhls mehr und mehr seine Stattlichkeit, seine menschliche und historische Wirklichkeit, ja sogar den Gleichklang mit seinem Glauben, das Beispiel zur Erfüllung seiner Pflichten und den Trost in seinen Drangsalen zu geben«.<ref> Ansprache bei der Eröffnung der dritten Sitzungsperiode des Konzils (14. September 1964): AAS 56 (1964), 813.</ref>

Die Realität der Gemeinschaft, die allen innerkirchlichen Beziehungen zugrunde liegt<ref> Vgl. Bischofssynode, II. Ausserordentliche Generalversammlung, Abschlussbericht Exeunte coetu secundo (7. Dezember 1985), C. 1: L'Osservatore Romano, 10. Dezember 1985, 7.</ref>  und die auch bei der Diskussion in der Synode hervorgehoben wurde, stellt eine Wechselbeziehung zwischen dem Papst und den Bischöfen dar. Wenn nämlich einerseits der Bischof für den vollen Ausdruck seines Dienstes und für die Begründung der Katholizität seiner Kirche die ihm eigene Leitungsgewalt (munus regendi) in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Papst und dem Bischofskollegium ausüben muss, handelt andererseits der Papst als Oberhaupt des Kollegiums in Ausübung seines Dienstes als oberster Hirte der Kirche (munus supremi Ecclesiae pastoris) immer in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen, ja sogar mit der ganzen Kirche.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 333 § 2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 45 § 2.</ref>  Wie der Bischof in der kirchlichen Gemeinschaft nie alleine sondern fortwährend auf das Kollegium und sein Haupt bezogen ist und von ihnen gestützt wird, so ist auch der Papst nie allein, sondern immer in Beziehung zu den Bischöfen und wird von ihnen gestützt. Dies ist ein weiterer Grund dafür, dass die Ausübung der höchsten Amtsgewalt des Papstes die ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Vollmacht des Bischofs in seiner Teilkirche nicht aufhebt, sondern sie bekräftigt, stärkt und geltend macht.

Die Besuche »ad limina Apostolorum«

57 Ausdruck und zugleich Mittel der Gemeinschaft unter den Bischöfen und der Cathedra Petri sind die Besuche ad limina Apostolorum.<ref> Vgl. Propositio 27.</ref> Ein solches Ereignis hat nämlich drei wesentliche Momente von je eigener Bedeutung.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), Art. 31: AAS 80 (1988), 868; Adnexum I, 6: a.a.O., 916-917; Codex des kanonischen Rechtes, can. 400 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 208.</ref> Vor allem verweist die Wallfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus auf den Bezug zu dem einen Glauben, für den sie mit ihrem Martyrium Zeugnis ablegten.

Damit verbunden ist die Begegnung mit dem Nachfolger Petri. Beim Ad limina-Besuch versammeln sich die Bischöfe um ihn zu einem Austausch all jener Gaben, die der Heilige Geist der Kirche geschenkt hat, sei es auf örtlicher Ebene und in der Teilkirche, sei es auf Weltebene.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 13.</ref> Dabei vollzieht sich nicht einfach ein Informationsaustausch, sondern vor allem eine Bekräftigung und Festigung der Kollegialität (collegialis confirmatio) im Leib der Kirche. Die Kollegialität bewirkt Einheit in der Verschiedenheit und erzeugt eine Art »perichoresis« zwischen der Gesamtkirche und den Teilkirchen, die man mit dem Blutkreislauf vergleichen kann, der vom Herzen zu den Gliedern und von diesen wieder zum Herzen geht.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), Adnexum I, 2; I, 5: AAS 80 (1988), 913; 915.</ref> Der von Christus ausgehende Lebensstrom vereinigt alle Teile, wie der Saft vom Weinstock in die Reben dringt (vgl. Joh 15, 5). Das wird besonders augenfällig in der Eucharistiefeier der Bischöfe mit dem Papst. Jede Eucharistie wird in der Tat in Gemeinschaft mit dem eigenen Bischof, mit dem Papst und mit dem Bischofskollegium gefeiert, und durch diese mit den Gläubigen der Teilkirche und der ganzen Kirche. Auf diese Weise ist die Universalkirche in der Teilkirche gegenwärtig, und diese ist mit den anderen Teilkirchen in die Gemeinschaft der Gesamtkirche eingeordnet.

Seit den ersten Jahrhunderten ist die Kirche von Rom, in der Petrus und Paulus ihr Glaubenszeugnis abgelegt haben, der letztgültige Bezugspunkt für die Gemeinschaft. Aufgrund ihrer herausragenden Stellung muss jede Teilkirche mit ihr in Übereinstimmung sein, weil sie die letzte Gewähr der Unversehrtheit der von den Aposteln überkommenen Tradition darstellt.<ref> Vgl. Irenäus von Lyon, Adversus Haereses, III, 3,2: PG 7, 848.</ref> Die Kirche von Rom steht der universalen Gemeinschaft der Liebe vor.<ref> Vgl. Ignatius von Antiochien, Ad Romanos, 1, 1: PG 5, 685.</ref>  Sie schützt die legitime Vielfalt und wacht zugleich darüber, dass die Besonderheit der Einheit nicht nur nicht schadet, sondern ihr dient.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 13.</ref>  All dies bringt die Notwendigkeit der Gemeinschaft der verschiedenen Kirchen mit der Kirche von Rom mit sich, damit sich alle in der Reinheit der Apostolischen Tradition und der Einheit der kanonischen Disziplin für die Bewahrung des Glaubens, der Sakramente und des konkreten Weges zur Heiligkeit wiederfinden können. Diese Gemeinschaft unter den Kirchen kommt in der hierarchischen Gemeinschaft der einzelnen Bischöfe mit dem Papst zum Ausdruck.<ref> Vgl. ebd., 21-22; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 4.</ref>  Aus der Gemeinschaft aller Bischöfe cum Petro et sub Petro, die sich in der Liebe erfüllt, erwächst die Verpflichtung der Zusammenarbeit aller mit dem Nachfolger Petri zum Wohl der gesamten Kirche und demnach auch jeder Teilkirche. Der Ad limina-Besuch gilt gerade diesem Zweck.

Der dritte Aspekt der Ad limina-Besuche besteht in der Begegnung mit den Verantwortlichen der Dikasterien der Römischen Kurie: In der Unterredung mit ihnen erhalten die Bischöfe direkte Kenntnis der Fragen, die im Kompetenzbereich der einzelnen Dikasterien liegen, und werden so in die unterschiedlichen Themen der gemeinsamen pastoralen Sorge eingeführt. In diesem Zusammenhang haben die Synodenväter darum angesucht, die Beziehungen zwischen den Bischöfen – einzeln oder in Bischofskonferenzen – und den Dikasterien der Römischen Kurie im Sinne der gegenseitigen Kenntnis und des Vertrauens zu vermehren.<ref> Vgl. Propositiones 26; 27.</ref> Auf diese Weise wären die Dikasterien direkt über die konkreten Probleme der Kirchen informiert und könnten ihren universalen Dienst besser ausüben.

Zusammen mit dem Fünfjahresbericht über den Status der Diözese<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 399; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 206.</ref> sind ohne Zweifel die Ad-limina-Besuche wirksame Mittel zur Erfüllung des Erfordernisses der gegenseitigen Kenntnis, die aus dieser realen Gemeinschaft unter den Bischöfen und mit dem Papst erwächst. Der Rombesuch der Bischöfe kann sogar eine gute Gelegenheit bieten, um einerseits die Antwort auf die von ihnen den Dikasterien vorgelegten Fragen zu beschleunigen und um andererseits – je nach ihrem Wunsch – eine individuelle oder kollektive Konsultation im Hinblick auf die Vorbereitung von Dokumenten von beträchtlicher allgemeiner Tragweite zu erleichtern. Überdies können bei dieser Gelegenheit zweckmäßigerweise den Bischöfen eventuell zur Veröffentlichung anstehende Dokumente erläutert werden, die der Heilige Stuhl an die Kirche im ganzen oder an ihre Teilkirchen im besonderen zu richten beabsichtigt.

Die Bischofssynode

58 Entsprechend einer schon gesicherten Erfahrung lässt jede Generalversammlung der Bischofsynode – in gewisser Hinsicht als Ausdruck des Episkopats – auf eine besondere Art den Geist der Gemeinschaft erkennen, der die Bischöfe mit dem Papst und die Bischöfe untereinander vereint. Sie erlaubt, unter der Führung des Heiligen Geistes ein vertieftes kirchliches Urteil zu den verschiedenen Problemen abzugeben, die die Kirche bedrängen.<ref> Vgl. Propositio 25.</ref> Bekanntlich ergab sich während des Konzils die Forderung, die Bischöfe sollten den Papst in der Ausübung seines Amtes besser unterstützen können. Aus eben dieser Überlegung heraus schuf mein Vorgänger seligen Angedenkens Paul VI. die Bischofssynode<ref> Vgl. Motu proprio Apostolica sollicitudo (15. September 1965): AAS 57 (1965), 775-780; II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 5.</ref> – wobei er freilich nicht den Beitrag vergaß, den schon das Kardinalskollegium dem Papst leistete. Mittels dieses neuen Organs konnte die kollegiale Herzlichkeit und die Sorge der Bischöfe für das Wohl der gesamten Kirche wirksamer zum Ausdruck gebracht werden.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Bischöfe in der Einheit des Glaubens und der Liebe mit ihrem Rat dem Papst in der Ausübung seines Apostolischen Dienstes wertvolle Hilfe leisten können, und zwar sowohl hinsichtlich der Bewahrung des Glaubens und der Sitten wie auch bezüglich der Beachtung der kirchlichen Disziplin. Der Austausch von Kenntnissen über die Teilkirchen ist in der Tat ein wertvolles Mittel zur Stärkung der Gemeinschaft, vereinfacht er doch die Übereinstimmung der Entscheidungen, auch was Lehrfragen anbelangt.<ref> Vgl. Paul VI., Motu proprio Apostolica sollicitudo (15. September 1965): AAS 57 (1965), 776-777; Ansprache an die Synodenväter (30. September 1967): AAS 59 (1967), 970-971.</ref> Jede Generalversammlung der Bischofssynode ist eine tiefe Erfahrung von Kirche, wenn sie auch in ihren Verfahrensmodalitäten stets verbesserungsfähig bleibt.<ref> Vgl. Propositio 25.</ref>  Die in der Synode versammelten Bischöfe vertreten vor allem ihre eigenen Teilkirchen; sie berücksichtigen jedoch auch die Beiträge der Bischofskonferenzen, von denen sie entsandt sind und deren Stellungnahme zu den zu behandelnden Fragen sie vortragen. Sie bringen so Wünsche des ganzen hierarchischen Leibes der Kirche und in gewisser Weise jene des gesamten Gottesvolkes, dessen Hirten sie sind, zum Ausdruck.

Die Synode ist ein Ereignis, in dem besonders sichtbar wird, dass der Nachfolger Petri bei der Ausübung seines Amtes stets in Gemeinschaft mit den übrigen Bischöfen und mit der ganzen Kirche steht.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 333 § 2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 45 § 2.</ref> »Sache der Bischossynode ist es« – legt diesbezüglich der Codex des kanonischen Rechts fest – »über die Verhandlungsthemen zu beraten und Wünsche zu äußern, nicht aber diese zu entscheiden und über sie Dekrete zu erlassen, wenn nicht in bestimmten Fällen der Papst ihr Entscheidungsgewalt übertragen hat; in diesem Fall ist es seine Sache, die Entscheidungen der Synode in Kraft zu setzen«.<ref> Can. 343.</ref> Die Tatsache, dass der Synode normalerweise beratende und nur in Ausnahmefällen beschließende Funktion zukommt, mindert nicht ihre Bedeutung. In der Kirche ist nämlich der Zweck eines jeden Kollegialorgans, sei es beratend oder beschließend, immer auf die Wahrheit oder auf das Wohl der Kirche ausgerichtet. Wenn es sich dann um die Feststellung des gemeinsamen Glaubens handelt, wird der consensus Ecclesiae nicht durch die Auszählung der Stimmen gewonnen, sondern ist Frucht des Wirkens des Geistes, der die Seele der einzigen Kirche Christi ist.

Gerade weil die Synode im Dienst der Wahrheit und der Kirche steht und damit die wahre Mitverantwortung seitens des ganzen Episkopats in Einheit mit seinem Haupt in Bezug auf das Wohl der Kirche zum Ausdruck bringt, nehmen die Bischöfe bei der Abgabe ihrer beratenden oder beschließenden Voten gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Synode, auf jeden Fall ihre Teilhabe an der Leitung der Gesamtkirche wahr. Wie mein verehrter Vorgänger Paul VI., so habe auch ich immer die Vorschläge und Stellungnahmen der Synodenväter hochgeschätzt und sie in die Erarbeitung jenes Dokumentes einfließen lassen, das die Ergebnisse der Synode zusammenfaßt, weshalb ich dieses gerne als »nachsynodal« bezeichne.

Die Gemeinschaft unter den Bischöfen und den Teilkirchen auf lokaler Ebene

59 Außer der gesamtkirchlichen Ebene bestehen viele und verschiedene Formen, in denen die bischöfliche Gemeinschaft und demnach die Sorge um alle Schwesterkirchen Ausdruck finden kann und sich tatsächlich äußert. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Bischöfen gehen zudem weit über den institutionellen Rahmen hinaus. Das lebendige Bewußtsein der kollegialen Dimension des ihnen übertragenen Dienstes muss sie dazu bewegen, untereinander, vor allem im Bereich der Bischofskonferenz, und zwar sowohl innerhalb der Kirchenprovinz als auch der kirchlichen Region, vielfältige Formen der sakramentalen Brüderlichkeit zu schaffen, die von gegenseitiger Annahme und Wertschätzung bis zu unterschiedlichen Gesten des Liebesdienstes und der konkreten Zusammenarbeit reichen.

Wie ich bereits früher einmal ausgeführt habe, ist »auch was die Reform der Römischen Kurie, die Organisation der Synoden und die Arbeitsweise der Bischofskonferenzen betrifft, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil viel geschehen. Aber es bleibt sicherlich noch viel zu tun, um die Möglichkeiten dieser Instrumente der Gemeinschaft besser zum Ausdruck zu bringen. Sind diese doch heute besonders notwendig, da man unverzüglich und wirkungsvoll auf die Probleme antworten muss, mit denen sich die Kirche in den sich überstürzenden Veränderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen hat«.<ref> Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 44: AAS 93 (2001), 298.</ref> Das neue Jahrhundert muss uns alle mehr denn je bemüht sehen, die Bereiche und die Mittel auszuwerten und zu entwickeln, die zur Sicherung der Gemeinschaft unter den Bischöfen und den Kirchen dienen.

Alles Handeln des Bischofs in seinem eigenen pastoralen Dienst ist immer ein Handeln innerhalb des Kollegiums. Ob es sich nun um den Dienst am Wort Gottes oder um die Leitung der eigenen Teilkirche handelt, oder auch um eine in mitbrüderlichem Einvernehmen getroffene Entscheidung bezüglich der anderen Teilkirchen der selben Bischofskonferenz, in der Kirchenprovinz oder in der Region, es bleibt immer ein Handeln im Kollegium, weil es unter Wahrung der Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen und mit dem Oberhaupt des Kollegiums geschieht, wobei auch die eigene pastorale Verantwortung wahrgenommen wird. All dies gründet dann nicht schon in nützlicher menschlicher Koordination, sondern vielmehr in einer Mitsorge um die anderen Kirchen, die daher rührt, dass jeder Bischof in eine Körperschaft oder Kollegium eingefügt und einbezogen ist. Tatsächlich ist ein jeder Bischof gleichzeitig, wenn auch auf verschiedene Weise, verantwortlich für die Teilkirche, für die benachbarten Schwesterkirchen und für die Gesamtkirche.

Angemessenerweise haben daher die Synodenväter bekräftigt: »Weil sie in Gemeinschaft miteinander leben, sollen die Bischöfe die Schwierigkeiten und die Leiden ihrer Mitbrüder im Episkopat wie ihre eigenen verspüren. Damit diese Gemeinschaft gefestigt und immer stärker wird, sollen die einzelnen Bischöfe und die jeweiligen Bischofskonferenzen aufmerksam die Möglichkeit untersuchen, die ihren Kirchen zur Verfügung steht, um den ärmeren Kirchen zu helfen«.<ref> Propositio 31; vgl. Johannes Paul II., Motu proprio Apostolos suos (21. Mai 1998), 13: AAS 90 (1998), 650-651.</ref> Wir wissen, dass eine derartige Armut sowohl in einem großen Mangel an Priestern oder anderen seelsorglichen Kräften, als auch in einem besorgniserregenden Fehlen von materiellen Mitteln bestehen kann. Im einen wie im anderen Fall leidet darunter die Verkündigung des Evangeliums. Deshalb mache ich mir auf der Linie dessen, was schon das Zweite Vatikanische Konzil einprägte,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 6.</ref> den Gedanken der Synodenväter zu eigen, welche die Beziehungen brüderlicher Solidarität zwischen den Kirchen der ersten Evangelisation und den sogenannten »jungen Kirchen« zu fördern wünschten, was sich – auch durch Gründung von »Partnerschaften« – im Austausch von Erfahrungen und pastoralen Vorhaben sowie finanzieller Hilfen konkretisieren soll. So erscheint die Kirche wahrhaft als »Familie Gottes« , in der die Stärkeren die Schwächeren zum Wohl aller stützen.<ref> Vgl. Propositio 32.</ref>

Auf diese Weise verwirklicht sich in der Gemeinschaft der Kirchen die Gemeinschaft der Bischöfe, die sich ebenso in der liebevollen Zuwendung gegenüber jenen Hirten äußert, die mehr als ihre Mitbrüder und vor allem unter den ortsbedingten Verhältnissen zu leiden hatten oder immer noch leiden, weil sie meist die Leiden ihrer Gläubigen teilen. Eine weitere Gruppe von Hirten, die auf Grund ihrer wachsenden Anzahl eine besondere Aufmerksamkeit verdient, bilden die emeritierten Bischöfe. In der Liturgie zum Abschluß der X. Vollversammlung habe ich zusammen mit den Synodenvätern öfters an sie gedacht. Die ganze Kirche hat eine große Wertschätzung für diese geliebten Brüder, die wichtige Mitglieder des Bischofskollegiums bleiben. Sie dankt ihnen für den seelsorglichen Dienst, den sie geleistet haben und immer noch leisten, indem sie ihre Weisheit und ihre Erfahrung der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Die zuständige Autorität möge es nicht versäumen, dieses persönliche spirituelle Erbe zu nützen, das auch einen kostbaren Teil der Erinnerung der Kirchen, die sie über Jahre geleitet haben, darstellt. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um ihnen Lebensbedingungen, frei von geistlichen und wirtschaftlichen Sorgen, in der von ihnen vernünftigerweise gewünschten Umgebung zu gewährleisten. Außerdem möge man erkunden, wie sie ihre Erfahrungen in den verschiedenen Gremien der Bischofskonferenzen einsetzen können.<ref> Vgl. Propositio 33.</ref>

Die katholischen Ostkirchen

60 Unter demselben Blickwinkel der Gemeinschaft der Bischöfe untereinander und zwischen den Kirchen haben die Synodenväter eine ganz besondere Aufmerksamkeit den katholischen Ostkirchen gewidmet, indem sie die altehrwürdigen Reichtümer ihrer Tradition in Betracht zogen, die einen lebendigen Schatz bilden, der mit den analogen Formen der lateinischen Kirche koexistiert. Beide zusammen beleuchten klarer die katholische Einheit des heiligen Gottesvolkes.<ref> Vgl. Propositio 21.</ref>

Es besteht kein Zweifel darüber, dass den katholischen Ostkirchen aufgrund ihrer spirituellen, geschichtlichen, theologischen, liturgischen und disziplinären Nähe zu den orthodoxen Kirchen und den anderen orientalischen Kirchen, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, eine ganz besondere Rolle vor allem zur Förderung der Einheit der Christen des Ostens zukommt. Sie sind dazu berufen, dies wie alle Kirchen durch das Gebet und ein vorbildliches christliches Leben zu verwirklichen. Außerdem sind sie aufgerufen, ihre Treue zu den alten östlichen Traditionen als ihren spezifischen Beitrag zu leisten.<ref> Vgl. Propositio 22.</ref>

Die Patriarchalkirchen und ihre Synode

61 Unter den spezifischen Einrichtungen der katholischen Ostkirchen ragen die Patriarchalkirchen heraus. Sie gehören zu jenen Gruppen von Kirchen, die, wie das Zweite Vatikanische Konzil<ref> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23; Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium ecclesiarum, 11.</ref> feststellt, sich durch göttliche Vorsehung im Laufe der Zeit organisch herausgebildet haben und sich sowohl einer eigenen Disziplin und eigener liturgischer Gebräuche wie auch eines gemeinsamen theologischen und spirituellen Erbes erfreuen, wobei sie immer die Einheit des Glaubens und der einzigen göttlichen Verfassung der Universalkirche bewahrten. Ihre besondere Würde besteht darin, dass sie gleichsam als Mütter im Glauben andere Kirchen hervorgebracht haben, die wie ihre Töchter sind und daher bis in unsere Zeiten herauf durch ein engeres Band der Liebe im sakramentalen Leben und im gegenseitigen Respekt der Rechte und Pflichten an sie gebunden sind.

Die Institution des Patriarchats ist innerhalb der Kirche sehr alt. Sie ist bereits auf dem ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa bezeugt und hat auf den ersten Ökumenischen Konzilien Anerkennung gefunden. Bis heute bildet sie die traditionelle Form der Leitung in den Ostkirchen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sacri canones (18. Oktober 1990): AAS 82 (1990) 1037.</ref> Ihrem Ursprung nach und gemäß ihrer besonderen Struktur verdankt sie sich kirchlicher Errichtung. Eben deswegen hat das Zweite Vatikanische Konzil den Wunsch geäußert, dass, »wo es nötig ist, neue Patriarchate gegründet werden.

Ihre Errichtung ist dem Ökumenischen Konzil oder dem Bischof von Rom vorbehalten«-<ref> Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium ecclesiarum, 11.</ref> Wer auch immer also in den Ostkirchen eine überbischöfliche und überregionale Gewalt ausübt – wie die Patriarchen und die Synoden der Patriarchalkirchen –, hat Anteil an der höchsten Autorität, die der Nachfolger Petri über die ganze Kirche innehat. Diese seine Gewalt übt er unter Beachtung des Primats des Bischofs von Rom<ref> Vgl. Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, cann. 76; 77.</ref> und darüber hinaus auch des Amtes der einzelnen Bischöfe aus, ohne in ihren Kompetenzbereich einzudringen oder die freie Ausübung ihrer eigenen Aufgaben zu beschränken.

Die Beziehungen zwischen den Bischöfen einer Patriarchalkirche und dem Patriarchen, der seinerseits der Bischof der patriarchalen Eparchie ist, entfalten sich auf der Grundlage der schon in der Antike festgelegten Canones Apostolorum: »Die Bischöfe jeder einzelnen Nation müssen wissen, wer unter ihnen der erste ist und sollen ihn als ihr Haupt ansehen und nichts Wichtiges ohne seine Zustimmung tun. Jeder beschäftige sich mit nichts anderem als mit dem, was seinen Bezirk und die von diesem abhängigen Gebiete betrifft. Aber auch der Erste unternehme nichts ohne die Einwilligung aller; so wird die Einmütigkeit herrschen, und Gott verherrlicht werden durch Christus im Heiligen Geist«.<ref> Vgl. Canones Apostolorum, VIII, 47, 34: F.X. Funk, I, 572-574.</ref> Dieser Kanon bringt die antike Praxis der Synodalität in den Ostkirchen zum Ausdruck. Zugleich legt er deren theologische Grundlage und ihre doxologische Bedeutung dar, da nämlich klar festgehalten wird, dass das synodale Handeln der Bischöfe in Einmütigkeit dem Dreieinen Gott Verehrung und Verherrlichung erweist.

Im synodalen Leben der Patriarchalkirchen muss also eine wirksame Umsetzung der kollegialen Dimension des bischöflichen Dienstes erkannt werden. Alle erlaubt geweihten Bischöfe nehmen an der Synode ihrer Patriarchalkirche als Hirten eines Teils des Gottesvolkes teil. Die Rolle des Ersten, das heißt des Patriarchen, jedoch wird als ein auf seine Weise konstituierendes Element des kollegialen Handelns anerkannt. Es gibt nämlich keine kollegiale Handlung ohne einen als solchen anerkannten »Ersten«. Die Synodalität ihrerseits aber hebt nicht auf, noch verringert sie die rechtmäßige Autonomie eines jeden Bischofs in der Leitung seiner eigenen Kirche. Sie bekräftigt hingegen die kollegiale Gesinnung der Bischöfe, die für alle Teilkirchen innerhalb des Patriarchates mitverantwortlich sind.

Der Patriarchalsynode wird echte Leitungsgewalt zuerkannt. Sie wählt nämlich den Patriarchen und die Bischöfe für die Ämter innerhalb des Territoriums der Patriarchalkirche, wie auch die Kandidaten zum Episkopat für die Ämter außerhalb der Grenzen der Patriarchalkirche, die dem Papst zur Ernennung vorgeschlagen werden müssen.<ref> Vgl. Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, cann. 110 § 3; 149.</ref> Außer der Zustimmung und der Stellungnahme, die für die Gültigkeit bestimmter Akte im Kompetenzbereich des Patriarchen notwendig sind, obliegt es der Synode, Gesetze zu erlassen, die innerhalb – und im Falle von liturgischen Gesetzen auch außerhalb – der Grenzen der Patriarchalkirche gültig sind.<ref> Vgl. ebd., cann. 110 § 1; 150 §§ 2.3.</ref> Die Synode ist – vorbehaltlich der Zuständigkeit des Heiligen Stuhls – die oberste Gerichtsinstanz innerhalb der Grenzen der Patriarchalkirche selbst.<ref> Vgl. ebd., cann. 101 § 2; 1062.</ref> Für die Durchführung der wichtigsten Angelegenheiten, insbesondere jener hinsichtlich der Aktualisierung der Apostolatsformen und –arten sowie der kirchlichen Disziplin, bedienen sich der Patriarch und auch die Patriarchalsynode der beratenden Mitarbeit des Patriarchatskonvents, welcher der Patriarch mindestens alle fünf Jahre einberuft.<ref> Vgl. ebd., cann. 140-143.</ref>

Die Organisation der Metropolien und der Kirchenprovinzen

62 Eine konkrete Weise der Förderung der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen und der Solidarität unter den Kirchen besteht darin, der sehr alten Institution der Kirchenprovinzen wieder Lebenskraft zu verleihen, in denen die Metropoliten Organ und Symbol sowohl der Brüderlichkeit unter den Bischöfen der Provinz als auch ihrer Gemeinschaft mit dem Papst sind.<ref> Vgl. Propositio 28; Codex des kanonischen Rechts, can. 437 § 1; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 156 § 1.</ref> Wegen der Ähnlichkeit der Probleme, die die einzelnen Bischöfe bedrängen, und aufgrund der begrenzten Zahl, die eine bessere und wirkungsvollere Verständigung erlaubt, wird eine gemeinsame Seelsorgsarbeit in den Versammlungen der Bischöfe derselben Kirchenprovinz und vor allem in den Provinzialkonzilien sicher besser geplant werden können. Wo man für das gemeinsame Wohl die Errichtung kirchlicher Regionen für angebracht hält, wird eine ähnliche Funktion von den Versammlungen der Bischöfe derselben Region oder jedenfalls von Plenarkonzilien ausgeübt werden können. Diesbezüglich ist der vom Zweiten Vatikanischen Konzil geäußerte Wunsch zu bekräftigen, »dass die ehrwürdigen Einrichtungen der Synoden und Konzilien mit neuer Kraft aufblühen; dadurch soll besser und wirksamer für das Wachstum des Glaubens und die Erhaltung der Disziplin in den verschiedenen Kirchen, entsprechend den Gegebenheiten der Zeit, gesorgt werden«.<ref> Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 36.</ref> In diesen Einrichtungen können die Bischöfe in ihrem Handeln nicht nur die Gemeinschaft untereinander, sondern auch jene mit allen Gliederungen des ihnen anvertrauten Teils des Volkes Gottes zum Ausdruck bringen; diese Gliederungen sind von Rechts wegen auf den Konzilien vertreten.

Gerade wegen der Teilnahme von Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien, wenngleich nur mit beratender Stimme, kommt in den Partikularkonzilien nicht nur die Gemeinschaft zwischen den Bischöfen, sondern auch die Gemeinschaft unter den Teilkirchen unmittelbar zum Ausdruck. Außerdem erfordern die Partikularkonzilien als feierlicher Moment kirchlichen Lebens sorgfältige Überlegungen in der Vorbereitung, die alle Kategorien von Gläubigen einbezieht, um so diese Konzilien zu einem geeigneten Ort für die wichtigsten Entscheidungen – speziell für jene bezüglich des Glaubens – zu machen. Der Platz der Partikularkonzilien kann daher nicht von den Bischofskonferenzen eingenommen werden, wie dies das Zweite Vatikanische Konzil selbst präzisiert, während es den Wunsch äußert, dass die Partikularkonzilien mit neuer Kraft aufblühen. Die Bischofskonferenzen können dagegen ein nützliches Instrument zur Vorbereitung von Plenarkonzilien sein.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, cann. 441; 443.</ref>

Die Bischofskonferenzen

63 Mit all dem wird durchaus nicht beabsichtigt, die Bedeutung und den Nutzen der Bischofskonferenzen zu verschweigen, die im letzten Konzil ihre institutionelle Gestalt gefunden haben, welche im Codex des kanonischen Rechtes und im jüngsten Motu proprio Apostolos suos<ref> Vgl. Nr. 1: AAS 90 (1998), 641-658.</ref> eine weitere Päzisierung erfahren hat. Analoge Einrichtungen sind in den katholischen Ostkirchen die Konvente der Hierarchen mehrerer Kirchen sui iuris, wie sie vom Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen vorgesehen sind: »Durch die einander mitgeteilte Einsicht aufgrund von Wissen und Erfahrung sowie durch die gemeinsame Beratung soll ein heiliges Zusammenwirken für das gemeinsame Wohl der Kirchen erreicht werden, wodurch das einheitliche Handeln begünstigt, gemeinsame Werke unterstützt, das Gut der Religion leichter gefördert und die kirchliche Disziplin wirksamer bewahrt wird«.<ref> Can. 322 § 1.</ref>

Diese Versammlungen der Bischöfe sind, wie es auch die Synodenväter äußerten, heute ein wirksames Instrument, um den kollegialen Geist der Bischöfe auszudrücken und auf praktische Weise umzusetzen. Daher sind die Bischofskonferenzen letztlich in ihrer ganzen Leistungsfähigkeit zur Geltung zu bringen.<ref> Vgl. Propositiones 29; 30.</ref> Diese haben sich nämlich »in bemerkenswerter Weise zum bevorzugten Organ der Bischöfe eines Landes oder eines bestimmten Gebietes entwickelt, um den Meinungsaustausch, der gegenseitigen Beratung und der Zusammenarbeit zum Wohl der ganzen Kirche zu dienen: ,,Sie sind in diesen Jahren eine konkrete, lebendige und wirksame Wirklichkeit in allen Teilen der Welt geworden. Ihre Bedeutung wird dadurch deutlich, dass sie tatkräftig zur Einheit unter den Bischöfen und damit zur Einheit der Kirche beitragen, weil sie ein sehr wertvolles Instrument zur Festigung der kirchlichen Gemeinschaft sind«.<ref> Johannes Paul II., Motu proprio Apostolos suos (21. Mai 1998), 6: AAS 90 (1998), 645-646.</ref>

Da nur Bischöfe und all jene, die den Diözesanbischöfen rechtlich gleichgestellt sind, auch wenn sie nicht mit der Bischofswürde ausgezeichnet sind, Mitglieder der Bischofskonferenzen sind,<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 450.</ref> bildet im Unterscheid zu den Partikularkonzilien unmittelbar die kollegiale Dimension der Verantwortung in der bischöflichen Leitung das theologische Fundament dieser Versammlungen. Die Gemeinschaft zwischen den Kirchen ist dies nur indirekt. Da die Bischofskonferenzen auf jeden Fall ein beständiges, regelmäßig zusammentretendes Organ darstellen, kommt ihnen eine wirksame Rolle zu, wenn diese im Hinblick auf jene Aufgabe, welche die einzelnen Bischöfe nach göttlichem Recht in ihrer Teilkirche ausüben, als unterstützend verstanden wird. Auf Ebene der einzelnen Teilkirche weidet nämlich der Bischof im Namen des Herrn die ihm anvertraute Herde als eigenberechtigter, ordentlicher und unmittelbare Hirte. Sein Handeln ist unbedingt persönlich, nicht kollegial, auch wenn es vom gemeinschaftlichen Geist beseelt ist. Auf Ebene der Gruppierungen von Teilkirchen nach geographischen Kriterien (Nation, Region, etc.) üben die ihnen vorstehenden Bischöfe ihre Hirtensorge nicht gemeinsam mit kollegialen Akten gleich denen des Bischofskollegiums aus, das ja als theologisches Subjekt unteilbar ist.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Motu proprio Apostolos suos (21. Mai 1998), 10; 12: AAS 90 (1998), 648-650.</ref> Deshalb üben die in derselben Bischofskonferenz versammelten Bischöfe nur einige der Aufgaben, die aus ihrem Hirtenamt (munus pastorale) hervorgehen, gemeinsam für das Wohl ihrer Gläubigen aus – innerhalb der Grenzen der ihnen von Rechts wegen oder durch ein Mandat des Heiligen Stuhls verliehenen Zuständigkeiten.<ref> Vgl. ebd., Nr. 12; 13; 19: a.a.O., 649-651; 653-654; Codex des kanonischen Rechtes, cann. 381 § 1; 447; 455 § 1.</ref>

Sicherlich erfordern die mitgliederstärkeren Bischofskonferenzen eine umfassende Organisation, um ihren Dienst zugunsten der einzelnen Bischöfe, die sie bilden, und folglich zugunsten der einzelnen Kirchen zu erfüllen. Auf jeden Fall ist »die Bürokratisierung der zwischen den Vollversammlungen tätigen Ämter und Kommissionen zu vermeiden«.<ref> Johannes Paul II., Motu proprio Apostolos suos (21. Mai 1998), 18: AAS 90 (1998), 653.</ref>  Die Bischofskonferenzen sind nämlich »mit ihren Kommissionen und Büros dazu da, den Bischöfen zu helfen und nicht dazu, ihren Platz einzunehmen«,<ref> Ebd.</ref> und noch weniger, um eine Zwischenstruktur zwischen dem Heiligen Stuhl und den einzelnen Bischöfen zu bilden. Die Bischofskonferenzen können dem Heiligen Stuhl wirksame Hilfe anbieten, indem sie ihre Meinung zu spezifischen Problemen allgemeinerer Natur äußern.<ref> Vgl. Propositio 25.</ref>

Sodann bringen die Bischofskonferenzen den kollegialen Geist, der die Bischöfe eint, zum Ausdruck und verwirklichen ihn – und folglich die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Kirchen –, indem sie untereinander, besonders zwischen den benachbarten Kirchen, enge Beziehungen auf der Suche nach dem höheren Wohl knüpfen.<ref> Vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 459 § 1.</ref>  Dies kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden: durch Beratungsgremien, Symposien oder Zusammenschlüsse. Von beachtenswerter Bedeutung sind insbesondere die konti- nentalen Zusammenkünfte der Bischöfe, denen jedoch niemals die Zuständigkeiten zukommen, die den Bischofskonferenzen zuerkannt werden. Diese Treffen sind von großer Hilfe, um jene Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen der verschiedenen Länder anzuregen, die sich in dieser Zeit der »Globalisierung« als besonders notwendig erweist, um den Herausforderungen zu begegnen und eine echte »Globalisierung der Solidarität« zu verwirklichen.<ref> Vgl. Propositio 30.</ref>

Die Einheit der Kirche und der ökumenische Dialog

64 Das Gebet unseres Herrn Jesus Christus um die Einheit unter seinen Jüngern (ut unum sint: Joh 17, 21) stellt für jeden Bischof einen dringenden Aufruf an eine präzise apostolische Pflicht dar. Man darf sich diese Einheit nicht als die Frucht unserer Bemühungen erwarten; sie ist hauptsächlich die Gabe der Heiligsten Dreifaltigkeit an die Kirche. Dies entbindet die Christen jedoch nicht davon, jede Anstrengung zu unternehmen, beginnend beim Gebet, um den Weg zur vollen Einheit zu beschleunigen. Indem die Kirche auf die Gebete und den Willen des Herrn sowie auf seine Hingabe am Kreuz zur Sammlung der versprengten Söhne (vgl. Joh 11, 52) antwortet, fühlt sie sich in unumkehrbarer Weise zum ökumenischen Dialog verpflichtet. Man muss also auf dem Weg des Dialogs in der Wahrheit und in der Liebe beharrlich weitergehen.

Viele Synodenväter haben an die besondere Berufung erinnert, dass jeder Bischof diesen Dialog in seiner Diözese zu fördern und in veritate e caritate (vgl. Eph 4, 15) zu entfalten hat. Das Ärgernis der Trennung zwischen den Christen wird nämlich von allen als ein der christlichen Hoffnung widersprechendes Signal empfunden. Die konkreten Formen zu dieser Förderung des ökumenischen Dialogs sind dann in der besseren gegenseitigen Kenntnis zwischen der Katholischen Kirche und den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit ihr stehen, benannt worden; ferner in Zusammenkünften und geeigneten Initiativen und vor allem im Zeugnis der Liebe. In der Tat gibt es eine Ökumene des alltäglichen Lebens, die in gegenseitiger Annahme, im Zuhören und in der Zusammenarbeit besteht und die eine einzigartige Wirksamkeit besitzt.

Andererseits haben die Synodenväter auch vor dem Risiko wenig überlegter Gesten – Zeichen eines »ungeduldigen Ökumenismus« – gewarnt, die dem laufenden Weg zur vollen Einheit Schaden zufügen können. Es ist daher sehr wichtig, dass von allen die rechten Prinzipien des ökumenischen Dialogs angenommen und in die Tat umgesetzt werden, als auch dass man auf diesen Prinzipien besteht: in den Seminaren mit den Priesteramtskandidaten, in den Pfarreien und innerhalb der kirchlichen Strukturen. Das innere Leben der Kirche muss ein Zeugnis der Einheit im Respekt und in der Öffnung immer weiterer Räume bieten, in denen die verschiedenen theologischen, spirituellen, liturgischen und disziplinären Traditionen Aufnahme finden und ihre großen Reichtümer entfalten mögen.<ref> Vgl. Propositio 60.</ref>

Der missionarische Geist im bischöflichen Dienstamt

65 Als Glieder des Bischofskollegiums sind die Bischöfe nicht nur für eine Diözese, sondern für das Heil aller Menschen geweiht.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 38.</ref> Diese im Zweiten Vatikanischen Konzil dargelegte Lehre ist von den Synodenvätern in Erinnerung gerufen worden, um hervorzuheben, dass sich jeder Bischof der missionarischen Natur seines eigenen Hirtenamtes bewußt sein muss. All sein seelsorgliches Wirken muss demnach von missionarischem Geist gekennzeichnet sein, um im Bewußtsein der Gläubigen das brennende Verlangen nach der Verbreitung des Evangeliums zu wecken und zu bewahren. Daher ist es Aufgabe des Bischofs, in der eigenen Diözese missionarische Aktivitäten und Initiativen – auch unter wirtschaftlich-finanzieller Rücksicht – anzuregen, zu fördern und zu leiten.<ref> Vgl. Propositio 63.</ref>

Nicht weniger wichtig ist es sodann, wie auf der Synode bestätigt wurde, die missionarische Dimension in der eigenen Teilkirche – entsprechend den unterschiedlichen Situationen – durch die Förderung grundlegender Werte wie der Anerkennung des Nächsten, der Achtung der Verschiedenheit der Kulturen und der gesunden Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Kulturen zu bestärken. Der vermehrt multikulturelle Charakter der Städte und der Gesellschaft wiederum – vor allem als Folge der internationalen Migrationen – führt zu neuen Situationen, aus denen eine besondere missionarische Herausforderung erwächst. In der Synodenaula gab es auch Wortmeldungen, die einige Fragen hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Diözesanbischöfen und den missionarischen Ordensgemeinschaften hervorhoben und die Notwendigkeit eines vertieften Nachdenkens darüber unterstrichen. Zugleich ist der große Beitrag an Erfahrung gewürdigt worden, den eine Teilkirche durch diese Ordensgemeinschaften selbst empfangen kann, um das missionarische Bsewußtsein unter den Gläubigen lebendig zu halten.

In diesem seinem Eifer möge sich der Bischof als ein Diener und Zeuge der Hoffnung erweisen. Die Mission ist nämlich ohne Zweifel der genaue Gradmesser für den Glauben an Christus und an seine Liebe zu uns:<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 11: AAS 83 (1991), 259-260.</ref> Sie drängt den Menschen aller Zeiten zu einem neuen Leben, das von der Hoffnung beseelt wird. Denn in der Verkündigung des Auferstandenen stellen die Christen denjenigen vor, der eine neue Ära der Geschichte einleitet; sie rufen der Welt die gute Nachricht eines ganzheitlichen und universalen Heiles zu, das in sich das Unterpfand einer neuen Welt enthält, in welcher der Schmerz und die Ungerechtigkeit der Freude und der Schönheit Platz machen werden. Zu Beginn eines neuen Millenniums, wenn sich das Bewußtsein der Universalität des Heils geschärft hat und man erfährt, dass die Verkündigung des Evangeliums täglich erneuert werden muss, ergeht von der Synodenversammlung die Aufforderung, den missionarischen Einsatz nicht zu verringern, vielmehr ihn auf eine immer intensivere missionarische Zusammenarbeit auszudehnen.

SIEBENTES KAPITEL: DER BISCHOF ANGESICHTS DER AKTUELLEN HERAUSFORDERUNGEN

»Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt« (Joh 16, 33)

66 In der Heiligen Schrift wird die Kirche mit einer Herde verglichen, »als deren künftigen Hirten Gott selbst sich vorherverkündigt hat. Wenngleich ihre Schafe von menschlichen Hirten geleitet werden, so werden sie dennoch immerfort von Christus, dem guten Hirten und dem Ersten der Hirten, geführt und genährt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 6.</ref> Ist es nicht Jesus selber, der seine Jünger als pusillus grex bezeichnet und sie auffordert, sich nicht zu fürchten, sondern Hoffnung zu hegen? (vgl. Lk 12, 32).

Diese Aufforderung an seine Jünger hat Jesus mehrmals wiederholt: »In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt!« (Joh 16, 33). Als er im Begriff war, zum Vater zurückzukehren, sagte er zu den Aposteln, nachdem er ihnen die Füße gewaschen hatte: »Euer Herz lasse sich nicht verwirren« , und fügte hinzu: »Ich bin der Weg [...]; niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Joh 14, 1- 6). Auf diesen Weg, der Christus ist, hat sich die kleine Herde, die Kirche, begeben, und er ist es, der Gute Hirt, der sie führt: »Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme« (Joh 10, 4).

Nach dem Bilde Jesu Christi und auf seinen Spuren geht auch der Bischof hinaus, um ihn der Welt zu verkündigen als den Retter des Menschen, jedes Menschen. Als Missionar des Evangeliums handelt er im Namen der Kirche, die in der Tugend der Menschlichkeit erfahren und den Menschen unserer Zeit nahe ist. Darum hat der Bischof, stark in der Radikalität des Evangeliums, auch die Pflicht, die falschen Anthropologien zu entlarven, die von ideologischen Prozessen erdrückten Werte herauszustellen und die Wahrheit kenntlich zu machen. Er weiß, dass er mit dem Apostel wiederholen kann: »Dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen« (1 Tim 4, 10).

Die Tätigkeit des Bischofs wird also von jener parresía gekennzeichnet sein, die Frucht des Wirkens des Geistes ist (vgl. Apg 4, 31). Während der Bischof über sich selbst hinausgeht, um Jesus Christus zu verkündigen, nimmt er vertrauensvoll und mutig seine Sendung auf, weil er tatsächlich factus pontifex, zur »Brücke« geworden ist, die zu jedem Menschen hinführt. In der Nachfolge Jesu, der sagt: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten« (Joh 10, 16), geht der Bischof mit der Leidenschaft des Hirten hinaus, um die Schafe zu suchen.

Der Bischof, Stifter von Gerechtigkeit und Frieden

67 Im Zusammenhang mit diesem missionarischen Charakter haben die Synodenväter auf den Bischof als einen Propheten der Gerechtigkeit hingewiesen. Der Krieg der Mächtigen gegen die Schwachen hat heute mehr als früher tiefgreifende Spaltungen zwischen Reichen und Armen aufgerissen. Die Zahl der Armen ist Legion! In einem ungerechten Wirtschaftssystem mit starken strukturellen Kontrasten verschlimmert sich mit jedem Tag die Lage der Menschen am Rande der Gesellschaft. In vielen Teilen der Erde herrscht heute Hunger, anderswo hingegen Überfluß. Die Opfer dieser dramatischen Mißverhältnisse sind vor allem die Armen, die Jugendlichen, die Flüchtlinge. Auch die Frau wird vielerorts in ihrer persönlichen Würde mißachtet, ist Opfer einer hedonistischen und materialistischen Kultur.

Angesichts – und sehr oft inmitten – dieser Unrechtssituationen, die unvermeidlich Konflikten und dem Tod Tür und Tor öffnen, tritt der Bischof als Verteidiger der Rechte des nach dem Abbild Gottes und ihm ähnlich geschaffenen Menschen auf. Er verkündigt die Morallehre der Kirche in der Verteidigung des Rechtes auf Leben von der Empfängnis bis zu dessen natürlichem Ende; er verkündet ferner die auf dem Fundament des Evangeliums gegründete Soziallehre der Kirche; er nimmt sich die Verteidigung eines jeden zu Herzen, der schwach ist, indem er sich zur Stimme derer macht, die keine Stimme haben, um ihren Rechten Geltung zu verschaffen. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Soziallehre der Kirche auch in den schwierigsten Situationen Hoffnung zu wecken vermag, denn wenn es keine Hoffnung für die Armen gibt, wird es für niemanden, auch nicht für die sogenannten Reichen, Hoffnung geben. Die Bischöfe haben den Terrorismus und den Völkermord nachdrücklich verurteilt und ihre Stimme zugunsten derer erhoben, die über Ungerechtigkeiten klagen, die Verfolgungen erleiden, die arbeitslos sind, und für die Kinder, die auf verschiedene und stets sehr schlimme Weise gequält werden. Wie die heilige Kirche, die in der Welt das Sakrament der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit ist,<ref> Vgl. ebd., 1.</ref> so ist auch der Bischof Verteidiger und Vater der Armen; er ist in eifriger Sorge um die Gerechtigkeit und die Einhaltung der Menschenrechte, und er ist Hoffnungsträger.<ref> Vgl. Propositiones 54-55.</ref>

Das Wort der Synodenväter war gemeinsam mit dem meinem deutlich und hart. »Wir konnten uns während der Synode auch nicht den vielen anderen Leiden verschließen, die Mitmenschen in großem Ausmaß treffen [...] Ein grundsätzlicher sittlicher Wandel ist geboten [...] Zu lang unterschätzte, weitest verbreitete Notstände können die Bevölkerung ganzer Länder in die Verzweiflung treiben. Wie können wir dazu schweigen, dass nach wie vor unzählige Menschen in einer Zeit weiter verhungern oder in äußerster Armut leben müssen, in der Möglichkeiten zu einer besseren Verteilung der Ressourcen wie nie zuvor zur Verfügung stehen? Wir sind solidarisch mit den riesigen Strömen von Flüchtlingen und Einwanderern, die infolge von Krieg, politischer Unterdrückung oder wirtschaftlicher Benachteiligung ihre Heimat verlassen müssen, Arbeit suchen und sich nach Frieden sehnen. Zunahme von Malaria und AIDS, Analphabetismus, Zukunftslosigkeit für so viele Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben, Ausbeutung der Frauen, Pornographie, Intoleranz, Mißbrauch der Religion zur Unterdrückung der Menschen, Drogen- und Waffenhandel: Die Aufzählung ist unvollständig! Dennoch verlieren die Demütigen auch in der äußersten Not die Hoffnung nicht. Der Herr schaut auf sie und hilft ihnen: ,,Die Schwachen werden unterdrückt, die Armen seufzen. Darum spricht der Herr: Jetzt stehe ich auf, dem Verachteten bringe ich Heil (Ps 12, 6)«.<ref> Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft (26. Oktober 2001), 10-11: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5.</ref>

Auf die soeben umrissene dramatische Lagebeschreibung folgen mit selbstverständlicher Dringlichkeit der Aufruf und die Verpflichtung zum Frieden. Denn die aus dem vergangenen Jahrhundert und aus dem ganzen Jahrtausend ererbten Konfliktherde sind noch immer aktiv. Und es fehlt auch nicht an lokalen Konflikten, die tiefe Risse zwischen den Kulturen und den Nationalitäten entstehen lassen. Und wie könnte man die religiösen Fundamentalismen verschweigen, die immer Feinde des Dialogs und des Friedens sind? In vielen Regionen der Welt gleicht die Erde einem Pulverfaß, das jeden Moment explodieren und enormes Leid über die Menschheitsfamilie bringen kann.

In dieser Situation verkündet die Kirche unablässig den Frieden Christi, der in der Bergpredigt diejenigen selig gepriesen hat, »die Frieden stiften« (Mt 5, 9). Der Friede ist eine universale Verantwortung, die sich in den tausend kleinen Handlungen des Alltagslebens äußert. Er wartet auf seine Propheten und seine Baumeister, die vor allem in den kirchlichen Gemeinschaften, deren Hirt der Bischof ist, nicht fehlen dürfen. Nach dem Vorbild Jesu, der gekommen ist, um den Unterdrückten die Freiheit zu verkünden und das Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4, 16-21), wird er immer sofort aufzeigen, dass die christliche Hoffnung eng mit dem eifrigen Bemühen um die ganzheitliche Förderung des Menschen und der Gesellschaft verbunden ist, wie dies die Soziallehre der Kirche vorträgt.

Bei möglichen und leider nicht seltenen Situationen bewaffneter Konflikte muss der Bischof auch dann, wenn er das Volk auffordert, seine Rechte geltend zu machen, immer warnend darauf hinweisen, dass ein Christ auf jeden Fall die Pflicht hat, auf Rache zu verzichten und sich der Vergebung und der Liebe gegenüber den Feinden zu öffnen.<ref> Vgl. Propositio 55.</ref> Denn es gibt keine Gerechtigkeit ohne Vergebung. So schwer es auch fällt, die Feststellung zu akzeptieren, erscheint sie für jeden vernünftigen Menschen selbstverständlich: echter Friede wird nur durch Vergebung möglich.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 2002 (8. Dezember 2001), 8: AAS 94 (2002), 137.</ref>

Der interreligiöse Dialog, vor allem zugunsten des Friedens in der Welt

68 Wie ich bei mehreren Anlässen wiederholt habe, soll der Dialog zwischen den Religionen im Dienst des Friedens zwischen den Völkern stehen. Die religiösen Traditionen verfügen tatsächlich über die notwendigen Hilfsmittel, um die Zerrissenheit zu überwinden und gegenseitige Freundschaft und Achtung zwischen den Völkern zu fördern. Von der Synode ging der Appell aus, die Bischöfe sollten zusammen mit den Repräsentanten der Völker Begegnungen fördern, um über die Konflikte und Kriege, die die Welt zerreißen, gewissenhaft nachzudenken und auf diese Weise gangbare Wege für ein gemeinsames Bemühen um Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden zu ermitteln.

Die Synodenväter haben die Bedeutung des interreligiösen Dialogs hinsichtlich des Friedens nachdrücklich hervorgehoben und die Bischöfe gebeten, sich in diesem Sinne in den jeweiligen Diözesen einzusetzen. Neue Wege zum Frieden lassen sich finden, wenn wir auf der Religionsfreiheit bestehen, von der das Zweite Vatikanische Konzil in der Erklärung Dignitatis humanae gesprochen hat, sowie auch durch die Erziehungsarbeit zum Nutzen der jungen Generationen und durch den korrekten Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel.<ref> Vgl. Propositiones 61; 62.</ref> Die Perspektive des interreligiösen Dialogs ist jedoch mit Sicherheit umfassender, und deshalb haben die Synodenväter betont, dass der Dialog Teil der Neuevangelisierung ist – vor allem in der heutigen Zeit, in der weit mehr als in der Vergangenheit Angehörige verschiedener Religionen in denselben Regionen, in denselben Städten, am Arbeitsplatz und im Alltag zusammenleben. Der interreligiöse Dialog ist daher eine Forderung, die vom täglichen Leben vieler christlicher Familien ausgeht, und auch deshalb müssen ihm die Bischöfe als Lehre des Glaubens und Hirten des Gottesvolkes gebührende Beachtung schenken. Aus dem Kontext des Zusammenlebens mit Menschen anderer Religionszugehörigkeit erwächst den Christen eine besondere Verpflichtung, die Einmaligkeit und Universalität des Heilsmysteriums Jesu Christi und die daraus folgende Notwendigkeit der Kirche als Heilswerkzeug für die ganze Menschheit zu bezeugen. »Diese Glaubenswahrheit nimmt nichts von der Tatsache weg, dass die Kirche die Religionen der Welt mit aufrichtiger Ehrfurcht betrachtet, schließt aber zugleich radikal jene Mentalität des Indifferentismus aus, die durchdrungen ist von einem religiösen Relativismus, der zur Annahme führt, dass ,,eine Religion gleich viel gilt wie die andere«-<ref> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus iesus (6. August 2000), 22: AAS 92 (2000), 763.</ref> Es ist somit klar, dass der interreligiöse Dialog niemals die Botschaft und die Verkündigung des Glaubens ersetzen kann, die den vorrangigen Zweck der Predigt, der Katechese und der Mission der Kirche darstellen.

Die offene und unzweideutige Aussage, dass das Heil des Menschen von der von Christus gewirkten Erlösung abhängt, behindert nicht den Dialog mit den anderen Religionen. Aus der Perspektive des Bekenntnisses der christlichen Hoffnung soll man sodann nicht vergessen, dass gerade sie die Grundlage für den interreligiösen Dialog bildet. Denn, wie es in der Konzilserklärung Nostra aetate heißt, »sind ja alle Völker eine einzige Gemeinschaft. Sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen, bis die Erwählten vereint sein werden in der Heiligen Stadt, deren Licht die Herrlichkeit Gottes sein wird; werden doch alle Völker in seinem Lichte wandeln«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 1.</ref>

Das bürgerliche, soziale und wirtschaftliche Leben

69 Im pastoralen Wirken des Bischofs darf die besondere Aufmerksamkeit für das Bedürfnis nach Liebe und Gerechtigkeit nicht fehlen, das den sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen der ärmsten, verlassenen, mißhandelten Menschen entspringt, in denen der Glaubende ebenfalls besondere Abbilder Jesu sieht. Ihre Präsenz in den kirchlichen und bürgerlichen Gemeinden ist eine Bewährungsprobe für die Echtheit unseres christlichen Glaubens.

Ein Wort möchte ich dem komplexen Phänomen der sogenannten Globalisierung widmen, die eines der Merkmale der heutigen Welt darstellt. Es gibt in der Tat eine »Globalisierung« der Wirtschaft, der Finanzen und auch der Kultur, die sich als Auswirkung der rapiden Fortschritte im Zusammenhang mit den Technologien im Bereich der Informatik fortschreitend durchsetzt. Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, erfordert die Globalisierung eine sorgfältige Unterscheidung, um ihre positiven und negativen Aspekte und die verschiedenen Folgen festzustellen, die daraus für die Kirche und für die ganze Menschheit entstehen können. Bei dieser Aufgabe ist der Beitrag der Bischöfe sehr wichtig, die stets an die Dringlichkeit erinnern sollen, eine Globalisierung in der Liebe, ohne Ausgrenzung, zu erreichen. Diesbezüglich haben auch die Synodenväter an die Verpflichtung erinnert, eine »Globalisierung der Liebe« zu fördern, und haben in diesem Zusammenhang die Probleme bedacht, die den Erlaß der Schulden im Ausland betreffen, welche die Wirtschaft ganzer Völker gefährden und deren sozialen und politischen Fortschritt hemmen.<ref> Vgl. Propositio 56.</ref>

Ohne hier eine so ernste Problematik erneut aufzugreifen, wiederhole ich lediglich einige grundlegende, bereits an anderer Stelle dargelegte Punkte: Die Vision der Kirche zu diesem Thema kennt drei wesentliche, zusammengehörende Bezugspunkte, nämlich die Würde der menschlichen Person, die Solidarität und die Subsidiarität. Daher muss »die wirtschaftliche Globalisierung im Lichte der Grundsätze sozialer Gerechtigkeit analysiert werden, wobei sowohl die vorrangige Option für die Armen, die befähigt werden sollen, sich in einer globalisierten Wirtschaft zu schützen, als auch die Erfordernisse des internationalen Gemeinwohls zu beachten sind«.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in america (22. Januar 1999), 55: AAS (91 (1999), 790-791.</ref> Wenn die Globalisierung in die Dynamik der Solidarität eingebunden ist, wirkt sie nicht mehr ausgrenzend. Die Globalisierung der Solidarität ist ja in der Tat die direkte Konsequenz jener universalen Liebe, die die Seele des Evangeliums ist.

Die Achtung der Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung

70 Die Synodenväter haben auch an die sittlichen Aspekte der ökologischen Frage erinnert.<ref> Vgl. Propositio 56.</ref> In der Tat bezieht sich der tiefe Sinn des Aufrufes zur Globalisierung der Solidarität auch, und zwar dringend, auf die Frage der Bewahrung der Schöpfung und der Ressourcen der Erde. Das »Seufzen der Schöpfung« , das der Apostel erwähnt (vgl. Röm 8, 22), scheint sich heute in umgekehrter Sicht zu ereignen, da es sich nicht mehr um eine eschatologische Spannung in Erwartung des Offenbarwerdens der Söhne Gottes (vgl. Röm 8, 19), sondern um einen Todeskrampf handelt, der den Menschen selbst zu ergreifen trachtet, um ihn zu zerstören.

Hier zeigt sich das Umweltproblem tatsächlich in seiner gefährlichsten und perversesten Form. Denn »das tiefgreifendste und schwerwiegendste Zeichen dafür, dass der ökologischen Frage moralische Implikationen innewohnen, besteht aber im Mangel an Achtung vor dem Leben, den man in vielen die Umwelt belastenden Verhaltensweisen antrifft. Oft gewinnen Produktionsgründe die Oberhand über die Würde des Arbeiters, und wirtschaftliche Interessen kommen vor dem Wohl der einzelnen Personen, wenn nicht sogar vor dem ganzer Bevölkerungsgruppen. In solchen Fällen ist die Verschmutzung oder die Zerstörung der Umwelt Frucht einer verkürzten und unnatürlichen Sicht, die bisweilen eine echte und direkte Missachtung des Menschen darstellt«.<ref> Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990 (8. Dezember 1989), 7: AAS 82 (1990), 150.</ref>

Es ist offensichtlich, dass nicht nur die Ökologie der Umwelt – die also auf den Schutz des Lebensraumes der verschiedenen Lebewesen acht gibt –, sondern auch die Humanökologie auf dem Spiel steht, die das Grundgut des Lebens in allen seinen Erscheinungsformen schützen und für die künftigen Generationen eine Umwelt bereiten soll, die dem Plan des Schöpfers möglichst nahe kommt. Es bedarf daher einer ökologischen Umkehr, zu der die Bischöfe dadurch ihren Beitrag leisten sollen, dass sie das richtige Verhältnis des Menschen zur Natur darlegen. Im Lichte der Lehre über Gottvater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, handelt es sich dabei um ein »Dienstverhältnis« : der Mensch wurde nämlich als Diener des Schöpfers zum Mittelpunkt der Schöpfung gemacht.

Der Dienst des Bischofs im Hinblick auf die Gesundheit

71 Die Sorge um den Menschen drängt den Bischof, Jesus, den wahren, von Mitleid und Erbarmen erfüllten »barmherzigen Samariter« , nachzuahmen, der sich des Menschen ohne Unterschiede annimmt. Der Gesundheitsschutz nimmt unter den heutigen Herausforderungen einen wichtigen Platz ein. Leider sind in den verschiedenen Teilen der Welt noch immer viele Arten von Krankheiten verbreitet, und obwohl die menschliche Wissenschaft bei der Suche nach neuen Lösungen oder nach Hilfen, um den Krankheiten besser begegnen zu können, hervorragende Fortschritte macht, treten immer neue Situationen auf, in denen die physische und psychische Gesundheit bedroht wird.

Jeder Bischof ist aufgerufen, im Bereich seiner Diözese mit Hilfe qualifizierter Personen darauf hinzuwirken, dass das »Evangelium des Lebens« unverkürzt verkündet wird. Das Bemühen um eine Humanisierung der Medizin und die Krankenbetreuung durch Christen, die dem Leidenden ihre fürsorgliche Nähe beweisen, rufen im Herzen eines jeden die Gestalt Jesu, des Arztes für Leib und Seele, wach. Er hat es nicht unterlassen, unter die Anweisungen, die er seinen Aposteln gegeben hat, auch die Aufforderung zur Heilung der Kranken aufzunehmen (vgl. Mt 10, 8).<ref> Vgl. Propositio 57.</ref> Daher verdient die Organisation und Förderung einer angemessenen Seelsorge für die im Gesundheitswesen tätigen Personen wirklich Vorrang im Herzen eines Bischofs.

Die Synodenväter haben es als besonders dringend empfunden, ihrer Sorge um die Förderung einer echten »Kultur des Lebens« in der modernen Gesellschaft deutlich Ausdruck zu verleihen: »Was uns aber als Hirten vielleicht am meisten bedrückt, ist die Verachtung des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod und der Zerfall der Familie. Das Nein der Kirche zu Abtreibung und Euthanasie ist ein Ja zum Leben, zur grundsätzlichen Güte der Schöpfung, ein Ja, das jeden Menschen im Heiligtum seines Gewissens ansprechen kann, ein Ja zur Familie, der ersten Keimzelle der Hoffnung, an der Gott seine Freude hat und die er dazu beruft, Hauskirche zu werden«.<ref> Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft (26. Oktober 2001), 12: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5.</ref>

Die pastorale Sorge des Bischofs gegenüber den Migranten

72 Die Bevölkerungsbewegungen haben heute ganz neue Ausmaße angenommen und treten als Massenbewegungen auf, die eine immense Zahl von Menschen umfassen. Viele dieser Leute sind infolge bewaffneter Konflikte, wirtschaftlicher Notstände, politischer, ethnischer und sozialer Zusammenstöße oder Naturkatastrophen aus ihrem Land ausgewandert oder geflüchtet. All diese Formen der Migration, so unterschiedlich sie auch sein mögen, stellen unsere Gemeinden im Zusammenhang mit pastoralen Fragen wie der Evangelisierung und dem interreligiösen Dialog vor ernste Probleme.

Es ist daher angebracht, dass man sich in den Diözesen um die Einrichtung pastoraler Strukturen bemüht, die für die Aufnahme und geeignete seelsorgliche Betreuung dieser Menschen, entsprechend der unterschiedlichen Lage, in der sie sich jeweils befinden, vorgesehen sind. Es gilt auch, die Zusammenarbeit zwischen Nachbardiözesen zu fördern, um einen effizienteren und kompetenteren Dienst zu gewährleisten; gleichzeitig soll auch für die Ausbildung besonders hochherziger und zu diesem anspruchsvollen Dienst bereiter Priester und Laienmitarbeiter gesorgt werden, vor allem auch in bezug auf die Probleme rechtlicher Natur, die bei der Eingliederung der Migranten in die neue Gesellschaftsordnung auftreten können.<ref> Vgl. Propositio 58.</ref>

In diesem Zusammenhang haben die Synodenväter aus den katholischen Ostkirchen das Problem der Abwanderung der Gläubigen ihrer Gemeinden wieder aufgeworfen; es geht hier um ein in mancher Hinsicht neues Problem, das schwerwiegende Konsequenzen im konkreten Leben zeitigt. Es führt nämlich dazu, dass eine sehr erhebliche Anzahl von Gläubigen, die aus den katholischen Ostkirchen stammen, nunmehr außerhalb der Ursprungsländer und der Diözesen ostkirchlicher Hierarchien ihren gewöhnlichen und festen Wohnsitz haben. Es handelt sich begreiflicherweise um eine Situation, die tagtäglich die Verantwortung der Bischöfe herausfordert.

Darum hat auch die Bischofssynode eine gründlichere Untersuchung über die Möglichkeiten für notwendig erachtet, mit denen die katholischen Kirchen östlicher wie westlicher Tradition angemessene und geeignete pastorale Strukturen festlegen können, die in der Lage sind, den Bedürfnissen dieser in der »Diaspora« - Situation lebenden Gläubigen entgegenzukommen.<ref> Vgl. Propositio 23.</ref> Auf jeden Fall bleibt es die Pflicht der Ortsbischöfe, auch wenn sie einem anderen Ritus angehören, für diese Gläubigen des orientalischen Ritus wahre Väter zu sein und ihnen in der Seelsorge die Wahrung der spezifischen religiösen und kulturellen Werte zu garantieren, in die sie hineingeboren wurden und in denen sie ihre erste christliche Formung erhalten haben.

Das sind nur einige Bereiche, in denen das christliche Zeugnis und der Dienst des Bischofs mit besonderer Dringlichkeit auf den Plan gerufen werden. Die Übernahme von Verantwortung gegenüber der Welt, ihren Problemen, ihren Herausforderungen und ihren Erwartungen gehört zum Auftrag der Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung. Denn immer steht die Zukunft des Menschen als ,,Wesen der Hoffnung auf dem Spiel.

Es ist leicht verständlich, dass sich bei der Häufung von Herausforderungen, denen die Hoffnung ausgesetzt ist, die Versuchung zu Skeptizismus und Mißtrauen einstellt. Doch der Christ weiß, dass er auch den schwierigsten Situationen entgegentreten kann, weil das Fundament seiner Hoffnung auf dem Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung des Herrn beruht. Nur daraus lässt sich die Kraft schöpfen, um sich bleibend in den Dienst Gottes zu stellen, der die Rettung und die vollständige Befreiung des Menschen will.

SCHLUSS

73 Im Hinblick auf menschlich gesehen derart komplexe Szenarien für die Verkündigung des Evangeliums kommt uns gleichsam spontan die in den Evangelien wiedergegebene Erzählung von der Brotvermehrung in den Sinn. Die Jünger äußern Jesus gegenüber ihre Ratlosigkeit hinsichtlich der Menge, die ihm aus Hunger nach seinem Wort bis in die Wüste gefolgt ist, und sie raten ihm: »Dimitte turbas... Schick die Menschen weg...« (Lk 9, 12). Sie haben vielleicht Angst und wissen wirklich nicht, wie sie eine so große Zahl von Menschen satt machen sollen.

Eine ähnliche Haltung könnte in unserem Herzen aufsteigen, das sich nahezu entmutigt fühlt angesichts der ungeheuren Probleme, die sich den Kirchen und uns Bischöfen persönlich stellen. In diesem Fall müssen wir auf jene neue Phantasie der Liebe zurückgreifen, die sich nicht so sehr und nicht nur in der Wirksamkeit der geleisteten Hilfsmaßnahmen entfalten soll, sondern noch mehr in der Fähigkeit, sich zum Nächsten des Notleidenden zu machen und den Armen zu erlauben, sich in jeder christlichen Gemeinde wie zu Hause zu fühlen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 50: AAS 93 (2001), 303.</ref>

Jesus jedoch löst die Probleme auf seine eigene Weise. Geradezu provozierend sagt er zu den Aposteln: »Gebt ihr ihnen zu essen!« (Lk 9, 13). Den Schluß des Berichts kennen wir nur zu gut: »Alle aßen und wurden satt. Als man die übriggebliebenen Brotstücke einsammelte, waren es zwölf Körbe voll« (Lk 9, 17). Dieser übriggebliebene Überfluß ist noch heute im Leben der Kirche vorhanden!

Die Bischöfe des dritten Jahrtausends sind aufgefordert, das zu tun, was im Laufe der Geschichte bis heute so viele heilige Bischöfe zu tun verstanden haben. Wie zum Beispiel der heilige Basilius, der just bei den Toren von Cäsarea eine riesige Anlage zur Aufnahme für die Armen errichten ließ, eine echte »Zitadelle« der Liebe, die nach ihm ,,Basiliade genannt wurde: darin scheint deutlich auf, dass »die Liebe der Werke der Liebe der Worte eine unmißverständliche Kraft verleiht«.<ref> Vgl. ebd.</ref>  Das ist der Weg, den wir einschlagen müssen: Der Gute Hirt hat seine Herde jedem Bischof anvertraut, damit er sie mit dem Wort nähre und durch sein Beispiel forme.

Woher sollen wir Bischöfe nun das nötige Brot nehmen, um die vielen Fragen zu beantworten, die von innen und außen an die Ortskirchen und an die Kirche gerichtet werden? Wir könnten jammern, wie es die Apostel gegenüber Jesus getan haben: »Wo sollen wir in dieser unbewohnten Gegend so viel Brot hernehmen, um so viele Menschen satt zu machen?« (Mt 15, 33). Von welchen »Orten« sollen wir die Mittel beziehen? Wir können zumindest auf einige grundsätzliche Antworten hinweisen.

Unser erstes, transzendentes Mittel ist die Liebe, die in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (vgl. Röm 5, 5). Die Liebe, mit der Gott uns geliebt hat, ist von solcher Art, dass sie uns immer dabei helfen kann, die richtigen Wege zu finden, um das Herz der Männer und Frauen von heute zu erreichen. In jedem Augenblick schenkt uns der Herr durch die Kraft seines Geistes die Fähigkeit, zu lieben und die treffendsten und schönsten Formen der Liebe zu erfinden. Da wir dazu berufen sind, um der Hoffnung der Welt willen Diener des Evangeliums zu sein, wissen wir, dass diese Hoffnung nicht aus uns stammt, sondern vom Heiligen Geist, der »nicht aufhört, Hüter der Hoffnung im Herzen des Menschen zu sein: der Hoffnung aller menschlichen Geschöpfe und besonders derjenigen, die ,,als Erstlingsgabe den Geist haben und ,,auf die Erlösung ihres Leibes warten (Röm 8, 23)«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), 67: AAS 78 (1986), 898.</ref>

Unser zweites Mittel ist die Kirche, in die wir durch die Taufe zusammen mit vielen anderen Brüdern und Schwestern eingegliedert sind, mit denen wir den einen himmlischen Vater bekennen und von dem einen Geist der Heiligkeit trinken.<ref> Vgl. Tertullian, Apologeticum, 39, 9: CCL 1, 151.</ref> Die Kirche »zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft machen« , das ist die Aufgabe, zu der uns die gegenwärtige Situation auffordert, wenn wir den Erwartungen der Welt entsprechen wollen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 43: AAS 93 (2001), 296.</ref>

Unsere Gemeinschaft im Episkopat, in den wir durch die Weihe eingegliedert wurden, ist gleichfalls ein außergewöhnlicher Reichtum, stellt sie doch eine äußerst wertvolle Hilfe dar, aufmerksam die Zeichen der Zeit zu lesen und klar zu erkennen, was der Geist den Kirchen sagt. Im Herzen des Bischofskollegiums gibt es die Stütze und Solidarität des Nachfolgers des Apostels Petrus, dessen höchste und universale Gewalt die Gewalt der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, nicht aufhebt, sondern vielmehr bestätigt, stärkt und geltend macht. Aus dieser Sicht wird es wichtig sein, die Instrumente der Gemeinschaft gemäß den großen Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Geltung zu bringen. Es gibt nämlich ohne Zweifel – und heutzutage gar nicht wenige - Umstände, in denen sich eine einzelne Teilkirche und auch mehrere Nachbarkirchen unfähig oder praktisch unmöglich in der Lage sehen, bei Problemen von großer Wichtigkeit angemessen einzugreifen. Gerade in diesen Situationen kann die Anwendung der Instrumente der bischöflichen Gemeinschaft eine echte Hilfe bieten. Ein letztes, direktes Mittel für einen Bischof auf der Suche nach dem ,,Brot, um den Hunger seiner Brüder zu stillen, ist die eigene Teilkirche, wenn in ihr die Spiritualität der Gemeinschaft als Erziehungsprinzip überall dort zutage tritt, »wo man den Menschen und Christen formt, wo man die geweihten Amtsträger, die Ordensleute und die Mitarbeiter in der Seelsorge ausbildet, wo man die Familien und die Gemeinden aufbaut«.<ref> Ebd.</ref> Hier zeigt sich noch einmal der Zusammenhang zwischen der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode und den drei anderen Vollversammlungen, die ihr unmittelbar vorausgegangen sind. Denn ein Bischof ist niemals allein: Er ist in der Universalkirche nicht allein und auch nicht in seiner Teilkirche.

74 Somit ist die Aufgabe des Bischofs am Beginn eines neuen Jahrtausends klar umrissen. Es ist immer die gleiche Aufgabe: Verkündigung des Evangeliums Christi, des Heils der Welt. Aber es ist eine Aufgabe, die von neuen Dringlichkeiten gekennzeichnet ist, welche die einmütige Hingabe aller Glieder des Gottesvolkes erfordern. Der Bischof muss auf die Mitglieder der Presbyteriums der Diözese und auf die Diakone, Diener des Blutes Christi und der Liebe, zählen können; auf die Schwestern und Brüder des geweihten Lebens, die dazu berufen sind, in der Welt beredte Zeugen der Vorrangstellung Gottes im christlichen Leben und der Macht seiner Liebe in der zerbrechlichen Lage des Menschen zu sein; und schließlich auf die gläubigen Laien, deren vermehrte Möglichkeiten zum Apostolat in der Kirche für die Bischöfe eine Quelle spezifischer Unterstützung und Grund besonderen Trostes darstellen. So führt das Thema der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode einen jeden von uns Bischöfen wieder zu all unseren Brüdern und Schwestern in der Kirche und zu allen Männern und Frauen in der Welt, zu denen uns Christus sendet, wie er einst die Apostel ausgesandt hat (vgl. Mt 28, 19-20). Unsere Aufgabe ist es, für jeden Menschen in hervorragender und sichtbarer Weise ein lebendiges Zeichen Jesu Christi, des Lehrers, Priesters und Hirten zu sein.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21.</ref>

Christus Jesus ist also die Ikone, auf die wir, geliebte Brüder im Bischofsamt, blicken, um unser Amt als Boten der Hoffnung zu erfüllen. Wie er müssen auch wir es verstehen, für das Heil derer, die uns anvertraut sind, unser Leben darzubringen in der Verkündigung und der Feier des Sieges der barmherzigen Liebe Gottes über Sünde und Tod.

Erflehen wir für diese unsere Aufgabe die Fürbitte der Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche und der Königin der Apostel. Sie, die im Abendmahlssaal das Gebet des Apostelkollegiums mittrug, erwirke uns die Gnade, niemals nachzulassen in der Liebeshingabe, die Christus uns anvertraut hat. Maria, Zeugin des wahren Lebens, »leuchtet dem wandernden Gottesvolk – und daher in besonderer Weise uns Bischöfen, die wir seine Hirten sind – bis zur Ankunft des Tages des Herrn als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes voran«.<ref> Ebd., 68.</ref>

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 16. Oktober des Jahres 2003,

dem fünfundzwanzigsten Jahrestag meiner Wahl zum Papst.

Johannes Paul II.

Anmerkungen

<references />

Weblinks